Rz. 3

Die Suche nach einem verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Arbeitnehmerschutz und Unternehmerfreiheit prägte die Entwicklung des Kündigungsschutzes. Ein materieller Kündigungsschutz im Sinne eines Erfordernisses sachlicher, die Kündigung rechtfertigender Gründe findet sich erstmals in dem Betriebsrätegesetz (BRG) vom 4.2.1920. Nach diesem Gesetz konnte der Arbeitnehmer, der eine Kündigung für unbillig hielt, Einspruch beim Betriebsrat (soweit er existierte) erheben. Billigte dieser den Einspruch, konnte der Arbeitnehmer das Arbeitsgericht anrufen. Die Kündigung war nur dann rechtmäßig, wenn sie durch bestimmte, in § 84 BRG normierte Gründe begründet war. Insbesondere war der Einspruch dann begründet – die Kündigung entsprechend unbegründet –, wenn sie sich als eine unbillige, nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers oder durch die Verhältnisse des Betriebs bedingte Härte erwies (§ 84 Abs. 1 Nr. 4 BRG). Auch die Demobilmachungsverordnung vom 12.2.1920 enthielt kündigungsschutzrechtliche Elemente, die bis in das heutige Recht fortwirken. Insbesondere ist § 13 DemobilmachungsVO von Bedeutung, wonach eine Art sozialer Auswahl stattzufinden hatte in dem Sinne, dass "die älteren eingearbeiteten (Arbeitnehmer) und diejenigen mit unterhaltsbedürftigen Angehörigen möglichst in ihrer Arbeitsstelle zu belassen" seien.

 

Rz. 4

Grundlage des Kündigungsschutzes nach dem 2. Weltkrieg wurde das Kündigungsschutzgesetz vom 10.8.1951. Eine wesentliche Weiterentwicklung des KSchG erfolgte dann durch das 1. Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14.8.1969, weitere Änderungen des Kündigungsschutzgesetzes erfolgten insbesondere durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 13.9.1996[1] (ArbBeschFG), hier wurde die Schwelle der Anwendbarkeit des Gesetzes von mehr als 5 Arbeitnehmer auf mehr als 10 Arbeitnehmer im Betrieb erhöht. Wesentliche Teile des ArbBeschFG wurden wiederum durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998[2] (KorrekturG), in Kraft getreten am 1.1.1999, rückgängig gemacht. Teilweise wieder in Kraft getreten sind diese Änderungen von 1996 jedoch dann durch das Gesetz für Reformen am Arbeitsmarkt vom 30.12.2003.[3] Der Kündigungsschutz gilt danach wieder erst in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten. Die seitdem vorgenommenen Änderungen sind von nur geringem Gewicht und betreffen überwiegend die formale Umbenennung zuständiger Behörden.

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.6.2021[4] ist nun ein weiterer Schritt zur Stärkung des Kündigungsschutzes durch den Gesetzgeber gemacht worden: So wurde durch Änderung von § 15 Abs. 3a KSchG die Anzahl der in der Einladung zur Betriebsratswahl genannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem Kündigungsschutz nach diesem Absatz unterfallen von 3 auf 6 erhöht, um mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu ermöglichen, sich offen für die Betriebsratswahl zu engagieren.[5] Darüber hinaus wurden im neu eingefügten § 15 Abs. 3b KSchG besondere Kündigungsschutzregeln für bestimmte Personengruppen im Vorfeld von Betriebsratswahlen aufgenommen, um die Wahl der Betriebsverfassungsorgane und die Kontinuität der Arbeit zu sichern.[6]

 

Rz. 5

Die weitere künftige Entwicklung ist einstweilen offen. Lockerungen werden im Interesse von mehr Beschäftigung gefordert. Auch hier gibt es Grenzen: Der Weg nach Manchester ist sicherlich nicht der Weg zur Vollbeschäftigung – und selbst wenn er es wäre, wir dürften ihn nicht gehen im Sinne eines verfassungskonformen und letztlich gerechten Arbeitsrechts. Inwieweit durch arbeitsrechtliche Brachialmaßnahmen tatsächlich Arbeitsplätze geschaffen werden können, ist empirisch nur schwer belegbar.[7] Es lassen sich jedoch zahlreiche Indizien finden, bis hin zur Selbsteinschätzung betroffener Arbeitgeber. Wo sichere Statistik nicht zur Hand ist, müssen andere Formen der Evidenz reichen, muss – wie so oft – letztlich auch das vernünftige Vermuten des Gesetzgebers hinreichende Grundlage seines Handelns sein. Reformen scheinen daher möglich und wohl auch nötig. Wie jede neu geschaffene arbeitsrechtliche Norm sich jedoch den Vergleich gefallen lassen muss, ob das Mehr an Arbeitnehmerschutz die damit verbundene Belastung der Arbeitgeberseite und Gefährdung der Arbeitsmarktentwicklung aufwiegt, muss umgekehrt jede Abschaffung von Arbeitsrecht begründen, warum sie geeignet und erforderlich ist, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt Studien, die insgesamt den Zusammenhang zwischen gemindertem Kündigungsschutz und gestiegener Beschäftigung anzweifeln, und in der Tat: Wer heiratet, tut dies nicht so sehr im Blick auf das Scheidungsrecht, und wer einstellt, stellt ein, weil er einen Arbeitnehmer braucht, weil er glaubt, der Bewerber passt in den Betrieb – nicht weil er ihn einfach wieder loswerden kann. Der steuernde Effekt des Kündigungsschutzes ist schwer zu erweisen, zumal viele Arbeitgeber das Kündigungsrecht nicht genau kennen. Was unbekannt ist, kann auch geändert ke...

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