Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 10 Buchst a SGB 7. Zooschule als Teil einer Regelschule. organisatorischer Verantwortungsbereich. konkludente Auftragserteilung. Arbeitsunfall. Verantwortung und Kontrollbefugnis der Schulleitung. Finanzierung. Förderverein. Tierhalterhaftung. Ehrenamtliche Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob die Haltung von Kleintieren in einer sogenannten "Zooschule" dem Organisations- und Aufgabenbereich einer Gebietskörperschaft als sachlicher Schulträger zuzurechnen ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Allein die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten und die Gewährung von Fördermitteln rechtfertigt eine Einbeziehung in den Aufgabenbereich der Gebietskörperschaft in der Regel nicht. Steht der Schulleitung und/oder Bediensteten des Schulträgers das Letztentscheidungsrecht in Angelegenheiten der Zooschule zu, werden einem Lehrer Abminderungsstunden für seine Tätigkeit gewährt, übernimmt die Gebietskörperschaft die Tierhalterhaftpflicht und wird der Schriftverkehr über das Sekretariat der Schule abgewickelt; so ist von einer Einbeziehung in den Aufgaben- und Organisationsbereich des sachlichen Schulträgers auszugehen. Für eine ehrenamtliche Tätigkeit besteht dann Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung.

2. Eine konkludente Auftragserteilung ist für die Annahme von Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 10a SGB 7 ausreichend.

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 10a; BGB § 833

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 10. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 11. März 2009 als Arbeitsunfall.

Die 1955 geborene Klägerin war etwa ab dem Jahre 2000 ohne Bezahlung für die “Zooschule S.„ tätig. Der Rechtscharakter dieser Einrichtung ist zwischen den Beteiligten streitig. Ziel der Einrichtung ist es, insbesondere bei Schülern Verständnis und Achtung gegenüber Tieren zu entwickeln. Für diese Zwecke wurden zeitweise über 300 Kleintiere gehalten. Die Klägerin half zum Beispiel bei der Betreuung und Versorgung der in der Zooschule gehaltenen Tiere. Am 11. März 2009 rutschte sie bei dieser Tätigkeit aus und zog sich dabei ausweislich des Operationsberichts des SRH-Klinikums S. vom selben Tage eine Oberschenkelfraktur rechts zu. Am 27. März 2009 war nach einer Schraubenauswanderung ein erneuter operativer Eingriff erforderlich. Mit Schreiben vom 5. Mai 2009 teilte die Krankenversicherung der Klägerin der Beklagten mit, dass sie davon ausgehe, dass diese aufgrund der Folgen eines Arbeitsunfalles im Klinikum S. behandelt worden sei, und machte einen Erstattungsanspruch geltend. Die Beklagte holte Auskünfte über die Organisation der Zooschule S. ein und zog Behandlungsberichte bei. Sie gab ein Erstes Rentengutachten bei Dr. R. in Auftrag. Er gelangte in seinem Gutachten vom 23. April 2010 zu dem Ergebnis, dass eine Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk und eine Beinverkürzung Folgen des Unfallereignisses seien. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde auf 20 v.H. geschätzt. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. C. führte demgegenüber in einer Stellungnahme vom 8. Mai 2010 aus, dass aufgrund der erlittenen Verletzung eine unfallbedingte Beinverkürzung um 1,5 cm nicht nachvollziehbar sei. Es seien nur geringe Unfallfolgen verblieben. Die MdE werde auf 10 v.H. geschätzt.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juni 2010 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) bestehe nicht. Die Zooschule sei eine eigenständige, selbsttragende und sich selbst organisierende Einrichtung, die niemandem weisungsgebunden sei. Sie sei der P.-G.-Schule nicht zuzuordnen. Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestehe daher nicht. Ein Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2010 zurückgewiesen. Allein die räumliche Zugehörigkeit zur Grundschule … sowie die Einbeziehung der Zooschule in den Schulunterricht ändere nichts an der Eigenständigkeit dieser Einrichtung.

Hiergegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Meiningen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 10. Mai 2011 die Verwaltungsberufsgenossenschaft und mit Beschluss vom 1. März 2012 die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege beigeladen. Das Sozialgericht Meiningen hat im Klageverfahren Unterlagen des Fördervereins der P.-G.-Schule und der Stadt S. über die Förderung von Projekten der Zooschule beigezogen. Des Weiteren hat es in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2011 den Leiter der Zooschule I. Z. als Zeugen vernommen.

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