Rz. 3

§ 152 setzt voraus, dass ein Bemessungszeitraum nicht gebildet werden kann. Ein solcher liegt nur vor, wenn er Entgeltabrechnungszeiträume aus versicherungspflichtigen Beschäftigungen enthält, die entweder in Fällen des § 142 Abs. 1 mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt oder in Fällen des § 142 Abs. 2 mindestens 90 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassen. Auch bei der Ausbildungsvergütung von zur betrieblichen Berufsausbildung beschäftigten Personen handelt es sich begrifflich um Arbeitsentgelt (BSG, Beschluss v. 21.4.1993, 11 Bar 143/92). Das Arbeitslosengeld (Alg) ist nach der Ausbildungsvergütung zu bemessen (LSG Thüringen, Urteil v. 20.3.2013, L 10 AL 409/10). Es trifft nicht zu, dass bei Vergütungen im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung ggf. der Arbeitsentgeltcharakter i. S. des Bemessungsrechts verneint werden könnte (so offenbar BSG, Urteil v. 18.5.2010, B 7 AL 49/08 R; ablehnend auch BSG Urteil v. 6.3.2013, B 11 AL 12/12 R). Dem Bemessungszeitraum können nur Entgeltabrechnungszeiträume zugeordnet werden, die vollständig im Bemessungsrahmen enthalten sind und für die auch die übrigen Voraussetzungen des § 150 Abs. 1 erfüllt sind. In den Fällen des § 150 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2, in denen der Regelbemessungsrahmen erweitert werden kann, umfasst der Bemessungsrahmen 2 Jahre und erreicht damit seinen maximalen Umfang. Reicht dieser zur Bildung eines vollständigen Bemessungszeitraumes nicht aus, greift § 152 ein. Es besteht dann kein Anspruch darauf, dass etwa vor einer Kindererziehungszeit erzieltes Arbeitsentgelt berücksichtigt wird, soweit es außerhalb des erweiterten Bemessungsrahmens erzielt wurde (BSG, Urteil v. 25. 8.2011, B 11 19/10 R unter Hinweis auf das Urteil v. 29.5.2008, B 11a AL 23/07 R, und den Nichtannahmebeschluss des BVerfG v. 11.3.2010, 1 BvR 2909/08). Ebenso führt die Teilnahme an einem Freiwilligendienst nicht zu einer fiktiven Bemessung, weil die Teilnehmer ein bemessungsrelevantes Arbeitsentgelt erhalten (BSG, Urteil v. 23.2.2017, B 11 AL 1/16 R).

 

Rz. 3a

Eine fiktive Bemessung bezieht sich auf den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden ist. Das ist der Tag, an dem das Stammrecht auf Arbeitslosengeld erstmals oder infolge erneuter Erfüllung der Anwartschaftszeit und der sonstigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen wiederum begründet worden ist.

 

Rz. 4

Die Vorschrift ist von Amts wegen zu beachten. Sie kann keinen vollständigen Bemessungszeitraum nach § 150 ersetzen.

 

Rz. 5

Eine fiktive Bemessung ist nicht nur vorzunehmen, wenn die Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt aus den versicherungspflichtigen Beschäftigungen nicht ausreichen, um einen vollständigen Bemessungszeitraum zu bilden. Sie darf auch angewendet werden, wenn solche Zeiten möglicherweise existent sind, z. B. weil der Arbeitslose dies behauptet, aber letztlich nicht festgestellt werden können. Das ist z. B. denkbar, wenn der Arbeitgeber keine Arbeitsbescheinigung ausgestellt hat, er für die Arbeitsverwaltung nicht mehr zu erreichen ist und andere Sozialversicherungsträger keine Amtshilfe leisten können. Die Agentur für Arbeit muss aber ihre Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen und so dem Grundsatz der Amtsermittlung genügen. Diese Problematik dürfte sich in absehbarer Zeit erledigt haben, wenn als Folge zunehmender Digitalisierung die relevanten Entgelte elektronisch abgerufen werden können.

 

Rz. 5a

Grundsätzlich trifft dies auch für Fälle des § 142 Abs. 2 zu, in denen eine verkürzte Anwartschaftszeit zur Begründung eines Anspruches auf Alg genügt. Allerdings ist einschränkend zu beachten, dass der Arbeitslose darlegen und nachweisen muss, dass sein Fall einen Sonderfall des § 142 Abs. 2 darstellt. Wegen der Entgeltbegrenzung des § 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 werden davon jedenfalls Beschäftigungsverhältnisse im letzten Jahr vor der Beschäftigungslosigkeit erfasst.

 

Rz. 5b

Der Anspruch auf Alg eines vormaligen Grenzgängers, der vor seiner Arbeitslosigkeit wieder in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war, ist in entsprechender Anwendung des § 151 und eben nicht fiktiv zu bemessen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.3.2013, L 8 AL 1225/11, info also 2013 S. 153). Die Rechtsprechung des LSG war uneinheitlich (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.10.2011, L 3 AL 5476/10). Das BSG hat zwischenzeitlich klargestellt, dass Art. 62 Abs. 1 und 2 VO (EG) 883/2004 einschlägig ist und demnach das bei der letzten Beschäftigung in Deutschland erzielte Arbeitsentgelt der Bemessung zugrunde zu legen ist, auch wenn damit keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erreicht wurden (BSG, Urteil v. 17.3.2015, B 11 AL 12/14 R). Im entschiedenen Fall war der betroffene Arbeitnehmer zuvor als Kraftfahrer in Belgien beschäftigt. Eine fiktive Bemessung findet nicht statt. Im Übrigen müssen auch bei ehemaligen Grenzgängern keine ggf. höheren Tariflöhne in den betroffenen Branchen im Ausland herangezogen werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.7.2016, L 8 AL 15/16).

 

Rz. 5c

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