Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Gewährung von Erziehungsgeld. verspätete Antragstellung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden. juristischer Laie. Erkundigung bei Unklarheit über die Rechtslage. Rechtskundiger. Volljurist

 

Orientierungssatz

Eine rechtsunkundige Antragstellerin, die bei einer Unklarheit über die Rechtslage die Hilfe ihres juristisch ausgebildeten Ehemannes (Volljurist) in Anspruch nimmt und bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass ihr Ehemann nicht die für die Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage erforderliche Fachkompetenz (hier: Erziehungsgeldrecht) besitzt, ist nicht ohne Verschulden iS des § 27 Abs 1 S 1 SGB 10 an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.01.2008; Aktenzeichen B 10 EG 6/07 R)

 

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten - auch der Berufungsinstanz - sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für die Zeit vom 3. März 2000 bis zum 20. September 2000 einen Anspruch auf Erziehungsgeld hat.

Zu der Familie der Klägerin gehören ihr Ehemann sowie die gemeinsamen Kinder M, L und N. Die Klägerin ist französische Staatsangehörige und von Beruf Übersetzerin bezüglich der deutschen Sprache. Ihr Ehemann ist Jurist und war im Jahr 2000 als Leiter des Rechtsamtes der Stadt C, beschäftigt. Diese Tätigkeit übte er seit 1998 aus.

Nach der Geburt ihrer Tochter M am 3. März 2000 beantragte die Klägerin am 21. März 2001 die Gewährung von Erziehungsgeld für die Dauer des ersten Lebensjahres. Die Klägerin war während dieser Zeit nicht erwerbstätig gewesen. Sowohl das Antragsformular als auch die dazugehörige "Anlage zum Antrag auf Bundeserziehungsgeld für das Kind" sind vom Ehemann der Klägerin mit unterzeichnet.

Mit Schreiben vom selben Tag bat die Klägerin um rückwirkende Gewährung des Erziehungsgeld für ein Jahr und trug hierzu vor, seit der Geburt ihrer Tochter Marlies habe sie unter massiven psychischen und physischen Belastungen gestanden, welche sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geführt hätten. Sie selbst habe kurz nach der Geburt wegen einer Thrombose operiert werden müssen. Ihre Tochter M leide an einem Herzfehler. Zudem habe ihre Familie erfolglos versucht, ein Reihenhaus in R zu erwerben. In Vorwegnahme des beabsichtigten Umzugs sei ihr Sohn L bereits in R zur Schule angemeldet worden, was wegen der Beibehaltung der Wohnung in D-S zu einem zusätzlichen Aufwand geführt habe. Die Tochter M habe Physiotherapie und häusliche Übungen in Anspruch nehmen müssen. Erst im November 2000 habe man eine Wohnung in R gefunden und sei dann zum 1. Februar 2001 umgezogen. Der Umzug sei dann im Wesentlichen durch die Klägerin bewältigt worden. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass eine Frist für die Beantragung vorgesehen sei. Sie habe ihren Ehemann, der Volljurist sei, gefragt und die Auskunft erhalten, dass keine Fristen liefen.

Dem Schreiben waren eine Kopie des Herz-Passes der Tochter M sowie Einkommensnachweise beigefügt.

Die positiven Einkünfte des Ehemannes aus nicht selbstständiger Arbeit betrugen für das Kalenderjahr 2000 insgesamt 80.731,19 DM. Der Einkommenssteuerbescheid für 1998 wies Werbungskosten in Höhe von 3.468,00 DM aus. Der Einkommenssteuerbescheid für 2000 wies Werbungskosten in Höhe von insgesamt 7.890,00 DM aus. Entsprechende Nachweise wurden erst im August und November 2001 nachgereicht. Die Klägerin selber erhielt Mutterschaftsgeld lediglich als einmalige Zahlung nach § 200b der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Mit Schreiben vom 26. März 2001 trug die Klägerin ergänzend vor, die fehlerhafte Auskunft ihres Ehemannes habe sie im Juni 2000 erhalten.

Mit Schreiben vom 30. März 2001 stellte sie - nach Beratung durch ihren Ehemann - ausdrücklich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Bescheid vom 5. April 2001 lehnte die Beklagte die Zahlung von Bundeserziehungsgeld für die Zeit vom 3. März bis zum 20. September 2000 ab und stellte fest, dass für die Folgezeit dem Grunde nach ein Anspruch bestehe, sich aber wegen einer Überschreitung der Einkommensgrenzen kein Erziehungsgeld-Anspruch mehr errechne. Die Wiedereinsetzung werde abgelehnt, weil die Frist des § 4 Abs. 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) eine Ausschlussfrist sei. Ein sozialrechtlicher "Wiederherstellungsanspruch" sei ebenfalls nicht gegeben.

Dem widersprach die Klägerin am 9. April 2001. Die Beklagte habe eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu Unrecht abgelehnt. Rechtsgrundlage für diese sei § 27 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts handele es sich bei § 4 Abs. 2 Satz 3 BErzGG nicht um eine Ausschlussfrist.

Die Voraussetzungen für § 27 Abs. 2 SGB X seien erfüllt, da die Klägerin die Frist ohne Verschulden versäumt habe.

Mit Teilabhilfe-Bescheid vom 17. Dezember 2001 b...

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