Wie kommt es, dass einige Menschen die objektiv gleiche Belastung gut vertragen, während andere dadurch krank werden? Diese Frage führt zum Konzept der Schutzfaktoren, das davon ausgeht, dass der Mensch über bestimmte Schutzmechanismen verfügt, um gesundheitsbedrohliche Einflüsse abzuwehren. Dieses Gesundheitsmodell versucht aufzuzeigen, dass die Stärke bzw. die Wirkung dieser Schutzfaktoren durch den Menschen selbst, durch seine Einstellungen und Verhaltensweisen, maßgeblich beeinflusst werden können.

Eines der wichtigsten Modelle der Schutzfaktoren ist die Salutogenese von Aaron Antonovsky, das in der Gesundheitsförderung und Prävention sehr verbreitet ist. In diesem Ansatz wird nicht gefragt: "Wie entsteht Krankheit?", sondern: "Wie entsteht Gesundheit?". Damit wird der Fokus gelegt auf gesundheitsförderliche Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie Verhaltensweisen. Dieses Modell lässt sich gut übertragen auf den Bereich der psychischen Belastungen im Arbeitsleben.

Gesundheit und Krankheit werden im Salutogenese-Modell nicht als gegensätzliche und sich ausschließende Größen betrachtet, sondern auf einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum angeordnet. Ein Mensch ist demzufolge nicht entweder gesund oder krank, sondern mehr oder weniger gesund oder mehr oder weniger krank. Vollständige Gesundheit oder Krankheit werden als die Extrempole der Skala betrachtet, die eher selten erreicht werden. Meist erleben wir eine Mischung von Gesundheit und Krankheit.

Abb. 3: Gesundheits-Krankheits-Kontinuum nach dem Salutogenese-Modell

Belastungen und Anforderungen an Menschen können sowohl durch Umweltbedingungen als auch auf innerer Ebene entstehen und werden als Stressoren (z. B. Umweltbelastungen, soziale Konflikte, innerpsychische Krisen, Krankheitserreger) bezeichnet. Diese Stressauslöser werden in Antonovskys Modell nicht als etwas per se Schlechtes verstanden, was man auf jeden Fall vermeiden muss. Stressoren gelten als Herausforderungen, denen man nicht komplett entgehen kann. Für die gesundheitlichen Auswirkungen der Stressoren ist entscheidend, ob und inwieweit die durch sie verursachte körperliche und psychische Anspannung anschließend wieder aufgelöst werden kann.

Bewältigungsressourcen für diese Anforderungen sind sowohl im äußeren Umfeld als auch im inneren Bereich der Menschen vorhanden. Diese Ressourcen werden im Salutogenese-Modell als generalisierte Widerstandsquellen beschrieben. Es kann sich bei den Ressourcen um ganz unterschiedliche Kraftquellen und Unterstützungsmöglichkeiten handeln: Physikalische, biochemische, kognitive, emotionale, materielle, kulturelle, soziale oder politische Eigenschaften und Ressourcen einer Person können dazu beitragen, interne und externe Stressoren zu vermeiden bzw. zu bewältigen. Die generalisierten Widerstandsressourcen werden als Potenzial angesehen, das aktiviert werden kann, wenn es für die Bewältigung eines Spannungszustands erforderlich ist.

Sie beinhalten alle Fähigkeiten des Menschen, mit biologischen, psychischen und sozialen Belastungen konstruktiv zurechtzukommen. Zu den Widerstandsressourcen zählen z. B.

  • ausreichend Immunpotenziale des Körpers gegen Stressoren,
  • aktive Vermeidung von Stressoren,
  • Anpassung an oder aktive Veränderung von Lebensumständen, z. B. durch Intelligenz, geistige Flexibilität,
  • materielle Ressourcen (Schutz, Ernährung, Wohnung usw.),
  • soziale Unterstützung,
  • soziale Integration und aktive Teilnahme an Entscheidungsprozessen über das eigene Leben.

Wenn diese Widerstandsressourcen ausreichend vorhanden sind, können Menschen einen "Kohärenzsinn" (Sinn für den Zusammenhang) entwickeln. Dieser Kohärenzsinn ist das zweite Kernstück des Salutogenese-Modells. Der Kohärenzsinn umfasst 3 Komponenten:

  1. Verstehbarkeit der Welt (Comprehensibility): das Gefühl, die Welt zu verstehen, sich in ihr zurechtzufinden und vorhersehen zu können, welche mögliche Folgen das eigene Handeln haben wird.
  2. Handhabbarkeit der zur Verfügung stehenden Ressourcen (Manageability): Das Gefühl, die Umwelt mit den eigenen Handlungen beeinflussen zu können.
  3. Sinnhaftigkeit des Lebens (Meaningfulness): Das Gefühl, dass das eigene Leben einen Sinn enthält und dass die eigenen Handlungen etwas Nützliches in der Welt bewirken können.

"Unter dem Kohärenzsinn kann ein positives, aktives Selbstbild der Handlungs- und Bewältigungsfähigkeit verstanden werden, das einhergeht mit der Gewissheit, sich selbst und die eigenen Lebensbedingungen steuern und gestalten zu können."[1] Die besondere Bedeutung hat das Salutogenese-Modell, weil hier die Hauptaufmerksamkeit auf die Gesundheit und ihre Quellen gelegt wird.

 
Wichtig

Kohärenzgefühl ist veränderbar

Das Kohärenzgefühl ist veränderbar! Es ist nicht so, dass wir mit einem bestimmten Kohärenzgefühl auf die Welt kommen und den Rest unseres Lebens damit zurechtkommen müssen. Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung können also auch Maßnahmen eingeführt werden, die an den verschiedenen Komponenten des Kohärenzgefühls ansetzen und es stärken.

Abb. 4: Das S...

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