Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Auftreten von Komplikationen nach Geburt auch nach Ablauf von 6 Tagen. Kostenübernahme der stationären Behandlung richtet sich nach den §§ 196 bzw 197 RVO. gutachtliche Stellungnahme. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Auftreten von Komplikationen (hier: Kindbettfieber) richtet sich die stationäre Behandlung auch nach Ablauf von 6 Tagen nach den §§ 196, 197 RVO und nicht nach § 39 SGB 5.

 

Orientierungssatz

Dass die Verpflichtung der Krankenkasse, eine gutachtliche Stellungnahme beim MDK einzuholen, nur bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB 5 bestehen soll, kann dem § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 nicht entnommen werden.

 

Normenkette

RVO § 197 S. 1 Fassung: 1988-12-20, S. 2, § 196 Abs. 1 S. 1; SGB V § 39 Abs. 1, § 275 Abs. 1 Nr. 1; SGG § 144 Abs. 2 Nr. 1

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 644,15 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Vergütung eines stationären Krankenhausaufenthaltes.

Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses, die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenversicherung.

Die bei der Beklagten versicherte Patientin S. H. (geboren 1974) befand sich in der Zeit vom 08. bis 19. Juli 2009 in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Klägerin. Der Verlauf im Wochenbett war zunächst regelrecht, allerdings kam es am 4. Tag nach der Entbindung (13.07.2009) bei der Patientin zu einem Fieberanstieg aufgrund einer nachgeburtlichen Entzündung der Gebärmutterschleimhaut. Es handelt sich dabei um das sogenannte Kindbettfieber, eine Infektionskrankheit, die nach einer Entbindung während des Wochenbetts oder nach einer Fehlgeburt auftreten kann. Nach antibiotischer Behandlung ging das Fieber schnell zurück, bereits am 17.07.2009 wurde kein Fieber mehr gemessen. Zur Sicherheit der Patientin und des Neugeborenen erfolgte noch eine ärztliche Überwachung der Entzündungsparameter, bis sich auch diese wieder auf ein Normalmaß zurückgebildet hatten.

Mit Rechnung vom 25.08.2009 verlangte die Klägerin die Zahlung von 2.199,13 €. Gezahlt wurden von der Beklagten 1.554,98 € am 16.09.2009.

Die Prüfung des Falles wurde der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 14.09.2009 angezeigt. Die Klägerin weigerte sich im Rahmen einer am 03.11.2009 durchgeführten Begehung, dem MDK die Fallunterlagen zur Beurteilung vorzulegen. Zur Begründung verwies sie auf ein obiter dictum im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 31.07.2009 (S 23 KR 199/09). Am Ende dieser Entscheidung wird es als “zumindest äußerst fraglich„ bezeichnet, ob der MDK in Entbindungsfällen überhaupt berechtigt sei, Prüfungen vorzunehmen.

Mit Schreiben vom 06.11.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Weigerung des Krankenhauses, eine Überprüfung von stationären Behandlungsfällen durch den MDK zuzulassen, den Wegfall des Vergütungsanspruches nach sich ziehe.

Am 12.05.2010 hat die Klägerin Klage erhoben und vorgetragen, die Vorschrift des § 275 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) stelle ausschließlich darauf ab, ob eine “Erkrankung des Patienten vorgelegen hat„. Auch werde vorausgesetzt, dass eine Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 SGB V stattgefunden habe. Unstreitig dürfte sein, dass hier Leistungen nach den Vorschriften der §§ 195 ff. Reichsversicherungsordnung (RVO) geltend gemacht würden.

Mit Urteil vom 19.03.2012 hat das SG die auf Zahlung von 644,15 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer habe die Frage, ob grundsätzlich bei stationären Entbindungen nach § 197 RVO ein Prüfrecht nach § 275 SGB V bestehe, offen lassen können. Hier sei nach der stationären Entbindung am 08.07.2009 Tage später, nämlich am 13.07.2009, ein Kindbettfieber hinzugetreten, welches als eigenständige Erkrankung angesehen werden müsse, die die Einleitung eines Prüfverfahrens rechtfertige. Die Erkrankung stehe nicht mehr in Zusammenhang mit dem Austritt des Kindes aus dem Mutterleib; sie sei Tage nach der Entbindung aufgetreten. Damit bestehe hier ein Prüfrecht nach § 275 SGB V. Die Pflicht, an der Überprüfung mitzuwirken, habe die Klägerin indes eklatant verletzt. Sie habe zwar die Angaben nach § 301 SGB V übermittelt, aber bereits die weitere Pflicht, die Dauer der Krankenhausbehandlung medizinisch zu begründen, verletzt. Dabei habe sie formelhaft und ohne Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Sachverhalt die Mitwirkung mit dem bloßen Hinweis auf § 197 RVO verweigert. Diese Verweigerungshaltung habe sich fortgesetzt. Bei der Begehung am 03.11.2009 habe sie die Herausgabe der Patientenunterlagen unter Hinweis auf das Urteil der 23. Kammer des SG verweigert, obgleich daraus ersichtlich gewesen sei, dass es sich um einen anders gelagerten Fall gehandelt habe. Auf entsprechendes Schre...

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