Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Rückkehr ins Inland nach Auslandsaufenthalt. sachlich hinreichende Rechtfertigung des Anspruchsausschlusses nach § 52a SGB 5. (vorsätzlich) missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme. Versicherungs- und Beitragspflicht bisher Nichtversicherter iSv § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

Das sichere Wissen, nach einer Rückkehr in das Inland Behandlungsleistungen in Anspruch nehmen zu müssen, reicht für die Anwendung des § 52a SGB 5 nicht aus.

 

Orientierungssatz

1. Zur Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 52a SGB 5 kommt es nicht darauf an, ob der Versicherte sich mit Recht oder sonstigen Gründen in das Inland begeben hat, sondern ob die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sachlich hinreichend gerechtfertigt erscheint.

2. Werden über eine Akutbehandlung hinausgehende Leistungen in Anspruch genommen, erscheint die Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung sachlich nur angemessen, wenn bereits über den zufälligen Aufenthalt im Inland hinausgehende Beziehungen zu der Versichertengemeinschaft aufgebaut worden sind oder zumindest in Zukunft noch aufgebaut werden. Die Inanspruchnahme erscheint so nur dann missbräuchlich, wenn dafür nicht als Gegenleistung auch entsprechende Versicherungsbeiträge über einen längeren Zeitraum entrichtet werden.

3. Ein auf die Inanspruchnahme von Leistungen auf der Grundlage einer Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 gerichteter Vorsatz muss auch das Wissen umfassen, nach dieser Vorschrift (wieder) Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung zu sein.

4. Auf die zwischen der vorherigen Versicherung und dem Wiedereintritt nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 verstrichene Zeit kommt es nicht an.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2011 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass kein Leistungsausschluss nach § 52a SGB V seit dem 29. Juni 2010 wegen der Erkrankungen Infektion und entzündliche Reaktion durch eine Gelenkendoprothese, Diabetes mellitus und Gicht eingetreten ist.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Leistungsansprüche gegen die Beklagte hat.

Der im Dezember 1935 geborene Kläger legte bis 1990 im Inland Pflichtbeitragszeiten zur Rentenversicherung wegen abhängiger Beschäftigung zurück. Während dieser Zeit war er bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. 1990 verzog er nach Thailand, wo er keine Krankenversicherung hatte. Seit dem 1. Januar 2001 erhielt er von der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Regelaltersrente nach Thailand in Höhe von zunächst 1.428,23 DM.

Im Jahr 2005 erlitt der Kläger in Thailand eine Schenkelhalsfraktur. Daraufhin wurde ihm dort eine Totalendoprothese eingesetzt. Der Eingriff führte zu Komplikationen. Seitdem litt der Kläger wegen der Gelenkendoprothese an einer chronischen Fistel mit Ausfluss von Eiter sowie an Infektionen und entzündlichen Reaktionen.

Am 29. Juni 2010 kehrte der Kläger nach Berlin zurück. Er hatte sich vorher mit Schreiben vom 18. Juni 2010 an das Erzbischöfliche Ordinariat B mit der Bitte um Unterstützung gewandt und dabei angegeben, dass er wegen eines Oberschenkelhalsbruchs gehbehindert sei. Am 30. Juni 2010 stellte er sich zur Versorgung in der Charité vor, wo er am 1. Juli 2010 aufgefordert wurde, bei der Beklagten wegen des Bestehens einer Pflichtversicherung vorzusprechen. Seit dem 2. Juli 2010 war der Kläger in dem Pro Seniore Krankenheim Mstraße aufgenommen und meldete sich mit dortigem Wohnsitz am 14. Juli 2010 behördlich an. Er beantragte bei der Beigeladenen Leistungen der Sozialhilfe, die sie ihm mit Bescheid vom 24. September 2010 ab dem 2. Juli 2010 gewährte.

Mit Begrüßungsschreiben vom 4. August 2010 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er ab dem 14. Juli 2010 ihr Mitglied sei. Mit Bescheid vom 6. August 2010 setzte sie Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 126,95 € fest, welche sie auf der Grundlage der tatsächlich bezogenen Rente in Höhe von 800,29 € und einem Auffüllbetrag bis zu dem Mindesteinkommen für freiwillig Versicherte errechnete. Die Beiträge aus der Rente wurden vom Rentenversicherungsträger einbehalten und abgeführt, der auf den Auffüllbetrag entfallenden Beitragsanteil jeweils von dem Beigeladenen an die Beklagte überwiesen.

Vom 30. Juli 2010 bis zum 15. Oktober 2010 wurde der Kläger wegen seines Hüftgelenks im S G Krankenhaus behandelt. Die Beklagte sandte ihm ein Anhörungsschreiben vom 24. August 2010, mit dem sie darauf hinwies, dass nach § 52a SGB V kein Anspruch auf Leistungen bestehe, die missbräuchlich in Anspruch genommen würden. Ein Missbrauch liege insbesondere vor, wenn Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland lediglich begründet wurde, um Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruc...

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