Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. an Epilepsie erkrankter Versicherter. Anspruch auf implantologische Versorgung, wenn Zahnprothese bei epileptischem Anfall zu Bruch geht. Ausnahmefall. medizinische Gesamtbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Versicherte der GKV, die an Epilepsie erkrankt sind und bei denen es durch einen epileptischen Anfall zum Bruch der Zahnprothese gekommen ist, können einen Anspruch auf Versorgung mit Zahnimplantaten haben.

 

Orientierungssatz

Aus dem Wortlaut der Regelung des § 28 Abs 2 S 9 Halbs 2 SGB 5 folgt, dass nicht die bloße Wiederherstellung der Kaufunktion im Rahmen eines zahnärztlichen Konzepts, sondern ein darüber hinausgehendes medizinisches Gesamtziel der Behandlung ihr Gepräge geben muss (vgl BSG vom 7.5.2013 - B 1 KR 19/12 R = SozR 4-2500 § 28 Nr 6).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Der Kläger macht einen Anspruch auf Versorgung mit Implantaten geltend.

Der am … 1963 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Im Unterkiefer ist er zahnlos, im Oberkiefer verfügt er noch über eine einige Zähne. Zudem ist seit 1995 eine Epilepsie bekannt. Trotz medikamentöser Behandlung der epileptischen Erkrankung kommt es immer wieder zu Anfällen. Bei einem generalisierten Anfall im September 2015 zerbrach seine Unterkieferprothese.

Daraufhin stellte er am 29.02.2016 bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung einer Implantatversorgung sowohl für den Ober- als auch für den Unterkiefer. Er legte zwei Kostenvoranschläge von Prof. Dr. Dr. Sch., Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, der Universitätsklinik F. vom 04.02.2016 und 12.02.2016 sowie einen Befund- und Behandlungsplan vor. Zur Begründung seines Antrages führte er aus, er habe so gut wie keine zweiten Zähne bekommen. Dies sei vor ca 40 Jahren bereits in der Uniklinik G. festgestellt worden. Seit 1995 leide er an Epilepsie. Die sei auch der Grund für die Implantate. Im September habe er drei große Anfälle gehabt. Dabei sei die Prothese zerbrochen. Er wäre fast erstickt, wenn seine Frau nicht gehandelt hätte. Die behandelnde Fachärztin für Neurologie Dr. B. bestätigte in einem Attest vom 01.12.2016, dass beim Kläger eine Epilepsie mit rezidivierenden großen epileptischen Anfälle vorliege. Es bestehe die Gefahr einer Aspiration und damit eines Erstickens im Anfall durch Fremdkörper im Mund. Aus medizinischen Gründen sei eine feste Prothese im Ober- und Unterkiefer notwendig, um Komplikationen zu verhindern. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 01.03.2016 ab. Eine Überprüfung der Kostenübernahme für die implantologische Behandlung einschließlich der Suprakonstruktion im Ober- und Unterkiefer könne nicht erfolgen, da Prof. Dr. Sch. derzeit keine kassenzahnärztliche Zulassung besitze.

Nachdem er diesen Bescheid erhalten hatte, bat der Kläger die Beklagte zunächst telefonisch um Benennung eines Vertragsarztes. Auf den Hinweis der Beklagten, dass Implantate nicht zu den Kassenleistungen zählten, erwiderte der Kläger, dass er dennoch die Benennung von Vertragsärzten erwarte. Am 09.03.2016 legte der Kläger dann, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, gegen den Bescheid Widerspruch ein. Er machte geltend, er leide seit seiner Kindheit an Zahnlosigkeit. Deshalb habe er einen Anspruch auf Versorgung mit Implantaten. Zwar treffe es zu, dass Prof. Dr. Dr. Sch. keine vertragszahnärztliche, sondern nur eine vertragsärztliche Zulassung besitze. Doch sei die bei ihm vorzunehmende Behandlung derart umfangreich, dass sie nicht von einem Zahnarzt vorgenommen werden könne.

Seit dem 01.03.2016 besitzt Prof. Dr. Dr. Sch. auch eine vertragszahnärztliche Zulassung. Deshalb hat die Beklagte die Erstellung eines Gutachtens veranlasst. Dr. L. aus R. führte in seinem Implantatgutachten vom 04.05.2016 aus, der Kläger sei im Unterkiefer zahnlos. Der Kieferkamm sei atrophiert. Im Oberkiefer sei eine Restbezahnung von 16-24. Regio 25-27 sei eine Freiendsituation mit Kieferkammatrophie. Laut Aussage des Klägers seien diverse Zähne nicht angelegt gewesen. Dies habe nicht nachgeprüft werden können, da keine Unterlagen hierfür vorhanden seien. Es liege ein Attest bezüglich Epilepsie mit rezidivierenden großen epileptischen Anfällen vor. Durch die Anfälle sei es zu einem Bruch der Zahnprothesen gekommen, welche dann die Gefahr der Aspiration darstellten. Es liege somit eine willentlich nicht beeinflussbare muskuläre Fehlfunktion vor. Die Ausnahmeindikationen für eine Leistungspflicht der GKV seien erfüllt. Es bestehe keine Möglichkeit, den Patienten konventionell zu versorgen. Im Unterkiefer könnten vier Implantate intraforaminal mit entsprechender Augmentation und einer individuell gefrästen Stegversorgung als Suprakonstruktion zu Lasten der GKV berechnet werden. Im Oberkiefer könne das geplante Implantat Regi...

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