Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. WC-Kabinenfahrer. Einsatz des eigenen Kraftfahrzeugs. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Anwendung von § 7b SGB 4 idF vom 20.12.1999. grobe Fahrlässigkeit iSv § 7b SGB 4 idF vom 20.12.1999

 

Leitsatz (amtlich)

1. WC-Kabinenfahrer bzw Reiniger ohne eigene WC-Kabinen sind abhängig beschäftigt, auch wenn sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit einen eigenen LKW oder PKW benutzen.

2. § 7b SGB 4 in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung findet nur auf Beschäftigungsverhältnisse Anwendung, die über den 31. Dezember 1998 hinaus bestanden haben.

3. Grobe Fahrlässigkeit iSd § 7b Nr 3 SGB 4 in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung liegt vor, wenn die von der erwerbsmäßig tätigen Person auszuführenden Arbeiten typischerweise von im Betrieb des Arbeitgebers tätigen Arbeitnehmern verrichtet werden, sodass eher von einer Beschäftigung, denn von einer selbstständigen Tätigkeit hätte ausgegangen werden dürfen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2005 wird zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass die Änderungsbescheide vom 12. Oktober und 06. November 2006 bezüglich der Beitragshöhe aufgehoben werden.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Im Berufungsverfahren ist zwischen den Beteiligten noch streitig, ob die Beigeladenen zu 1) bis 3) und zu 5) bis 7) in der Zeit vom 01. Dezember 1993 bis 31. Dezember 1995 abhängig beschäftigt waren und die Klägerin deshalb verpflichtet ist, für diese Beigeladenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge (GSVB) zu zahlen.

Die Klägerin, eine 1994 gegründete GmbH, die aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der der Beigeladene zu 1) ursprünglich beteiligt war, hervorgegangen ist, betreibt ein Unternehmen, das laut Handelsregisterauszug den “Verkauf und die Vermietung mobiler WC-Miettoilettenkabinen nebst dazugehöriger Serviceleistungen und die Reinigung von Baustelleneinrichtungen sowie sonstiger damit zusammenhängender Tätigkeiten„ zum Gegenstand hat. Alleiniger Gesellschafter ist H. R., der auch alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist. Die Beigeladenen zu 1) bis 7) waren im streitigen Zeitraum für die Klägerin insofern tätig, als sie Aufträge von Seiten der Klägerin betreffs der Reinigung, Reparatur und Transport von mobilen WC-Kabinen bzw. Baucontainern entgegengenommen und ausgeführt haben. Die WC-Kabinen stehen im Eigentum der Klägerin. Die Beigeladenen zu 1) bis 7) fuhren nach Auftragsannahme die Touren für die Klägerin mit einem eigenen LKW bzw. PKW (Beigeladener zu 1)), die - mit Ausnahme des PKW des Beigeladenen zu 1) - mit Werbung für die Klägerin versehen waren. Die Aufträge wurden größtenteils aufgrund mündlicher Absprachen abgewickelt; lediglich mit den Beigeladenen zu 6) und zu 7) wurden schriftliche Subunternehmerverträge geschlossen. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub wurde jedoch in keinem Fall gewährt. Die (Pauschal-)Vergütung betrug im Regelfall DM 13,00 pro gereinigter bzw. aufgestellter, abgeholter oder umgesetzter WC-Kabine; hierin war eine Aufwandsentschädigung für die Nutzung der privaten LKW bzw. PKW enthalten. Im Einzelfall wurde auch eine höhere Vergütung (bis zu DM 40,00) gezahlt. Die Klägerin beschäftigte zudem festangestellte Servicefahrer, die auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags im Wesentlichen die gleiche Arbeit wie die Beigeladenen zu 1) bis 7) verrichteten.

Mit Schreiben vom 18. September 1998 informierte die Staatsanwaltschaft S. die Landesversicherungsanstalt Württemberg, die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Verantwortlichen der Klägerin wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und der Lohnsteuerhinterziehung. Ihnen werde vorgeworfen, abhängig tätige Arbeitnehmer als angeblich selbstständige Toilettenreiniger beschäftigt zu haben, um so lohnabhängige Abgaben zu hinterziehen. Anlass für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens war die Anzeige des Arbeitsamts Waiblingen vom 26. August 1997, wonach sich im Rahmen einer Baustellenkontrolle im Februar 1997 mit anschließender Vernehmung des Beigeladenen zu 1) der Verdacht einer entsprechenden Straftat ergeben habe. Das Ermittlungsverfahren wurde zwischenzeitlich nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (Schreiben der Staatsanwaltschaft S. vom 29. November 2004).

Vom 16. bis 18. August 1998 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 01. Dezember 1993 bis 31. Dezember 1997 durch. Mit Bescheid vom 06. Oktober 1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aus der Prüfung ergebe sich eine Nachforderung in Höhe von insgesamt DM 736,94 zuzüglich eines Säumniszuschlags in Höhe von DM 119,00. Aufgrund des Lohnsteuerhaftungsbescheids und des Prüfberichts vom 16. Januar 1997 des Finanzamts Schorndorf ergäb...

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