Entscheidungsstichwort (Thema)

Stellenausschreibung. Mittelbare Altersdiskriminierung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 17 Abs. 2 AGG können bei einem groben Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften aus dem 2. Abschnitt des AGG (§§ 6-16) der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unter der Voraussetzung des § 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG die dort genannten Rechte gerichtlich geltend machen. Damit soll ein gesetzmäßiges Handeln des Arbeitgebers nach den Vorgaben der §§ 6-17 AGG sichergestellt werden

2. Eine Stellenausschreibung für Verkäuferinnen im Einzelhandel, die ausschließlich die erste Gehaltsgruppe im ersten Beschäftigungsjahr eines Gehaltstarifvertrags vorsieht, ist mittelbar altersdiskriminierend. Der Aspekt „Kostenersparnis” allein kann nicht die Ungleichbehandlung älterer Bewerberinnen rechtfertigen. Mit dem Kostenargument könnte sonst stets der Schutz vor Altersdiskriminierung ausgehebelt werden.

3. Das Benachteiligungsverbot schützt alle Beschäftigten gem. § 6 AGG, d.h. auch die im Betrieb noch nicht beschäftigten Stellenbewerber.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 3 S. 1; AGG § 17 Abs. 2 S. 1, §§ 1, 3 Abs. 2, §§ 7, 10-11

 

Verfahrensgang

ArbG Saarbrücken (Beschluss vom 13.03.2008; Aktenzeichen 1 BV 56/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 13.3.2008, 1 BV 56/07, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Betriebsrat wendet sich mit dem vorliegenden Beschlussverfahren gegen betriebsübliche Stellenausschreibungen des Arbeitgebers, die er für altersdiskriminierend hält.

Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 2. und Beschwerdeführer) betreibt bundesweit eine Vielzahl kleiner Drogeriemärkte, deren Verkaufsstellen i.d.R. mit nur wenigen Mitarbeiterinnen besetzt sind. Der Betriebsrat (Beteiligter zu 1. und Beschwerdegegner) ist die gewählte Arbeitnehmervertretung für die Verkaufsstellen des Bezirks S1., die als Betrieb angesehen werden. Der Sitz der Bezirksleiterin ist das Verkaufsbüro in S2.

In Formular-Stellenausschreibungen – es sind 9 streitgegenständlich in der Zeit von Juli 2007 bis Januar 2008 (Bl. 7, 8, 10, 16, 19, 31–33, 36 d.A.) – wendet sich der Arbeitgeber in der Person der Bezirksleiterin an alle Verkaufsstellen des Bezirks S1. bzw. deren Verkaufsstellenmitarbeiterinnen und erklärt, in bestimmten Verkaufsstellen zu bestimmten Wochenstunden vakante Verkaufsstellen mit Neueinstellungen besetzen zu wollen. Ferner heißt es: „Die Eingruppierung erfolgt nach dem gültigen Tarifvertrag für das Bundesland Rheinland/Pfalz G I 1. Jahr.”

Der Gehaltstarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz sieht – wie die Gehaltstarifverträge des Einzelhandels vieler anderer Bundesländer – 5 Gehaltsgruppen vor, die jeweils Gehaltsstaffeln enthalten für das 1. bis 5. Berufsjahr bzw. für die Gehaltsgruppe 1 für das 1. bis 4. Tätigkeitsjahr. Die Gehaltsgruppe I beinhaltet: „Angestellte mit einfacher kaufmännischer oder technischer Tätigkeit, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können.”

Die neu einzustellenden Arbeitskräfte – i.d.R. ist Teilzeit vorgesehen – sollen somit in die 1. Gehaltsgruppe, 1. Beschäftigungsjahr eingruppiert werden, was der Arbeitgeber auch praktiziert.

Mit Schreiben vom 10.07.2007 hat der Betriebsrat über seine Verfahrensbevollmächtigte mitgeteilt, dass mit dieser Ausschreibungspraxis gegen §§ 1, 2 I Nr. 1, 3 I AGG verstoßen werde, weil sie altersdiskriminierend sei. Ältere Arbeitskräfte verfügten nicht mehr über die Zulassungsvoraussetzungen, weil sie im allgemeinen über eine weitergehende Berufserfahrung verfügen, so dass sie sich trotz der erworbenen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt für die ausgeschriebenen Stellen als Verkäuferin nicht bewerben könnten.

Ferner könne man unter der Gehaltsgruppe G I/1. Jahr keine Filialleitungsvertretung auf der Stellenausschreibung fixieren. Die Arbeiten einer Filialleitungsvertretung erforderten besondere berufliche Kenntnisse, die keinesfalls in dieser aufgeführten Gehaltsgruppe eingestuft werden dürften. Es wurde darum gebeten, die Stellenausschreibung neu dem AGG gemäß zu erstellen.

Die Verkaufsleiterin änderte die Ausschreibung jedoch nicht und schrieb in der gleichen Art und Weise intern weitere vakante Stellen aus. Eine Altersdiskriminierung wurde bestritten.

Der Betriebsrat vertrat die Ansicht, dass er auch ein Mitbestimmungsrecht bzgl. der Art und Weise der Ausschreibung habe. Gem. § 99 BetrVG gelte dies auch bzgl. der Eingruppierung. Sie sei mit dem Betriebsrat abzustimmen. Bei interner Ausschreibung könnten sich die Mitarbeiter nicht bewerben, da sie nicht im 1. Berufsjahr tätig seien.

Mit dem ersten Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates vom 11.09.2007, der am gleichen Tag beim Arbeitsgericht Saarbrücken einging, wurde beantragt:

  1. Der Antragsgegnerin aufzugeben, die Stellenausschreibung für die Position einer Verkäuferin/Verkäufers mit einer Arbeitszeit von 17,5 Stunden im Bezirk V., Verkau...

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