Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines seiner Mitglieder bedarf es als Wirksamkeitsvoraussetzung nach § 103 Abs. 1 BetrVG dann nicht, wenn der Kündigung ein von § 15 Abs. 4 oder 5 KSchG umfasster Sachverhalt zugrunde liegt. Vielmehr sollen die nach § 15 KSchG geschützten Personen bei einer Betriebsstilllegung oder Stilllegung einer Betriebsabteilung in gleicher Weise gekündigt werden können, wie andere von der unternehmerischen Entscheidung betroffene Arbeitnehmer.

2. § 15 Abs. 4 KSchG findet entsprechende Anwendung auf den Fall des Betriebsübergangs, wenn der geschützte Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widerspricht.

3. Ist es aus betrieblichen Gründen nicht möglich, den Arbeitnehmer in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen, so ist eine ordentliche Kündigung entsprechend § 15 Abs. 4 KSchG zulässig.

4. Die Frage, ob im verbliebenen Betrieb der Arbeitgeberin eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer besteht, ist im Kündigungsschutzverfahren und nicht im Verfahren betreffend die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu klären.

 

Normenkette

BetrVG § 103; BGB § 613 a; KSchG § 15 Abs. 4-5

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 22.03.2018; Aktenzeichen 10 BV 51/17)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22. März 2018, Az. 10 BV 51/17, wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligten zu 3) entbehrlich ist.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1), die zur H.-Gruppe gehört, betreibt in A-Stadt eine Reha-Klinik, sie beschäftigt 102 Arbeitnehmer. Beteiligter zu 2) ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Die Beteiligte zu 3) war Mitglied des alten Betriebsrats, dessen Amtszeit am 05.05.2018 geendet hat. In der turnusgemäßen Neuwahl wurde die Beteiligte zu 3) zum Ersatzmitglied gewählt. Die Arbeitgeberin bestreitet den - im zweitinstanzlichen Anhörungstermin nicht näher konkretisierten -Vortrag des Betriebsrats mit Nichtwissen, dass die Beteiligte zu 3) für ein ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied (Frau Z.) inzwischen in den Betriebsrat nachgerückt sei. Der Betriebsrat konnte das Datum des bestrittenen Nachrückens auf Nachfrage nicht angeben; die Beteiligte zu 3) ist zum Termin nicht erschienen.

Die Beteiligte zu 3) wird bei der Arbeitgeberin seit dem 05.10.2006 als Servicemitarbeiterin zu einer Bruttomonatsvergütung von € 1.700,00 beschäftigt. Sie wurde in der Abteilung Speisenversorgung (Küche, Cafeteria und Speisenservice) eingesetzt. Die Arbeitgeberin hat die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Aufgaben der Abteilung Speisenversorgung, Hauswirtschaft und Ernährungsberatung mit Wirkung zum 01.01.2018 der H.-Catering-Reha-Süd-West GmbH (Servicegesellschaft) zu übertragen. Mit Schreiben vom 06.09.2017 informierte sie die betroffenen Mitarbeiter, zu denen auch die Beteiligte zu 3) zählt, über diesen Betriebsübergang. Mit Schreiben vom 29.09.2017, der Arbeitgeberin am 04.10.2017 zugegangen, widersprach die Beteiligte zu 3) dem Betriebsübergang.

Die Arbeitgeberin wandte sich am 11.10.2017 mit folgendem Schreiben an den Betriebsrat:

"Anhörung zur außerordentlichen Beendigungskündigung eines Betriebsratsmitglieds mit Verlust des Arbeitsplatzes und Antrag auf Zustimmung zur Kündigung

Es ist beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis mit folgender Arbeitnehmerin, welche zugleich ordentliches Mitglied des Betriebsrates ist, außerordentlich zu kündigen:

Name:

[Beteiligte zu 3]

Anschrift:

...

Betriebszugehörigkeit seit dem:

05.10.2006

ausgeübte Tätigkeit:

Servicemitarbeiterin

Bruttovergütung monatlich:

mtl. 1.7000,00 EUR

Schwerbehinderung/anerkannte Gleichstellung:

nein.

Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

[Die Beteiligte zu 3] wird bei der [Arbeitgeberin] in der Abteilung Speisenversorgung (...) als Servicemitarbeiterin beschäftigt. Sie verfügt über keine entsprechende Qualifikation. Sie gehört dem Betriebsrat an.

Mit Datum vom 29.09.2017, der Geschäftsführung zugegangen am 04.10.2017, widersprach [die Beteiligte zu 3] dem Betriebsübergang in Kenntnis der Tatsache, dass die Abteilungen Speisenversorgung (...), Hauswirtschaft sowie Ernährungsberatung zum 01.01.2018 von der [Arbeitgeberin] auf die [Servicegesellschaft] übergehen. Die Arbeitsplätze in diesen Betriebsteilen fallen ab dem Zeitpunkt des Übergangs in der [Arbeitgeberin] ersatzlos weg. Insofern besteht keine Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin in einer dieser Abteilungen.

Ferner haben wir geprüft, ob eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in der [Arbeitgeberin] in Betracht kommt. Eine solche Möglichkeit besteht nicht. Die Mit...

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