Entscheidungsstichwort (Thema)

Originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei elektronischer Personalaktenführung. Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers bei ständigem Einsichtsrecht des Betriebsratsvorsitzenden in Personalakte. Kein eigenes Recht des örtlichen Betriebsrats bei bestehender Betriebsvereinbarung durch Gesamtbetriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts bei der Regelung einer unternehmensweit einheitlichen, elektronischen Personalaktenführung fällt in die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

2. Die Regelung eines permanenten und uneingeschränkten Einsichtsrechts in die elektronisch geführten Personalakten der Arbeitnehmer für die Betriebsratsvorsitzenden der einzelnen Betriebe in einer Gesamtbetriebsvereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 75 Abs. 2 BetrVG unwirksam. Denn mit einer solchen Regelung wird unverhältnismäßig und damit unzulässig in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen.

 

Normenkette

GG Art. 1,2; BetrVG § 75 Abs. 2, § 50 Abs. 1, § 77 Abs. 1 S. 1, §§ 80, 87 Abs. 1 Nr. 6; ArbGG § 92 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.10.2019; Aktenzeichen 16 BV 114/18)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Antragstellers und Beteiligten zu 1.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.10.2019 - Az.: 16 BV 114/18 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über ein in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregeltes permanentes Zugriffsrecht örtlicher Betriebsräte bzw. ihrer Vorsitzenden auf die elektronisch geführte Personalakte der im jeweiligen (Wahl-)Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.

Die Beteiligte zu 2.) bietet Privat- und Geschäftskunden Produkte und Dienstleistungen aus den Bereichen Mobilfunk, Festnetz, Datendienste und Breitbandinternet an. Die Beteiligten zu 3.) bis 14.) sind die auf der Grundlage eines Zuordnungstarifvertrages nach § 3 BetrVG im Unternehmen der Beteiligten zu 2.) gebildeten örtlichen Betriebsräte. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1.) ist der entsprechend bei der Beteiligten zu 2.) gebildete Gesamtbetriebsrat.

Unter dem 29.03.2012 schlossen die Beteiligten zu 1.) und 2.) eine "Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und Nutzung von elektronischen Personalakten (EFM)" (im Folgenden: "GBV EFM", Blatt 22 ff. der Akte), deren Geltungsbereich sich auf alle Standorte der Beteiligten zu 2.) und alle dort beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der leitenden Angestellten erstreckt. Auszugsweise wörtlich ist dort weiter folgendes geregelt:

"Präambel

Die Einführung des elektronischen Ablagesystems für Personalakten in der SAP/HR Umgebung (EFM - Employee File Management) dient der einheitlichen und transparenten Gestaltung von Arbeitsabläufen, der Vereinfachung administrativer Prozesse sowie der Vermeidung von Mehrfachaktenführung. Ferner soll sichergestellt werden, dass ausschließlich berechtigte Personen direkten Zugriff auf die gespeicherten Personalunterlagen haben. [...]

[...]

3. Erfassung der Dokumente und Unterlagen

Alle für die Personalakte bestimmten Dokumente werden in die elektronische Personalakte eingescannt. [...] Der Arbeitgeber stellt nachweislich sicher, dass das Scannen der Unterlagen unter Beachtung aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen erfolgt und unberechtigte Personen keinen Zugriff auf die Dokumente und Unterlagen haben.

[...]

5. Zugriffsberechtigungen

5.1 Der Zugriff auf die elektronische Personalakte ist ausschließlich aus dem SAP HR System, gemäß dem dafür geltenden Berechtigungskonzept, heraus zulässig.

[...]

5.4 Alle Zugriffe und Änderungen der Zugriffsberechtigungen werden protokolliert. Der Gesamtbetriebsrat kann die Protokolle jederzeit einsehen.

[...]

8. Rechte und Pflichten des Betriebsrats

8.1 Die örtlichen Betriebsräte können jederzeit unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter die Einhaltung dieser Gesamtbetriebsvereinbarung überprüfen. Dazu sind ihm auf Anforderung die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

8.2 Über technische Änderungen des Systems wird der Gesamtbetriebsrat unverzüglich informiert. Sofern sich daraus Veränderungen bei der Nutzung, der Funktionalität oder den Schnittstellen ergeben, sind diese vorher, entsprechend den gesetzlichen und betrieblichen Regelungen, zwischen den Betriebsparteien zu vereinbaren.

8.3. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende und der örtlichen Betriebsratsvorsitzende erhält permanenten Zugriff auf die elektronische Personalakte mit Ausnahme der Akten der Leitenden Mitarbeiter und der Mitarbeiter des Personalbereiches. Die örtlichen Betriebsratsvorsitzenden erhalten dabei Zugriff auf die Akten des Wahlbetriebes, für den sie zuständig sind. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende erhält Zugriff auf die Akten des gesamten Unternehmens.

8.4 Der Betriebsrat verpflichtet sich, seine Rechte aus Ziff. 8.3 nicht zu anderen als zu Kontrollzwecken im Sinn dieser Gesamtbetriebsvereinbarung auszuüben.

[...]"

Nachdem...

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