Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Beweiswert eines ärztlichen Attestes betreffend die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers.

2. Zur Erschütterung der Beweiskraft einer solchen Bescheinigung nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes.

 

Normenkette

LFG § 3 Abs. 1; SGB X § 115; SGB V § 275 Abs. 1 Nr. 3; BGB §§ 404, 412; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 25.01.1991; Aktenzeichen 25 Ca 51/90)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Januar 1991 – 25 Ca 51/90 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die 1939 geborene, bei der Klägerin gesetzlich gegen Krankheit versicherte Verkäuferin … trat am 11. Oktober 1989 gemeinsam mit ihrem Ehemann, der als Bäckermeister eingestellt worden war, in die Dienste des Beklagten. Die Eheleute waren kurz vor dem Beginn der Arbeitsverhältnisse aus der DDR nach Berlin (West) gekommen. Der Ehemann der Versicherungsnehmerin war in der DDR selbständiger Bäckermeister.

Am 10. November 1989 erteilte Herr Dr. med. Wolfgang …, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, der Versicherungsnehmerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit bis zum 17. November 1989 und bestätigte am 16. November 1989 die weitere Arbeitsunfähigkeit der Versicherungsnehmerin für die Zeit vom 17. bis zum 30. November 1989. Beide Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind als Duplikat bezeichnet und tragen als Unterschrift ein Namenszeichen mit davorgesetztem i.V. Da der Beklagte das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bei seiner Arbeitnehmerin anzweifelte, veranlaßte die Klägerin die Versicherungsnehmerin am 14. November 1989, sich am 17. November 1989 einer ärztlichen Begutachtung zu unterziehen. Die vertrauensärztliche Dienststelle der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin begutachtete die Versicherungsnehmerin am 17. November 1989 und stellte aufgrund des dabei erstellten ärztlichen Gutachtens fest, daß die Arbeitsunfähigkeit der Versicherungsnehmerin … am 23. November 1989 ende (Bl. 11 d.A.). Die Mitteilung über das Ergebnis der Begutachtung ist von Frau Dr. Ch. … unterzeichnet worden. Genen die Begutachtung vom 17. November 1989 legte der Arzt Dr. … Einspruch ein und begründete diesen wie folgt:

„Betr.: Frau … geb. 1.6.1939

Die o.g. Patientin ist seit dem 10.11.89 erneut in meiner nervenärztlichen Behandlung. Sie fühlte sich nervlich am Boden, berichtete über zahlreiche Fehlhandlungen im Alltag, Fehler auf der Arbeit, Schlafstörungen und einem ständigen Drang, zu weinen. Nach Behandlungsbeginn mit einem Antidepressivum zeichnete sich zwar eine gewisse Stabilisierungstendenz ab, keineswegs ist aber die Patientin aber zum jetzigen Zeitpunkt schon arbeitsfähig. Weiterhin besteht die eingangs geschilderte Symptomatik, wenngleich in etwa verringerter Ausprägung.

Auf Grund des jetzt festgestellten Zustandsbildes der Patientin halte ich sie noch nicht für arbeitsfähig und lege Einspruch gegen den Af-Bescheid nach vertrauensärztlicher Untersuchung. Ich bitte um Nachuntersuchung in der FAZ Psychiatrie.”

Am 17. Januar 1990 wurde durch Herrn Dr. Klaus vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen auf den Einspruch hin die Arbeitsunfähigkeit der Versicherungsnehmerin bis zum 20. Dezember 1989 attestiert.

Mit Schreiben vom 13. November 1989 hatte der Beklagte den Arbeitsvertrag der Versicherungsnehmerin zum 30. November 1989 gekündigt. Im Kündigungsschreiben heißt es u.a.:

„Ihre, gemeinsam mit Ihrem Mann, abgegebene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird angezweifelt und wir mahnen Sie darauf hin ab. Wir fordern Sie auf, am Mittwoch, den 15.11.1989 zur gewohnten Zeit Ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Sollten Sie nicht zur Arbeit erscheinen, werden wir Ihnen fristlos kündigen.”

Da die Versicherungsnehmerin … am 15. November 1989 nicht ihre Arbeit beim Beklagten wieder aufgenommen hatte, kündigte der Beklagte den Arbeitsvertrag der Versicherungsnehmerin am 21. November 1989 fristlos und rechnete das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt ab.

Für die Zeit vom 22. November 1989 bis zum 19. Dezember 1989 erhielt die Versicherungsnehmerin von der Klägerin für insgesamt 28 Kalendertage Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.344,– DM. Mit Schreiben vom 22. Januar 1990, berichtigt am 26. Januar 1990, gerichtet an den Beklagten, verlangte die Klägerin vergeblich die Erstattung des von ihr an die Versicherungsnehmerin gezahlten Krankengeldes.

Die Klägerin hat behauptet, die bei ihr versicherte Arbeitnehmerin … sei bis zum 19. Dezember 1989 arbeitsunfähig krank gewesen. Deshalb sei der Beklagte verpflichtet, ihr, der Klägerin, das an die Versicherungsnehmerin gezahlte Krankengeld zu erstatten. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin die Auffassung vertreten, der Beklagte habe den Arbeitsvertrag aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin gekündigt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.344,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5. Ap...

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