Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Arbeitnehmeranteilen

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Arbeitnehmer aus einem vollstreckbaren Bruttolohnanteil im Wege der Zwangsvollstreckung aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß §§ 829 ff ZPO von einem Bankkonto des Arbeitgebers den gesamten Bruttobetrag einzieht, ist er verpflichtet, von sich aus die von ihm zu tragenden Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an den zuständigen Sozialversicherungsträger zu entrichten.

Unterläßt er dies und wird der Arbeitgeber daraufhin von dem Sozialversicherungsträger auf Zahlung auch der Arbeitnehmeranteile in Anspruch genommen, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber diesen Betrag zu erstatten. § 28 g Sätze 2 und 3 SGB IV steht dem Erstattungsanspruch in einem solchen Falle nicht entgegen.

 

Normenkette

SGB IV §§ 28c, 28 g; ZPO § 829 ff.; BGB §§ 670, 675, 683, 812

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 24.01.1990; Aktenzeichen 8 Ca 407/89)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Januar 1990 – 8 Ca 407/89 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung des Arbeitnehmeranteiles zur Sozialversicherung in Hohe von 1.335,– DM, den die Beklagte aufgrund einer Vollstreckung eines Bruttogehaltstitels über 7.500,– DM erhalten, jedoch nicht an ihren Sozialversicherungsträger abgeführt hat.

Die Klägerin beschäftigte die Beklagte in der Zeit vom 1. Oktober 1986 bis zum 31. März 1989 als technische Angestellte gegen ein Bruttomonatsgehalt von 2.800,– DM. In einem Vorprozeß stritten die Parteien über die Frage, ob die Klägerin der Beklagten zusätzlich zum Gehalt für eine als „Prämie/Bonus” bezeichnete Sonderzahlung schulde, und zwar für 1985 noch 2.500,– DM, für 1988 5.000,– DM brutto. Das Arbeitsgericht Berlin verurteilte die Klägerin durch Urteil vom 10. Februar 1989 – 9 Ca 440/88 – zur Zahlung von 7.500,– DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Januar 1989. Das Landesarbeitsgericht Berlin wies die Berufung durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 7. Juli 1989 – 13 Sa 27/89 – zurück.

Die Beklagte betrieb unmittelbar nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils die Zwangsvollstreckung und erhielt aufgrund einer Kontenpfändung den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Betrag in Höhe von 7,500,– DM nebst Zinsen in voller Höhe ausgezahlt. Sie machte hiervon ihrer Krankenkasse keine Mitteilung und entrichtete die auf sie entfallenden Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht. Die … Krankenkasse … bei der die Beklagte versichert ist, wandte sich durch Schreiben vom 18. September 1989 (Bl. 10/11 d.A.) an die Klägerin und verlangte Zahlung des Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteiles zur Sozialversicherung auf die Urteilssumme von 7.500,– DM brutto in der Gesamthöhe von 2.670,– DM. Die Klägerin machte die Krankenkasse auf die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte aufmerksam und fragte an, ob die Krankenkasse bereit sei, den Arbeitnehmeranteil von der Beklagten zu fordern. Dies lehnte die Kasse ab. Hierauf überwies die Klägerin den gesamten geforderten Betrag an die KKH.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin von der Beklagten Erstattung des Arbeitnehmeranteiles in Höhe von 1.335,– DM begehrt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.335,– DM nebst 4% Zinsen seit dem 21. Oktober 1989 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für den vorliegenden Rechtsstreit für nicht gegeben angesehen und die Auffassung vertreten, die Klägerin dürfe die fraglichen Beträge lediglich im Wege des Lohnabzuges in den §§ 394, 395 und 1397 RVO geltend machen. Da die Klägerin die Beitragsanteile nicht im Lohnabzugsverfahren geltend gemacht, sondern erst sechs Monate nach der erfolgten Zahlung Erstattung verlangt habe, sei ihr die nachträgliche Geltendmachung verwehrt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Anlagen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage durch Urteil vom 24. Januar 1990 – 8 Ca 407/89 – stattgegeben und den Wert des Streitgegenstandes auf 1.335,– DM festgesetzt. Es hat die Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a und 4 a ArbGG für zuständig und die Klage für begründet gehalten, da sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf das Lohnabzugsgebot nach § 28 g S. 2 SGB IV berufen könne. Bin Arbeitnehmer, der eine Bruttoforderung vollstrecke, bedürfe des sozialen Schutzes dieser Bestimmung nicht. Bin Arbeitnehmer, der aus einem Bruttotitel vollstrecke und die numerisch ausgewiesene Summe dadurch in seine Verfügungsgewalt erhalte, sei nunmehr verpflichtet, von sich aus die von ihm zu tragenden Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an den zuständigen Sozialversicherungsträger zu zahlen, ebenso wie die von ihm zu tragende Lohnsteuer an das Finanzamt. Der Arbeitnehmer wisse dies selbstverst...

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