Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmungsbedürftigkeit der Verlängerung der Elternzeit über die ersten beiden Lebensjahre eines Kindes hinaus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nahtlose Verlängerung der Elternzeit über die ersten beiden Lebensjahre eines Kindes hinaus ist nicht von der Zustimmung der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers abhängig (im Anschluss an LAG Düsseldorf vom 24.01.2011 - 14 Sa 1399/10 -).

2. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BEEG müssen sich Eltern, wenn sie Elternzeit in Anspruch nehmen, nur für einen Zeitraum von zwei Jahren festlegen, von wann bis wann sie Elternzeit nehmen wollen. Nach Ablauf dieser Bindungszeit können sie über ihren restlichen Elternzeitanspruch wieder frei verfügen.

3. Der Zustimmung der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers zur Verlängerung der Elternzeit nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG bedarf es nur dann, wenn Eltern von den im Elternzeitverlangen verbindlich angegebenen Zeiträumen nachträglich abrücken wollen.

4. Für die Ablehnung eines Teilzeitbegehrens während der Elternzeit nach § 15 Abs. 7 Satz 4 und 6 BEEG gilt - ebenso wie für das Elternzeitverlangen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG und die Ablehnung eines Teitzeitbegehrens nach § 8 TzBfG das (strenge) Schriftformerfordernis des § 126 Abs. 1 BGB. Eine Ablehnung per E-Mail reicht deshalb nicht aus.

5. Die Fiktion der Zustimmung zur Teilzeitarbeit während der Elternzeit und/oder deren Verteilung nach § 15 Abs. 7 Satz 5 und 6 BEEG kann im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht werden. Eine Leistungsklage auf Zustimmung zur Teilzeitarbeit und/oder deren Verteilung ist in diesem Fall nicht möglich.

6. Im Rahmen einer zulässigen Anschlussberufung kann eine Klage bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (§ 533 ZPO) - ebenso wie im Rahmen einer zulässigen Berufung - noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erweitert werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Klageerweiterung durch die fristgerecht eingereichte Anschlussberufungsbegründung gedeckt ist.

 

Normenkette

BGB § 16 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1; BEEG § 15 Abs. 7 Sätze 4-6, § 126 Abs. 1; ZPO § 524

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.01.2018; Aktenzeichen 54 Ca 8155/17)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Januar 2018 - 54 Ca 8155/17- teilweise abgeändert und teilweise zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass sich der Kläger im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses über den 15. Januar 2019 hinaus bis zum 15. Januar 2020 in Elternzeit befindet.

2. Es wird festgestellt, dass die Arbeitszeit des Klägers über den 15. Januar 2019 hinaus bis zum 15. Januar 2020 auf 30 Stunden wöchentlich verringert ist und sich auf die Wochentage Montag bis Freitag mit jeweils sechs Stunden verteilt.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum 15. Januar 2020 mit zu 100 % Telearbeit in seinem häuslichen Bereich von montags bis freitags mit täglich sechs Stunden als Customer Service Engineer zu beschäftigen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verlängerung der Elternzeit des Klägers um das dritte Lebensjahr seines Kindes, einen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zu Teilzeitarbeit während der Elternzeit und deren Verteilung sowie auf Beschäftigung in Telearbeit.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. September 2011 auf der Grundlage eines Vollzeitarbeitsvertrages als Customer Service Engineer in Berlin beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die Beklagte ist ein deutsches Tochterunternehmen des finnischen N. Konzerns mit mehreren Standorten in Deutschland. Sie entwickelt Technologien und erbringt Dienstleistungen für Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche insbesondere im Bereich Telekommunikationsinfrastruktur. Im September 2015 entschloss sich die Beklagte, den gesamten Bereich Kundendienst/Customer Operations in eine eigens hierfür neugegründete Gesellschaft, die N. S. and S. GmbH, auszugliedern. Nach Abschluss eines Interessenausgleichs (Gesamtbetriebsvereinbarung 2016/05) über die Betriebsabspaltung und Überleitung der Beschäftigten auf die neu gegründete Gesellschaft mit dem bei der Beklagten gebildeten Gesamtbetriebsrat wurde die Ausgliederung zum 1. Mai 2016 vollzogen. Im Wege von mehreren Teilbetriebsübergängen gingen an den Standorten München, Mannheim, Hamburg, Leipzig und Berlin die Arbeitsverhältnisse von insgesamt 714 Beschäftigten nach § 613a BGB auf die S. and S. GmbH über. Die Abteilung, in der der Kläger tätig war, verblieb bei der Beklagten. Ergänzend zu dem Interessenausgleich schlossen die Beklagte sowie die übrigen in Deutschland ansässigen Unternehmen des N. Konzerns mit der IG Metall einen Strukturtarifvertrag über die Betriebsratsstrukturen der beteiligten Unternehmen iSd. § 3 BetrVG.

Am 24. Februar 2017 schlossen die Beklagte ...

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