rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine „erste Tätigkeitsstätte” eines angestellten Versicherungskaufmanns mit einem auf eigene Rechnung unterhaltenem Servicebüro in einem Bezirk einer Geschäftsstelle der Versicherung bei lediglich organisatorischer Zuordnung zur Geschäftsstelle durch den Arbeitgeber. Versicherungsbezirk kein „weiträumiges Tätigkeitsgebiet”

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist einem angestellten Versicherungskaufmann ein bestimmter Bezirk im Werbebereich einer Geschäftsstelle eines Versicherungsunternehmens zugewiesen und hat der Arbeitgeber keine „erste Tätigkeitsstätte” für den Steuerpflichtigen bestimmt, sondern ihn der Geschäftsstelle lediglich organisatorisch zugewiesen, so stellt die Geschäftsstelle keine „erste Tätigkeitsstätte” für den Steuerpflichtigen dar.

2. Auch das von dem Versicherungskaufmann in seinem Bezirk angemietete Servicebüro stellt keine erste Tätigkeitsstätte i. S. v. § 9 Abs. 4 EStG dar, wenn es nicht von seinem Arbeitgeber, sondern allein auf Rechnung des Steuerpflichtigen betrieben wird und damit nicht dem Arbeitgeber zuzurechnen ist.

3. Der einem angestellten Versicherungskaufmann zugewiesene Versicherungsbezirk stellt kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 4 EStG dar. Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet liegt in Abgrenzung zur ersten Tätigkeitsstätte vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Dritten ausgeübt werden soll. Dies trifft beispielsweise zu auf Zusteller, Hafenarbeiter oder Forstarbeiter, nicht jedoch auf z.B. Schornsteinfeger, Bezirksleiter und Vertriebsmitarbeiter, die verschiedene Niederlassungen betreuen, oder mobile Pflegekräfte, die verschiedene Personen in deren Wohnungen in einem festgelegten Gebiet betreuen.

4. Verfügt der Steuerpflichtige auch nicht auch nicht auf Grundlage der – nunmehr entscheidungserheblichen – quantitativen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG über eine erste Tätigkeitsstätte, sind seine Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen bei den Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1, Nr. 4a Sätze 1-2, 4, Abs. 4 Sätze 1-4

 

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 9. März 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2017 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften des Ehemannes der Kläger aus nichtselbstständiger Arbeit weitere Werbungskosten i. H. v. 5.232,40 EUR berücksichtigt werden.

Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom 10. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2017 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften des Ehemannes der Kläger aus nichtselbstständiger Arbeit weitere Werbungskosten i. H. v. 610,60 EUR berücksichtigt werden.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute und wohnten in den Streitjahren 2014 und 2015 in B…, wo sie – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – ihren Lebensmittelpunkt besaßen. Der Kläger war in den Streitjahren bei dem C… a.G. als Versicherungskaufmann nichtselbstständig tätig. Er war Bezirksbeauftragter im Werbebereich der Geschäftsstelle D…. Ihm war für seine Tätigkeit ein Bezirk im Raum D… zugewiesen. Aufgrund dieser Zuweisung hatte der Kläger eine Zweitwohnung in D… sowie ein Büro in E… angemietet. Er unterstand über den Bezirksleiter der Geschäftsstellenleitung der Geschäftsstelle D… und hatte nach deren Weisungen zu arbeiten. Nach Nr. 1.4 des Arbeitsvertrages oblagen ihm folgende Aufgaben:

  1. „Persönliche Werbung nach den geltenden Tarifen unter Beachtung der in den Versicherungsbedingungen festgelegten Bestimmungen und der Dienstanweisungen,
  2. Gewinnung nebenberuflicher Mitarbeiter sowie Betreuung und Unterstützung der schriftlich zugewiesenen nebenberuflichen Mitarbeiter; Förderung der Produktivität der nebenberuflichen Werbeorganisation,
  3. Mitwirkung bei der Erkundung neuer Werbemöglichkeiten im übertragenen Aufgabenbereich,
  4. Ausführung von Werbe- und sonstigen Aufträgen, die vom Geschäftsstellenleiter, Ihrem Bezirksleiter oder von der Geschäftsstelle direkt zugewiesen werden,
  5. Pflege und Erhaltung des übertragenen Versicherten-/Kundenbestandes,
  6. Abgabe eines Tätigkeitsberichtes auf dem gültigen Vordruck gemäß den Anweisungen des Geschäftsstellenleiters oder des Vertreters.”

In einer Bescheinigung vom 2. Juli 2013 bestätigte der Arbeitgeber des Klägers, dass dieser im Außendienst beschäftigt s...

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