Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Begriff ‚Arbeitnehmer’. Grenzen für die Verpflichtungen der Garantieeinrichtungen. Person, die auf der Grundlage eines mit einer Handelsgesellschaft geschlossenen Arbeitsvertrags die Funktionen eines Mitglieds des Vorstands und eines Direktors dieser Gesellschaft ausübt. Kumulierung von Funktionen. Nationale Rechtsprechung, die dieser Person die mit der Richtlinie vorgesehenen Garantien versagt

 

Normenkette

Richtlinie 2008/94/EG Art. 2 Abs. 2, Art. 12 Buchst. a, c

 

Beteiligte

HJ

HJ

Ministerstvo práce a sociálních věcí

 

Tenor

Art. 2 Abs. 2 und Art. 12 Buchst. a und c der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in der durch die Richtlinie (EU) 2015/1794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2015 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der eine Person, die auf der Grundlage eines nach nationalem Recht gültigen Arbeitsvertrags kumulativ die Funktionen eines Direktors und eines Mitglieds des satzungsmäßigen Organs einer Handelsgesellschaft ausübt, nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieser Richtlinie eingestuft werden und daher nicht in den Genuss der mit dieser Richtlinie vorgesehenen Garantien kommen kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 11. Februar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Februar 2021, in dem Verfahren

HJ

gegen

Ministerstvo práce a sociálních věcí

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Passer sowie der Richter F. Biltgen (Berichterstatter) und N. Wahl,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hradil und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 und Art. 12 Buchst. a und c der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 2008, L 283, S. 36) in der durch die Richtlinie (EU) 2015/1794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2015 (ABl. 2015, L 263, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2008/94).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Kläger des Ausgangsverfahrens, HJ, und dem Ministerstvo práce a sociálních věcí (Ministerium für Arbeit und Soziales, Tschechische Republik) wegen eines Antrags auf Zahlung von Vergütungen, die von einer zahlungsunfähigen Gesellschaft nicht gezahlt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/94 können die Mitgliedstaaten Grenzen für die Verpflichtungen der Garantieeinrichtungen festlegen, die mit der sozialen Zielsetzung der Richtlinie vereinbar sein müssen und die unterschiedliche Höhe von Ansprüchen berücksichtigen können.

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie 2008/94 lautet:

„(1) Diese Richtlinie gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind.

(2) Die Mitgliedstaaten können die Ansprüche bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern wegen des Bestehens anderer Garantieformen ausnahmsweise vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließen, wenn diese den Betroffenen nachweislich einen Schutz gewährleisten, der dem sich aus dieser Richtlinie ergebenden Schutz gleichwertig ist.

(3) Die Mitgliedstaaten können, sofern eine solche Vorschrift nach ihrem innerstaatlichen Recht bereits angewandt wird, Hausangestellte, die von einer natürlichen Person beschäftigt werden, auch weiterhin vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließen.”

Rz. 5

Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 sieht vor:

„Diese Richtlinie lässt das einzelstaatliche Recht bezüglich der Begriffsbestimmung der Worte ‚Arbeitnehmer’, ‚Arbeitgeber’, ‚Arbeitsentgelt’, ‚erworbenes Recht’ und ‚Anwartschaftsrecht’ unberührt.

Die Mitgliedstaaten dürfen jedoch folgende Personen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht ausschließen:

  1. Teilzeitarbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 97/81/EG [des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9)];
  2. Arbeitnehmer...

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