1.3.1 Frage nach Schwerbehinderung

Die Frage nach der Schwerbehinderung des Bewerbers war nach bisheriger Rechtsprechung des BAG als zulässig angesehen worden. Dies hat sich jedoch durch die Einführung des AGG als veraltet erwiesen.[1] Das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung ist mittlerweile im AGG und im Sozialgesetzbuch festgelegt.[2] Die Frage nach einer Behinderung kann damit nur noch dann vom Arbeitgeber gestellt werden, wenn sie eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die in Aussicht genommene Tätigkeit darstellt.[3]

Will der Arbeitgeber also der Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter oder gleichgestellter Menschen gemäß § 154 SGB IX nachkommen, kann er dieses Ziel z. B. durch einen entsprechenden Hinweis in der Stellenausschreibung erreichen. Das Gleiche gilt für den öffentlichen Arbeitgeber hinsichtlich der Verpflichtung gemäß § 165 Satz 2 SGB IX, schwerbehinderte und gleichgestellte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Damit bleibt es allein den Bewerbern überlassen, ob sie Angaben zur Schwerbehinderteneigenschaft machen und ob sie diese Daten dem Arbeitgeber offenlegen.

1.3.2 Frage nach einer Krankheit

Fragen des Arbeitgebers zu akuten oder chronischen Krankheiten des Bewerbers können unter bestimmten Umständen zulässig sein. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die potenzielle Erkrankung des Bewerbers ein unmittelbares Risiko bei Durchführung der künftigen Tätigkeit darstellt.

Nach den Maßstäben des § 8 Abs. 1 AGG muss das Fehlen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung eine "unverzichtbare Voraussetzung für die fragliche Stelle"[1] darstellen. Ein Bewerber wäre also nicht alleine deshalb ungeeignet, weil er krankheitsbedingt häufig ausfallen wird, solange er die geschuldete Tätigkeit an sich noch erbringen kann. In diesem Sinn hat das BAG[2] entschieden, dass "alleine das Interesse des Arbeitgebers, die Anzahl von krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten möglichst gering zu halten," im Auswahlverfahren keine berufliche Anforderung i. S. d. § 8 AGG darstellt.

Andererseits entscheidet das BAG in einem Fall einer personenbedingten Kündigung wegen häufiger Fehlzeiten aufgrund einer chronischen Erkrankung zugunsten des Arbeitgebers.[3] Der Senat geht zwar davon aus, dass der klagende Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung eine Behinderung gehabt haben könnte. Dessen ungeachtet stört er sich nicht daran, dass ihm wegen seiner Fehlzeiten gekündigt wurde, "weil nichts dafür ersichtlich ist, dass der Arbeitgeber gegenüber einem anderen Arbeitnehmer ohne Behinderung mit Arbeitsunfähigkeiten in gleichem oder auch nur ähnlichem Umfang keine Kündigung ausspricht, ausgesprochen hat oder aussprechen würde." Dies widerspricht der erstgenannten Einstellung des 9. Senats, weil ja die häufigen Fehlzeiten gerade aufgrund einer Schwerbehinderung (der chronischen Erkrankung) entstehen.

Der Arbeitgeber soll also Bewerber bei der Einstellung wegen absehbarer häufiger Erkrankungen nicht ablehnen dürfen, aber später darf er sie personenbedingt kündigen?

Dies wird in der Literatur – zu Recht – zugunsten der Arbeitgeber abgelehnt. Demnach "sollte an der jahrzehntelangen Rechtsprechung des BAG zur krankheitsbedingten Kündigung festgehalten werden. Danach ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn signifikante Fehlzeiten eines Arbeitnehmers erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Interessen des Betriebs tangieren. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung, auf der die Fehlzeiten basieren, als Behinderung i. S. d. § 1 AGG einzustufen ist.[4] Konsequenterweise müssen daher jedenfalls massive Ausfallzeiten auch im Stadium der Vertragsanbahnung berücksichtigt werden können."[5]

[4] ErfK/Preis, 10. Aufl. (2010), § 611 BGB, Rz. 296; Genenger, AuR 2009, S. 285; Iraschko-Luscher/Kiekenbeck, NZA 2009, S. 1239 (1240).
[5] Bayreuther, NZA 2010, S. 679 (681).

1.3.3 Konkrete, tätigkeitsbedingte Anforderungen

Fragen nach Krankheiten des Bewerbers müssen demnach durch konkrete, tätigkeitsbedingte Anforderungen und Gefahren gerechtfertigt sein; die Frage nach dem allgemeinen Gesundheitszustand oder nach Vorerkrankungen ist somit grundsätzlich unzulässig. Fragen nach ansteckenden Krankheiten und nach einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sind hingegen zulässig, weil sie im ersten Fall die Arbeitskollegen gefährden können und im letzteren Fall fast immer die Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen werden. Im Rahmen einer Frage nach ansteckenden Krankheiten muss jedoch berücksichtigt werden, ob sie auch im konkreten Kontext wirklich ansteckend sein kann. So ist die Frage nach einer HIV-Infektion grundsätzlich unzulässig, wenn nicht bei der anstehenden Tätigkeit die Gefahr eines Kontaktes mit dem infizierten Blut besteht. Auch im Hinblick auf die künftige Leistungsfähigkeit des Bewerbers ist die Frage nach einer HIV-Infektion unzulässig, da ein solcher Befund keine...

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