Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Versicherungspflicht von sog. Ultimokräften in der Rentenversicherung und der Krankenversicherung.

Die Klägerin, eine Stadtsparkasse, beschäftigte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum von Dezember 1973 bis April 1976 zur Bewältigung des besonderen Arbeitsanfalls in der Monatsmitte und am Monatsende ca. 250 Aushilfskräfte, von denen sieben beigeladen sind (Nr. 2 bis Nr. 8), die anderweitig keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen. Mit diesen schloß die Klägerin Verträge folgenden Inhalts ab:Arbeitsvertrag

Zwischen der Stadtsparkasse E… , vertreten durch den Vorstand, und

Frau …

geboren am … in …

wohnhaft in …

wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen:

§ 1

Frau …

wird ab …

als Aushilfsangestellte eingestellt.

§ 2

Für das Arbeitsverhältnis gelten keine tariflichen Bestimmungen. Die Vergütung richtet sich jedoch nach dem Überstundensatz der Vergütungsgruppe … BAT. Sie wird monatlich nach Beendigung der Dienstleistung gezahlt.

§ 3

Die Angestellte kann im Beschäftigungsjahr höchstens an 75 Arbeitstagen beschäftigt werden.

§ 4

Für die Beitragsleistung zur Sozialversicherung gelten die gesetzlichen Vorschriften.

§ 5

Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages sowie Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.

§ 6

Die Angestellte verpflichtet sich, bei Ausführung der ihr übertragenen Arbeiten die jeweils in Frage kommenden gesetzlichen und behördlichen Vorschriften z.B. Unfallverhütungsbestimmungen, die allgemeinen und besonderen Dienstanweisungen des Arbeitgebers, Betriebsvorschriften, die Arbeitsordnung und die Anordnung ihrer Vorgesetzten zu beachten. Sie hat über die ihr infolge ihres Arbeitsverhältnisses bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder vom Arbeitgeber vorgeschrieben ist, Verschwiegenheit zu wahren. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Angestellte darf für alle mit ihrem Aufgabenbereich zusammenhängenden Handlungen ohne Erlaubnis des Arbeitgebers keine Geschenke annehmen, fordern oder sich versprechen lassen.

§ 7

Gerichtsstand ist Essen/Ruhr.

§ 8

Dieser Arbeitsvertrag wird zweifach ausgefertigt. Jede Vertragspartei erhält eine Ausfertigung.

Essen, den 19…

Stadtsparkasse Essen- Personalabteilung -(Unterschrift)

Zur Aufnahme der jeweiligen konkreten Tätigkeit wurden die Aushilfskräfte durch folgendes Schreiben aufgefordert:

''Betr. : AushilfstätigkeitSehr geehrte Frau …Wir bitten Sie, von … bis … in der Zweigstelle …Abteilung …wegen des Ultimoverkehrs auszuhelfen. Soweit Sie neben Ihrer Tätigkeit als Ultimokraft noch eine andere entgeltliche Beschäftigung ausüben, bitten wir um Mitteilung, damit wir aufgrund der Vorschriften der RVO prüfen können, ob Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind.

HochachtungsvollStadtsparkasse Essen- Personalabteilung -"

Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1976 stellte die Beklagte durch die Bescheide vom 13. Mai 1976, 27. Dezember 1976 und 24. Februar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 1977 die Versicherungspflicht der Aushilfskräfte fest und forderte insgesamt Beiträge zur Kranken- und Angestelltenversicherung in Höhe von DM 651.045,66 nach.

Die auf die sieben genannten Beigeladenen beschränkte Klage wies das Sozialgericht (SG) Duisburg durch Urteil vom 20. November 1979 mit der Begründung zurück, daß die Aushilfskräfte als abhängig Beschäftigte dem Grunde nach versicherungspflichtig und als nicht nur gelegentlich Tätige nicht versicherungsfrei seien; denn die Arbeitsverhältnisse seien auf regelmäßige Wiederholung angelegt, da bei dem Bankinstitut der Bedarf für weitere Arbeitskräfte jeden Monat erneut anfiele; daß es den Aushilfskräften im Einzelfall freigestanden habe, einer Aufforderung zur Beschäftigung einmal nicht nachzukommen, sei unbeachtlich, weil insgesamt sowohl bei der Klägerin als auch den Aushilfskräften von vornherein die Absicht bestanden habe, immer wieder Aushilfsarbeiten auszuführen; unter diesen Umständen sei die Beschränkung der Arbeitszeit auf 75 Tage im Jahr nicht geeignet, eine regelmäßige Wiederholung der Beschäftigungsverhältnisse auszuschließen; auch wegen der Höhe der gezahlten Gehälter könne nicht von einer geringfügig entlohnten Beschäftigung gesprochen werden.

Mit der dagegen eingelegten Sprungrevision trägt die Klägerin vor: Entgegen der Ansicht des SG sei hier von einer gelegentlichen Beschäftigung auszugehen, weil die Beschäftigungsverhältnisse nicht von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet gewesen seien; denn die Freiheit des Arbeitgebers zur Wiedereinstellung und die Freiheit der Arbeitnehmer, die erneut angebotene Arbeit abzulehnen, sei gewahrt geblieben; dies ergebe sich schon aus den mit den Ultimokräften abgeschlossenen Vereinbarungen, bei denen es sich nur um Rahmenverträge handele; zur Arbeitsaufnahme sei es erst durch das schriftliche Arbeitsangebot gekommen, das die Ultimokraft habe annehmen oder ablehnen können; sie, die Klägerin, habe auch nicht alle 250 Aushilfskräfte auf einmal benötigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Bescheide der Beklagten vom 13. Mai 1976, 27. Dezember 1976 und 24. Februar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 1977, soweit die Bescheide die Beigeladenen zu 2) bis 8) betreffen, sowie das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20. November 1979 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie meinen, daß das Bundessozialgericht (BSG) nur die rechtliche Auslegung der Verträge überprüfen könne, während die tatsächlichen Umstände mangels durchgreifender Revisionsrügen feststünden, und daß die Auslegung durch das SG zutreffend sei.

Die Beigeladenen zu 2) bis 8) sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.

II

Die Revision ist unbegründet. Die Beitragsbescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig.

Die Beigeladenen zu 2) bis 8), deren Versicherungspflicht wegen abhängiger Beschäftigung dem Grunde nach gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und § 165 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) feststeht, waren nicht wegen geringfügiger Beschäftigung versicherungsfrei. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 2 Buchst a AVG und § 168 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Buchst. a RVO, beide in der bis 30. Juni 1977 geltenden und dann durch Art II § 2 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) - vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845 - geänderten Fassung, liegt eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung u.a. dann vor, wenn die Beschäftigung nur gelegentlich ausgeübt wird, insbesondere zur Aushilfe, für eine Zeitdauer, die im Laufe eines Jahres seit ihrem Beginn auf nicht mehr als drei Monate oder insgesamt 75 Tage im voraus durch Vertrag beschränkt ist. Obwohl feststeht, daß die Beigeladenen zu 2) bis 8) nicht mehr als 75 Tage im Laufe eines Jahres beschäftigt wurden, war ihre Beschäftigung nicht gelegentlicher Natur i.S. dieser Vorschrift. Wie der erkennende Senat mehrfach (vgl. Urteile vom 25. November 1976 - 12/3 RJ 1/75 -, USK 76178, und vom 1. Februar 1979 - 12 RK 7/77 -, SozR 2200 § 165 Nr. 36 = USK 7929) entschieden hat, kann ein Beschäftigungsverhältnis, auch wenn es sich in dem genannten zeitlichen Rahmen hält, nicht mehr als gelegentlich ausgeübt angesehen werden, wenn es von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet war und über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden sollte (vgl. auch das Urteil des Landessozialgerichts - LSG Nordrhein-Westfalen vom 27. Februar 1975 - L 16 Kr 125/74 und dazu den Beschluß des BSG vom 26. Juni 1975 - 3 BK 11/75 -)

Der erkennende Senat hat allerdings in seinem Urteil vom 25. November 1976 (- 12/3 RJ 1/75 - USK 76178) ausgeführt:

"Was als gelegentlich ausgeübte Beschäftigung anzusehen ist, ergibt sich aus der gesetzlichen Bestimmung des § 1228 Abs. 2 Buchst. a RVO selbst. Es mag dahinstehen, ob die Vorschrift ihrer Formulierung nach einer Fiktion gleichkommt, wie sie in § 168 RVO a.F. enthalten war, wonach eine Beschäftigung als gelegentliche Dienstleistung galt, wenn die entsprechenden zeitlichen Beschränkungen vorlagen. Jedenfalls ergibt sich aus dem Gesetz selbst die Begriffsbestimmung. Da nämlich die zeitliche Höchstdauer von drei Monaten oder insgesamt fünfundsiebzig Arbeitstagen zu einem Jahr in Bezug gesetzt ist ("im Laufe eines Jahres"), muß auch der Begriff "gelegentlich" im Zusammenhang mit dieser Bezugsgröße gesehen werden. Eine die vorgenannte Höchstdauer nicht überschreitende Nebenbeschäftigung muß nicht einmalig sein, um als gelegentlich angesehen zu werden. Eine Beschäftigung wird erst dann in regelmäßiger Wiederkehr ausgeübt, wenn sie sich auf einen längeren Zeitraum erstreckt und regelmäßig und in kürzeren Abständen wiederholt (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band III S. 622 m). Nicht mehr gelegentlich ist eine Nebenbeschäftigung sonach allenfalls erst dann, wenn sie - von der Überschreitung der Höchstdauer abgesehen - in regelmäßiger Wiederkehr im Verlauf eines Jahres erfolgt. Demgemäß wurde auch die Tätigkeit einer sonst nicht berufstätigen Hausfrau, die jedes Jahr für die Zeit von Oktober bis Dezember als Aushilfsverkäuferin beschäftigt worden war, als gelegentliche Dienstleistung im Sinne des § 168 RVO a.F. angesehen (OVA Hamburg, BKK, 1952 Sp. 252; zustimmend Odendahl, ZfS 1956, 33, 36)."

Diese Entscheidung widerspricht jedoch der hier getroffenen nicht, sondern bestätigt sie. Der Senat hat dort nämlich im Hinblick auf das Erfordernis der "Regelmäßigkeit" einen Unterschied gemacht zwischen den Fällen, In denen die (insgesamt 75 Arbeitstage nicht überschreitenden) Beschäftigungen nur ein- oder zweimal im Jahr erfolgten (so der damals entschiedene Fall), und denjenigen, in denen der Arbeitnehmer im Laufe des Jahres zu häufigen, terminlich vorher im wesentlichen festliegenden "Einsätzen" herangezogen wurde (so der Fall der Volkshochschullehrerin, Urteil vom 1. Januar 1979 - 12 RK 7/77 - SozR 2200 § 165 Nr. 36, und auch der hier zu entscheidende Fall). Bei der letztgenannten Fallgruppe ist auch dann, wenn die Beschäftigungsdauer insgesamt 75 Arbeitstage pro Jahr nicht übersteigt und rechtliche Bindungen zur Fortsetzung der Beschäftigung nicht vereinbart wurden, eine regelmäßige Beschäftigung angenommen worden. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Zum einen rechtfertigt sie sich in einer Vielzahl von Fällen allein schon daraus, daß arbeitsrechtlich eine Bindung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung u.U. auch dann besteht, wenn dies nicht besonders vereinbart worden ist. Zum anderen verleiht auch die zeitliche Nähe einander folgender, terminlich von vornherein festliegender Tätigkeiten der Beschäftigung den Charakter der Regelmäßigkeit, wenn nach den Gesamtumständen beide Seiten davon ausgehen können, daß die jeweils andere Seite die Fortsetzung der gegenseitigen Beziehungen beabsichtigt. So lag es hier. Den Beschäftigungsverhältnissen lag ein formularmäßiger Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und den einzelnen Aushilfskräften zugrunde, bei dem es sich zwar nur um einen Rahmenvertrag handelte, dem aber eindeutig zu entnehmen ist, daß die Rechtsbeziehung auf Dauer angelegt sein sollte, und zwar zur Abdeckung von Spitzenzeiten, die - insbesondere wegen der Auszahlung von Gehältern - regelmäßig in der Mitte und am Ende eines jeden Monats anfallen. Wegen der Regelmäßigkeit, mit der für die Klägerin zu diesen Zeiten ein Bedarf an Aushilfskräften anfällt, wurde der Arbeitsrahmenvertrag unbefristet geschlossen und so angelegt, daß im Prinzip ein Einsatz zu jeder der genannten Zeiten erfolgen konnte. Dem steht nicht entgegen, daß die einzelne Aushilfskraft das konkrete Arbeitsangebot nicht annehmen mußte, sondern es im Einzelfall auch einmal ablehnen konnte. Gerade wegen dieser Möglichkeit, die schon aufgrund von Urlaub oder Krankheit eintreten konnte, hielt die Klägerin eine größere, über den jeweiligen Bedarf hinausgehende Zahl von Aushilfskräften in Bereitschaft. Auch wenn also eine der Aushilfskräfte den einen oder anderen möglichen Arbeitseinsatz ausließ, so kam es insgesamt und im Ergebnis doch zu einem über Jahre hinweg gehenden, regelmäßigen Einsatz entsprechend dem regelmäßigen Bedarf der Klägerin an zusätzlichen Arbeitskräften in den Spitzenzeiten. Entscheidend für den Ausschluß einer "gelegentlichen" Beschäftigung war bereits, daß beide Vertragsparteien darin übereinstimmten, daß es zu einer regelmäßigen Wiederholung der Beschäftigung im Rahmen eines einmal begründeten und auf Dauer angelegten Vertragsverhältnisses kommen sollte und die Beigeladenen zu 2) bis 8) sich auf den regelmäßigen Einsatz einstellen und eine regelmäßige Gehaltsquelle erwarten durften.

Daß der Einsatz der Beigeladenen zu 2) bis 8) in der beschriebenen regelmäßigen Weise gehandhabt wurde, wird von der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht nicht gerügt. Daher bestehen insoweit bindende Feststellungen gem. § 163 SGG. Die rechtliche Würdigung dieser Sach- und Vertragslage durch das SG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist nicht rechtsfehlerhaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.12 RK 1/80

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

Haufe-Index 518306

Breith. 1983, 100

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