Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage, ob der Versicherte die aufgrund eines rechtswidrigen, aber bindenden Bescheides entrichteten Beiträge zur freiwilligen knappschaftlichen Krankenversicherung zurückfordern kann (Anschluß an und Bestätigung von BSG 1980-05-28 5 RKn 21/79).

 

Orientierungssatz

Beitragserstattung - Rechtsverbindlichkeit der Beitragsfestsetzung:

1. Die Rückgewähr von Beiträgen, die zur Krankenversicherung entrichtet worden sind, setzt voraus, daß die Zahlungen ohne rechtlichen Grund erbracht wurden; sie ist dagegen ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der Entrichtung eine Pflicht zur Zahlung der Beiträge bestand.

2. Die Rechtsverbindlichkeit der Beitragsfestsetzung gründet sich auf den allgemeinen Rechtsgedanken, daß die nachteiligen Wirkungen, die von unangreifbaren fehlerhaften Akten der öffentlichen Gewalt in der Vergangenheit ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, daß aber für die Zukunft die sich aus der Durchsetzung solcher Akte ergebenden Folgen abgewendet werden sollen (vergleiche BVerfG vom 1980-01-16 1 BvR 127/78 = NJW 1980, 1565 und BSG vom 1969-03-19 10 RV 726/67 = BSGE 29, 186, 187).

 

Normenkette

SGG § 77 Fassung 1953-09-03; RKG § 121 Fassung: 1969-07-28; RVO § 1300 Fassung 1957-02-23; RKG § 93 Abs. 1 Fassung: 1957-05-21

 

Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Entscheidung vom 30.11.1977; Aktenzeichen L 2 Kn 24/77)

SG für das Saarland (Entscheidung vom 09.08.1977; Aktenzeichen S 8 Kn 129/75)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die teilweise Erstattung von Beiträgen, die der Kläger als freiwillig weiter-versichertes Mitglied zur knappschaftlichen Krankenversicherung entrichtet hat.

Die Beklagte hatte den Beitrag, den sie nach einem in der Satzung festgelegten Prozentsatz der jeweiligen, für die Berechnung der Leistungen gebildeten Gehaltsklasse errechnete, für das Jahr 1970 auf 122,-- DM monatlich (10,17 % der einem Monatseinkommen von 1.200,-- DM entsprechenden Gehaltsklasse 40) festgesetzt. Im Hinblick auf die geänderten Beitragsbemessungsgrenzen erhöhte sie mit Bescheid vom 22. Dezember 1970 den Monatsbeitrag für das Jahr 1971 auf 144,90 DM (10,17 % der einem Monatseinkommen von 1.425,-- DM entsprechenden Gehaltsklasse 47) und mit Bescheid vom 23. Dezember 1971 für die Zeit ab 1. Januar 1972 auf 160,20 DM (10,17 % der einem Einkommen von 1.575,-- DM entsprechenden Gehaltsklasse 52). Mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 forderte die Beklagte nach einer Erhöhung des Beitragssatzes auf 11,14 % monatliche Beiträge von 175,50 DM (Bescheid vom 26. September 1972). Aufgrund erneuter Anhebungen der Beitragsbemessungsgrenze setzte sie mit Bescheid vom 21. Dezember 1972 die Beiträge für das Jahr 1973 auf 192,20 DM und mit Bescheid vom 21. Dezember 1973 diejenigen für das Jahr 1974 auf 208,90 DM herauf.

Im Dezember 1974 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung der bisherigen Beitragsfestsetzungen und Erstattung zuviel gezahlter Beiträge. Dabei berief er sich auf das Urteil des erkennenden Senats vom 29. August 1974 (BSGE 38, 84 = SozR 2200 § 313a Nr 2). In dieser Entscheidung hat der Senat ausgesprochen, daß der Beitrag der freiwillig weiterversicherten Mitglieder nach dem letzten versicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zu berechnen sei. Der so ermittelte Betrag dürfe in entsprechender Anwendung des § 313a Reichsversicherungsordnung (RVO) erst erhöht werden, wenn er den einkommensgerechten Beitrag, der nach dem bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigten geänderten Einkommen zu bestimmen sei, um mehr als 20 vH unterschreite. Gegen den seinen Antrag ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 12. März 1975 legte der Kläger ohne Erfolg Widerspruch ein (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1975).

Das Sozialgericht (SG) hat unter Abweisung der weitergehenden Klage die angefochtenen Bescheide teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die in den Jahren 1973 und 1974 erhobenen Beiträge neu zu berechnen und Beitragsüberzahlungen zu erstatten (Urteil vom 9. August 1977). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Neuberechnung und teilweisen Erstattung von Beiträgen für das Jahr 1974 verpflichtet worden ist. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten und in vollem Umfange die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 30. November 1977). Aus einer Analogie zu § 93 Abs 1 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) ergebe sich, daß auch im Bereich des insoweit lückenhaften Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung eine von dem Versicherungsträger als unrichtig erkannte bescheidmäßige Feststellung geändert und ein durch rechtsfehlerhaft zu hoch festgesetzte Beiträge erlangter Vorteil zurückgegeben werden müsse. Gemessen an den Grundsätzen, die der erkennende Senat im Urteil vom 29. August 1974 aufgestellt habe, sei die Festlegung der Beiträge für die Jahre 1971 und 1973 rechtswidrig gewesen. Gegenüber dem Anspruch auf Erstattung von Beitragsteilen für das Jahr 1971 habe sich die Beklagte indessen zu Recht auf Verjährung berufen. Die Beitragseinstufung für 1974 sei nicht Gegenstand des Verfahrens.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die von dem LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 93 RKG. Diese Vorschrift könne zwar im Leistungsrecht der Krankenversicherung entsprechend angewendet werden, nicht aber im Beitragsrecht. Die Beitragseinstufungen bis 1973 seien auch nicht rechtswidrig gewesen; denn das Urteil des Senats vom 29. August 1974 habe nur Bedeutung für die zukünftige Beitragsgestaltung. Selbst bei unterstellter Rechtswidrigkeit habe die Beklagte an der Bindungswirkung ihrer Einstufungsbescheide festhalten dürfen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG

aufzuheben und die Klage in vollem Umfange

abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und sieht sich in seiner Auffassung durch die in Art I § 42 des Entwurfs eines Sozialgesetzbuches-Verwaltungsverfahren-vorgesehene Regelung bestätigt, daß ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sei, in dem Beiträge zu Unrecht festgesetzt worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hält die Beklagte zu Unrecht für verpflichtet, die in dem rechtsverbindlich gewordenen Bescheid vom 21. Dezember 1972 vorgenommene Beitragsfestsetzung für das Jahr 1973 nachträglich zu ändern und dem Kläger die in diesem Zeitraum entrichteten Beiträge zum Teil zu erstatten.

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß nach dem für die Beurteilung des vorliegenden Streitfalles maßgebenden Rechtszustand vor dem Inkrafttreten des § 26 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften - (SGB 4) am 1. Juli 1977 (vgl dazu Art II § 21 Abs 1 SGB 4) eine ausdrückliche Regelung der Rückforderung zu Unrecht entrichteter Beiträge in den gesetzlichen Vorschriften über die soziale Krankenversicherung nicht enthalten gewesen ist. Diese Regelungslücke durfte das Berufungsgericht indessen nicht durch einen Rückgriff auf § 93 Abs 1 RKG schließen; denn mit seiner Auffassung befindet sich das LSG im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Dieses hat zwar die analoge Anwendung der im Leistungsrecht der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung geltenden §§ 627 und 1300 RVO sowie 93 Abs 1 RKG auf Leistungsbeziehungen zwischen Versicherten und dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung befürwortet (BSGE 36, 120, 122 f = SozR Nr 61 zu § 182 RVO). Aus dieser Spruchpraxis läßt sich jedoch nicht zugleich folgern, daß auch Beitragsrückforderungen im Hinblick auf eine gleichgeartete tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse den gleichen rechtlichen Regeln unterworfen sein sollen, die im Rahmen von Leistungsbeziehungen gelten. Insbesondere rechtfertigt diese Rechtsprechung nicht den vom Berufungsgericht daraus abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz, demzufolge ein Versicherungsträger verpflichtet sei, einen aufgrund einer einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung als rechtsfehlerhaft ausgewiesenen Verwaltungsakt ungeachtet seiner formellen Bestandskraft stets der materiellen Rechtslage anzupassen. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 28. Mai 1980 (5 RKn 21/79 mwN) im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entschieden hat, kann ein solcher Grundsatz dem geltenden Recht nicht entnommen werden. Würde die Auffassung des Berufungsgerichts über die jederzeitige Verpflichtung des Verwaltungsträgers zur Korrektur rechtsverbindlich gewordener fehlerhafter Entscheidungen zutreffen, so müßte ein solcher Zwang insbesondere dann eingreifen, wenn das Bundesverfassungsgericht mit Gesetzeskraft die Nichtigkeit einer den bindenden Bescheid tragenden Vorschrift festgestellt hat.

Demgegenüber bleiben aber gemäß § 79 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) mit Ausnahme von Strafurteilen die auf der für nichtig erklärten Norm beruhenden, nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, zu denen auch Verwaltungsakte zählen (BVerfGE 2, 380, 404; 7, 194, 195), unberührt. Etwas anderes gilt nach § 79 Abs 2 Satz 1 BVerfGG für den dort geregelten rechtlichen Teilbereich nur beim Bestehen einer abweichenden besonderen gesetzlichen Regelung. Ähnlich verhält es sich nach § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in den Fällen, in welchen gegenüber einem Versicherten ein in sonstiger Weise unrichtiger Bescheid ergangen ist und ein Rechtsbehelf dagegen nicht oder erfolglos eingelegt wurde. Als eine iS des § 77 SGG anderweitige gesetzliche Bestimmung, die ein Abrücken von der sachlichen Bindungswirkung eines Bescheides erlaubt, kommt indessen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts § 93 Abs 1 RKG hier nicht in Betracht.

Die Rückforderung ganz oder teilweise zu Unrecht entrichteter Beiträge des Versicherten in der Krankenversicherung hat das BSG - soweit es nicht ohne nähere dogmatische Absicherung einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch angenommen hat (BSGE 26, 120, 122 = SozR Nr 20 zu § 160 RVO mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts; BSG SozR 2200 § 381 Nr 26 am Ende) - auf eine gesetzesanaloge Anwendung des § 1424 Abs 1 und 4 RVO und des § 186 Abs 1 und 2 Arbeitsförderungsgesetz in der jeweils bis zum Inkrafttreten des § 26 SGB 4 geltenden Fassung gegründet (BSG SozR 2200 § 393 Nr 5; vgl dazu auch das Urteil des erkennenden Senats vom 28. Mai 1980 - 5 RKn 21/79 -). Dieses Vorgehen ist nach Auffassung des erkennenden Senats sachgerecht, weil sich die Interessenlage bei der Rückforderung von Beiträgen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht von derjenigen bei der Beitragsrückforderung in der Krankenversicherung unterscheidet. Davon ist schließlich auch der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 26 SGB 4 ausgegangen. Denn mit dieser Vorschrift hat er eine dem § 1424 RVO weitgehend nachgebildete Norm eingeführt, welche den in jener Bestimmung enthaltenen Rechtsgrundsatz verallgemeinert und auf alle Zweige der Sozialversicherung ausdehnt (vgl die Begründung zu § 27 des Regierungsentwurfs des SGB 4 BT-Drucks 7/4122).

Die Rückgewähr von Beiträgen, die zur Krankenversicherung entrichtet worden sind, setzt demnach voraus, daß die Zahlungen ohne rechtlichen Grund erbracht wurden; sie ist dagegen ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der Entrichtung eine Pflicht zur Zahlung der Beiträge bestand. Indessen ist für die vom Kläger im Jahre 1973 geleisteten Beiträge eine Rechtsgrundlage in Gestalt des von der Beklagten erlassenen Beitragsbescheides vom 21. Dezember 1972 vorhanden. Der nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid ist rechtsverbindlich geworden, weil sich der Kläger nicht binnen Jahresfrist dagegen gewandt hat (§§ 77, 66 Abs 2 SGG). Dieser Verwaltungsakt bestimmt losgelöst von den Beitragsvorschriften in der Satzung der Beklagten die Höhe des von dem Versicherten zu tragenden Beitrags und bildet so einen eigenständigen Verpflichtungsgrund.

Gleichwohl wäre die Beklagte nicht gehindert, die Sachbehandlung wieder aufzunehmen und diesen Bescheid zu beseitigen, sofern er dem objektiven Recht widerspricht (ein entsprechender Rechtsgrundsatz ist bereits in § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG- geltendes Recht). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Beitragsbescheid vom 21. Dezember 1972 auch rechtswidrig. Die Beklagte räumt selbst ein, daß er einer Überprüfung anhand der im Urteil des Senats vom 29. August 1974 aaO aufgestellten Grundsätze nicht standhält; sie meint aber, dieser Spruch könne das Urteil über die Rechtswidrigkeit ihres zeitlich früher erlassenen Bescheides nicht beeinflussen. Dabei übersieht die Beklagte jedoch, daß die Entscheidung des Senats vom 29. August 1974 nicht das Recht geändert, sondern lediglich eine schon bisher bestehende Rechtslage klar umrissen hat.

Dennoch unterliegt die Beklagte nicht einem rechtlichen Zwang, diese Beitragsfestsetzung - ähnlich wie sich dies für Leistungsbescheide beispielsweise aus den §§ 627, 1300 RVO, 93 Abs 1 RKG, 79 AVG, 40 Verwaltungsverfahrensgesetz der Kriegsopferversorgung ergeben kann - zu beseitigen mit der Folge, daß der Rechtsgrund für die Beitragsleistungen im noch streitigen Zeitraum entfällt. Anders als in dem vom erkennenden Senat im bereits erwähnten Urteil vom 28. Mai 1980 (5 RKn 21/79) entschiedenen Fall, der ebenfalls eine Forderung nach Rückgewähr von Beiträgen betraf, würde hier eine rückwirkende Beitragsänderung nicht mit einer Veränderung des Leistungsumfangs einhergehen. Daher verliert das in jenem Urteil gegen die Durchbrechung der Rechtsverbindlichkeit des Beitragsbescheides herangezogene Argument, ein in der Vergangenheit abgeschlossen zurückliegendes Versicherungsverhältnis dürfe nicht rückwirkend umgestaltet und insbesondere keiner nachträglichen Änderung des Versicherungswagnisses ausgesetzt werden, an Gewicht.

Dagegen besteht auch in dem hier zu beurteilenden Streitfall ein Widerstreit zwischen der im Interesse der Rechtssicherheit gesetzlich angeordneten Bestandskraft von Bescheiden auf der einen und materieller Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite. Dieses Spannungsverhältnis hat der Senat im Urteil vom 28. Mai 1980 zu Gunsten der Rechtsverbindlichkeit der Beitragsfestsetzung entschieden. Seine Ansicht hat er auf den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus § 79 BVerfGG abgeleiteten allgemeinen Rechtsgedanken gegründet, daß die nachteiligen Wirkungen, die von unangreifbaren fehlerhaften Akten der öffentlichen Gewalt in der Vergangenheit ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, daß aber für die Zukunft die sich aus der Durchsetzung solcher Akte ergebenden Folgen abgewendet werden sollen (vgl BVerfGE 20, 230, 236; 37, 217, 263; 48, 327, 240; BVerfG Beschluß vom 16. Januar 1980 - 1 BvR 127/78 / 1 BvR 679/78 -; ebenso BSGE 29, 186, 187 = SozR Nr 12 zu § 45 BVG; BSG in Bundesversorgungsblatt 1970, 128, 130). Aus dem gleichen Grunde bleiben auch im vorliegenden Fall die durch verbindlich gewordenen Beitragsbescheid geregelten, bereits vollständig abgewickelt in der Vergangenheit liegenden Rechtsbeziehungen unangetastet. Der Kläger kann deshalb die Erstattung von Beitragsteilen nicht beanspruchen.

Demgegenüber versagt die Berufung auf § 42 Abs 1 des Entwurfs eines Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (BT-Drucks 8/2034). Zwar handelt es sich bei dieser Vorschrift - sollte sie in der vorgesehenen Fassung Gesetz werden - um eine anderweitige gesetzliche Bestimmung iS des § 77 SGG, die zur Außerachtlassung der Bestandskraft eines Bescheides berechtigen würde. Die in dieser Norm zum Ausdruck gelangende Abkehr von der Bindungs- und Rechtskraftwirkung von Bescheiden, wenn diese Wirkungen zum Nachteil eines Versicherten eingetreten sind, ist aber noch nicht geltendes Recht. Außerdem ist in Art II § 35 Abs 2 des Entwurfs in den Übergangsvorschriften ausdrücklich vorgesehen, daß § 42 des Entwurfs erstmals nach dem Inkrafttreten der Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im SGB angewendet werden soll. Der gesetzgeberische Plan konnte sich daher auf die Entscheidung des Senats nicht auswirken (vgl hierzu auch BSG in SozR 1200 § 34 Nr 3). Ebensowenig kann hier § 48 VwVfG entsprechend angewendet werden, weil diese Vorschrift ausdrücklich für das Verwaltungsverfahren der Sozialleistungsträger nicht gilt (§ 2 Abs 2 Nr 4 VwVfG) und die im Entwurf des SGB - Verwaltungsverfahren - vorgesehene Regelung davon abweicht (vgl insoweit auch BSG in SozR 1200 § 34 Nrn 2 und 3).

Schließlich ist der Senat an seiner Entscheidung auch nicht durch die Urteile des 3. Senats vom 28. März 1979 (3 RK 63/77 in SozR 5428 § 4 Nr 6 und 3 RK 15/78) gehindert. Dort hat der 3. Senat lediglich über die Rechtmäßigkeit der Beitragssatzung einer Ersatzkasse entschieden. Ob die rückwirkend festgestellte Unwirksamkeit der Satzung Ansprüche auf teilweise Erstattung in der Vergangenheit entrichteter Beiträge begründet, hat der 3. Senat dagegen offengelassen.

Der Revision der Beklagten war danach stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

RegNr, 8622

Das Beitragsrecht Meuer, 477 A 7 a 28 (LT1)

USK, 80277 (LT1)

BKK 1980, 351-353 (LT1)

SozR 2600 § 121, Nr 3 (LT1)

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