Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 2. Juni 1967 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1960 an in der Rentenversicherung der Arbeiter versicherungspflichtig ist.

Der Kläger, geboren 1920, hat den Schlachterberuf erlernt. Er arbeitet seit dem Jahre 1958 auf dem Schlacht- und Viehhof in Bremen; zunächst war er Kopfschlachter, seit Jahren führt er als Obmann eine unter seinem Namen laufende „Brühkolonne” von drei bis fünf Mann an. Seit 1958 entrichtet er freiwillige Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung, der er vorher als Pflichtversicherter angehört hat. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) gibt es im Schlacht- und Viehhof Bremen auch noch andere Arbeitsgemeinschaften, die jeweils unter einem Obmann tätig werden, u. a. die 60 Mann umfassende Arbeitsgemeinschaft der eigentlichen Lohnschlachter (zu der der Kläger jedoch nicht mehr gehört). Die Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaften oder Kolonnen haben das von den Schlachtereien angelieferte Vieh für diese nach deren Weisungen zu den jeweils von der Direktion des Schlachthofs festgesetzten Zeiten zu schlachten bzw. weiter zu verarbeiten. Der Kläger arbeitet mit den übrigen Mitgliedern seiner Brühkolonne und den anderen Kolonnen im Fließbandverfahren zusammen. Die Kolonnen sind an die Hausordnung des Schlacht- und Viehhofs gebunden. Für ihre Arbeit benutzen sie in Bremen die Gebäude und im wesentlichen die Geräte und sonstigen Einrichtungsgegenstände des Schlachthofs, zu einem geringen Teil such eigenes Handwerkszeug und einzelne selbst beschaffte Einrichtungen. Sie unterliegen bei ihrer Tätigkeit nicht den Weisungen der Direktion des Schlachthofs; die Direktion kann ihnen jedoch bei einem Zuwiderhandeln gegen die Hausordnung die Zulassung als Lohnschlachter entziehen. Die Lohnschlachter, zu denen im weiteren Sinne auch die Arbeitsgemeinschaft des Klägers zählt, erhalten für jedes geschlachtete Tier von der jeweiligen Schlachterei eine Vergütung (Stücklohn), deren Höhe von dem Obmann der Lohnschlachterkolonne mit der Fleischerei-Innung ausgehandelt ist. Ihr monatlicher Verdienst unterliegt in Bremen der Lohnsteuerpflicht; er ist nicht wesentlich höher als der Lohn sonstiger, abhängig beschäftigter Schlachtergesellen. Die jeweiligen Arbeitsgemeinschaften werden als nicht rechtsfähige Vereine seit 1966/1967 zur Umsatz- und Lohnsummensteuer herangezogen. Der Kläger selbst wird zusammen mit seiner Ehefrau, die ein Lebensmittelgeschäft betreibt, auch zur Einkommensteuer veranlagt. Urlaub wird den Kolonnenmitgliedern von den Schlachtereien nicht gewährt. Der Auftrag zum Schlachten wird von den Schlachtereien dem Obmann der Kolonne der Lohnschlachter erteilt, der auch alle übrigen Verwaltungsarbeiten (z. B. das Einteilen der einzelnen Kolonnen für die Schlachtungen, die Verteilung des Verdienstes, das Verhandeln mit der Direktion des Schlachthofs usw.) erledigt. Für die sonstigen Verhältnisse auf dem Schlacht- und Viehhof Bremen – die Verhältnisse sind nach den Feststellungen des LSG nicht bei allen Schlacht- und Viehhöfen die gleichen – wird auf das Urteil des LSG verwiesen.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1962 forderte die Beklagte von dem Kläger die vollen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter (§ 1405 der Reichsversicherungsordnung – RVO–) für die Zeit vom 1. Januar 1960 bis zum 30. September 1962 in Höhe von 2.016 DM; das ist die Differenz zwischen den vom Kläger in dieser Zeit geleisteten freiwilligen Beiträgen und den Pflichtbeiträgen. Der Widerspruch des Klägers und seine Klage, in die das Sozialgericht (SG) Bremen auch den weiteren Beitragsbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 1964 für die Zeit vom 1. Oktober 1962 bis zum 30. September 1964 einbezog, blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. März 1963; Urteil des SG vom 10. März 1965). Die Berufung des Klägers wies das LSG Bremen mit Urteil vom 2. Juni 1967 zurück: Der Kläger sei wie die übrigen Lohnschlachter in Bremen als unständig Beschäftigter im Sinne des § 441 RVO anzusehen und daher nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherungspflichtig, er habe nach den §§ 1396 Abs. 2, 1405 Abs. 1 RVO die seinem Verdienst entsprechenden Pflichtbeiträge durch Verwendung von Beitragsmarken in voller Höhe selbst zu entrichten. Zwar enthalte die Tätigkeit der Lohnschlachter in Bremen teilweise rechtliche und tatsächliche Merkmale, die atypisch für einen Arbeitnehmer seien. Doch zeige eine Gesamtschau aller Beschäftigungsmerkmale, daß die Lohnschlachter abhängig gegen Entgelt beschäftigt würden. Sie seien allerdings weder Arbeitnehmer des Schlachthofs noch der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft. Ihre Arbeitgeber seien jedoch die einzelnen Schlachtereien, die ihnen die Schlachtaufträge und Anweisungen dazu erteilten; diesen Firmen komme auch das wirtschaftliche Ergebnis der Schlachtungen zugute. Die Heranziehung des einzelnen Lohnschlachters zur Lohnsteuer spreche ebenfalls für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Demgegenüber sei es unerheblich, daß die Lohnschlachter für ihre Arbeit zum Teil eigenes Handwerkszeug benutzten, keinen Urlaub von ihren Auftraggebern erhielten, nicht in deren Betriebe eingegliedert seien und eine gewisse Dispositionsfreiheit bei ihrer Tätigkeit auf dem Schlachthof hätten; diese Umstände folgten aus der besonderen Natur ihrer Arbeit.

Der Kläger legte die vom LSG zugelassene Revision ein, er beantragte,

die Urteile der Vorinstanzen sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.

Er rügte die Verletzung der §§ 441, 1227 Abs. 1 Nr. 1, 1387, 1396 Abs. 2 und 1405 RVO und trug im wesentlichen vor: Er sei nicht unständig bei den verschiedenen Schlachtereien beschäftigt, weit er von diesen Auftraggebern nicht persönlich abhängig sei. Wie seine Kollegen auf dem Schlachthof in Bremen sei er weder in den Betrieb dieser Auftraggeber eingegliedert, noch unterliege er deren Weisungen, vielmehr entscheide er mit den anderen Lohnschlachtern selbständig, wann und wie für den einzelnen Betrieb, dessen Auftrag er annehmen oder ablehnen könne, geschlachtet werde. Er schließe sonach mit den Firmen jeweils Werkverträge ab. Als Werkunternehmer müsse er der Direktion des Schlachthofs Schlachtgebühren und Platzmiete sowie Wassergeld zahlen. Auch trage er ein wirtschaftliches Risiko, weil seine Kunden wegen schlechter Schlachtarbeit oder rückläufiger Konjunktur jederzeit wegbleiben könnten. Gegen eine abhängige Beschäftigung spräche, schließlich noch, daß er weder Urlaub von seinen Arbeitgebern noch bei Arbeitslosigkeit Arbeitslosenunterstützung erhalte, ferner die steuerrechtliche Behandlung der Lohnschlacht er in Bremen.

Die Beklagte, die dem Kläger während des Revisionsverfahrens noch weitere Beitragsbescheide für die Jahre 1964 bis 1968 erteilte, beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–); sie ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens sind, wie auch die Vorinstanzen angenommen haben, sowohl der Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 1962 als auch der während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangene weitere Beitragsbescheid vom 10. Dezember 1964; zwar hat der letztgenannte Bescheid den früheren mit der Klage angefochtenen Bescheid nicht im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG „abgeändert oder ersetzt”, weil er die Beitragspflicht des Klägers für einen späteren Zeitraum regelt. § 96 Abs. 1 SGG ist jedoch auch auf Verwaltungsakte anzuwenden, die ein streitiges Dauerrechtsverhältnis für einen weiteren Zeitraum regeln, der sich an den von den angefochtenen Verwaltungsakten erfaßten Zeitraum anschließt (vgl. BSG, SozR Nr. 14 und 19 zu § 96 SGG). Dagegen sind die während des Revisionsverfahrens ergangenen Bescheide der Beklagten nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden (§ 171 Abs. 2 SGG).

Die Beklagte war auch zum Erlaß der angefochtenen Bescheide befugt. Zwar werden Beiträge, die für eine versicherungspflichtige Beschäftigungvom Arbeitgeber zu entrichten sind (§ 1396 Abs. 1 RVO), nach § 1399 Abs. 1 und 3 RVO von den Krankenkassen als Einzugsstellen erhoben. Da die Beklagte den Kläger aber zu den unständig Beschäftigten zählt und dieser Personenkreis die Beiträge nach § 1396 Abs. 2 RVO in der vor dem 1. Januar 1970 gültigen Fassung (vgl. Art. 5 § 3 Abs. 2 des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 28. Juli 1969)selbst in Form von Beitragsmarken entrichten mußte (§ 1405 Abs. 1 RVO), ist die Beklagte als der zuständige Rentenversicherungsträger zur Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht des Klägers für die streitigen Zeiträume berufen (vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts –BSG– vom 11. März 1970, SozR Nr. 10 zu § 1229 RVO).

Die Vorinstanzen haben, ebenso wie die Beklagte, den Kläger zu Recht als versicherungspflichtig in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) angesehen. Nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO werden in der Rentenversicherung der Arbeiter alle Personen versichert, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt sind. Arbeitnehmer sind auch diejenigen Personen, deren Beschäftigungsverhältnis nach der Natur der Sache auf weniger als eine Woche beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch den Arbeitsvertrag beschränkt ist (unständig Beschäftigte im Sinne von § 441 RVO). Da der Kläger für eine ständig wechselnde Vielzahl von Schlachtereibetrieben Leistungen ausführt und für den einzelnen Auftraggeber weniger als eine Woche zu arbeiten pflegt, kommt es darauf an, ob er dabei als Arbeitnehmer beschäftigt ist oder ob er etwa die einzelnen Schlachtungen – zusammen mit seinen Kollegen – als selbständiger Unternehmer aufgrund von Werkverträgen mit den einzelnen Schlachtereien durchführt. Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Sozialversicherung deckt sich zwar nicht mit dem Rechtsverhältnis auf Grund eines Dienst- oder Arbeitsvertrages; für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses sind nicht die rechtlichen, sondern die tatsächlichen Beziehungen zwischen dem Beschäftigten und seinem Arbeitgeber maßgebend (vgl. BSG 1, 115, 118; 13, 263, 264; SozR Nr. 51 zu § 165 RVO; Urteil des Senats vom 19. Juni 1969 – 11 RA 114/67 –); beide Rechtsverhältnisse fallen aber meist zusammen. Das wesentliche Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses ist die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber einem Arbeitgeber (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts –BSG–; vgl. z. B. auch BSG 16, 289, 293; 20, 6, 8; SozR Nr. 55 und Nr. 62 zu § 165 RVO, je mit weiteren Hinweisen). Bedeutsame Anhaltspunkte hierfür sind die Eingliederung des Arbeitenden in den Betrieb und das damit in aller Regel verbundene Direktionsrecht des Arbeitgebers. Für das letztere ist wiederum erheblich, ob der zur Arbeitsleistung Verpflichtete seine Tätigkeit im wesentlichen selbst bestimmen kann oder ob er hinsichtlich Zeit, Ort und Art seiner Arbeitsleistung an bestimmte Weisungen des Arbeitgebers gebunden ist. Die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers kann allerdings im Einzelfall tatsächlich und rechtlich sehr stark eingeschränkt sein. Die Arbeitsleistung bleibt in solchen Fällen trotzdem fremdbestimmt, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in dessen Dienst sie verrichtet wird. Weitere Kriterien für die Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind z. B. die Art der Vergütung der Arbeitsleistung, die steuerrechtliche Behandlung der Bezüge, das Vorhandensein oder Fehlen einer eigenen Betriebsstätte sowie insbesondere die wirtschaftliche und soziale Stellung des Dienstleistenden (vgl. dazu auch SozR Nr. 4 zu § 2 des Angestellten-Versicherungsgesetzes mit weiteren Beispielen; ferner Landmann-Rohmer-Eyermann-Fröhler, Kommentar zur Gewerbeordnung, 12. Aufl. 1969, Anm. 10, 19, 22, 23 zu § 14 Gewerbeordnung). In Grenzfällen kann nur eine Gesamtwürdigung aller Tätigkeitsmerkmale die Stellung des einzelnen im Berufsleben klären (vgl. u. a. BSG 11, 257, 260; SozR Nr. 55 zu § 165 RVO). Nach diesen Grundsätzen überwiegen die Umstände, welche für eine abhängige Arbeitsleistung des Klägers sprechen.

Als Arbeitgeber des Klägers scheiden zwar zunächst einmal die Direktion des Schlachthofs und die Arbeitsgemeinschaft, der der Kläger angehört, aus. Die Schlachthofverwaltung kommt als Arbeitgeber schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht sie, sondern der einzelne Schlachtereibetrieb die jeweiligen Schlachtungen veranlaßt; die Schlachthofverwaltung „beschäftigt” den Kläger sonach nicht (vgl. ebenso auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – in BStBl. 1965, Teil III, 185, 186, der jedoch auch ein „Abhängigkeitsverhältnis” der Lohnschlachter zu den Schlachtereien verneint und einen Werkvertrag angenommen hat). Die Schlachthofverwaltung erteilt den Kolonnen und Kolonnenmitgliedern lediglich die Erlaubnis, ihre Tätigkeit auf dem Schlachthof auszuüben; sie stellt ihnen zu diesem Zweck die baulichen und technischen Einrichtungen des Schlachthofs zur Verfügung (vgl. § 5 Abs. 2, § 42 Abs. 1 der Hausordnung), Die Verpflichtung der Kolonnenmitglieder, den Weisungen der Schlachthofverwaltung Folge zu leisten (§ 3 Abs. 1 der Hausordnung), ist im Rahmen der Anstaltsgewalt geregelt; sie kann nicht mit einer arbeitsrechtlichen Weisungsgebundenheit gleichgesetzt werden (ebenso auch Oberverwaltungsgericht Münster in OVGE 19, 261, 263, 264). Auch die Arbeitsgemeinschaft der Lohnschlachter ist nicht Arbeitgeber des Klägers oder der sonstigen Kolonnenmitglieder, der Kläger steht nicht „im Dienst” der Arbeitsgemeinschaft. Nach den Feststellungen des LSG handelt es sich bei den Bremer Lohnschlachtergruppen vielmehr rechtlich um sogenannte Eigengruppen; bei diesen haben sich Arbeiter (Angestellte), bevor sie in Arbeit treten, zu einer Gruppe (entweder als Gesellschaft oder als nicht rechtsfähiger Verein) zusammengeschlossen, und diese Vereinigung bietet sich – möglicherweise durch einen Gruppenobmann – dem Arbeitgeber zur Leistung an. In aller Regel ist jedoch als Wille der Beteiligten anzunehmen, daß ein Arbeitsvertrag zwischen den Gruppenmitgliedern und den Arbeitgebern hergestellt wird, weil das dem Grundgedanken des Arbeitsrechts als Arbeitnehmerschutzrecht entspricht (vgl. dazu Lammers in Wege zur Sozialversicherung, 1963, 327; Staudinger-Nipperdey-Mohnen-Neumann, Kommentar zum BGB, Bd. II Teil 3, 11. Aufl. Vorbemerkungen 273 bis 275 vor § 611; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., Bd. I, 229, 230). Dies gilt auch im vorliegenden Falle. Der Kläger schuldet – zusammen mit den übrigen Gruppenmitgliedern – den auftraggebenden Schlachtereien die Ausführung der ihm übertragenen Arbeit, seine Tätigkeit als solche, auch wenn diese wie hier auf einen Erfolg, nämlich das Schlachten bzw. Weiterverarbeiten des Schlachtviehs, gerichtet ist (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 20. Aufl., Einführung vor § 611, Anm. 1); als Inhalt seiner vertraglichen Verpflichtung ist jedoch nicht der Erfolg, das Ergebnis seiner Tätigkeit, sondern das „Tätigwerden” anzusehen, es handelt sich deshalb nicht um einen Werkvertrag. Der arbeitsrechtlichen Stellung des Klägers entspricht im vorliegenden Fall im wesentlichen auch die Ausgestaltung der tatsächlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und den Schlachtereien. Zwar ist – worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat – das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit bei den Kläger stark eingeschränkt, weil es an der räumlichen Eingliederung in den Betrieb der Arbeitgeber fehlt; das beruht jedoch allein darauf, daß infolge des in Bremen – wie auch an anderen Orten – geltenden Schlachthofzwanges (vgl. § 31 der Hausordnung) die Lohnschlachter ihre Arbeit auf dem Schlachthof verrichten müssen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG werden dem Kläger auch nur allgemeine Anweisungen zu den einzelnen Schlachtungen erteilt. Nähere Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeit sind jedoch hier aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen, weil die Schlachthofordnung (vgl. §§ 33 ff) die zeitliche und technische Durchführung der Schlachtungen im einzelnen vorschreibt (vgl. den insoweit ähnlich gelagerten Fall bei Fleischbeschauern, SozR Nr. 55 zu § 165 RVO). Für die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers kommt indessen gerade wegen der besonderen Ausgestaltung seiner Arbeit anderen Umständen entscheidende Bedeutung zu. Ein wichtiges Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist seine wirtschaftliche Stellung, die bei den Lohnschlachtern in Bremen weitgehend der von Metzgergesellen ähnelt, damit aber auch ihre Schutzbedürftigkeit durch die Rentenversicherung bedingt. Dabei kommt es auf die für die Lohnschlachtertypische Gestaltung ihrer beruflichen Stellung an; es ist unerheblich, ob etwa bei dem Kläger möglicherweise ein Schutzbedürfnis deshalb nicht besteht, weil seine Ehefrau ein Lebensmittelgeschäft betreibt und er nach seinem Vorbringen eine ausreichende Lebensversicherung abgeschlossen hat. Auch die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung, von der der Kläger Gebrauch gemacht hat, wird den typischen Fällen nicht gerecht, weil die freiwilligen Beiträge sich nicht nach der Höhe des Arbeitseinkommens richten (§ 1407 Abs. 2 Satz 2 RVO) und sehr oft – wie auch im Falle des Klägers – nur niedrige freiwillige Beiträge entrichtet werden, die für den Fall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, des Alters und des Todes auch nur zu einer unzulänglichen Sicherung führen würden. Der Kläger verfügt ferner ebenso wie die in Schlachtereibetrieben tätigen Metzgergesellen weder über eine eigene Betriebsstätte noch über eigenes Betriebskapital. Er benutzt vielmehr im wesentlichen die Betriebseinrichtungen des Schlachthofs. Daß er einiges Handwerkszeug selbst mitbringt und die Kolonne einige der Arbeitserleichterung dienende Geräte selbst angeschafft hat, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht; persönliches Handwerkszeug haben in gewissem Umfange auch andere Handwerker (z. B. Bauhandwerker). Für die Benutzung der Schlachthofeinrichtungen ist nicht der Kläger, sondern die jeweilige Schlachterei gebührenpflichtig (§ 6 Abs. 1 und 2 der Hausordnung). Die Behauptung des Klägers, er müsse die Schlachthofgebühren selbst bezahlen, mag zwar insoweit zutreffen, als die Lohnschlachtergruppe die anfallenden Beträge an die Schlachthofverwaltung abführt, doch sind die den Arbeitgeber treffenden Gebühren nach den Feststellungen des LSG bereits in der Schlachtvergütung enthalten. Der Kläger trägt somit kein eigenes Betriebsrisiko, vielmehr fallen im Ergebnis alle wesentlichen Unkosten der Schlachtungen den Schlachtereibetrieben zur Last. Für eine wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit spricht ferner, daß der Kläger Arbeitsleistungen nur für die den Schlachthof benutzenden Schlachtereibetriebe erbringen kann und daher nicht in der Lage ist, den Bestand seiner Auftraggeber durch eigene Bemühungen – wie dies einem Unternehmer möglich wäre – zu erweitern. Auf die Aufträge der Schlachtereien ist der Kläger wirtschaftlich angewiesen, wobei wegen der Eigenart der kurzfristigen unständigen Arbeit nicht auf den einzelnen Schlachtereibetrieb, sondern auf die Gesamtheit der Benutzer des Schlachthofs abzustellen ist. Daß der Kläger, wie er behauptet, Schlachtaufträge ablehnen könnte und daß Schlachtereien, etwa wegen schlechter Arbeitsleistung, „wegbleiben”, d. h. keine „Schlachtaufträge” mehr erteilen könnten, ändert nichts daran, daß es sich in den Fällen, in denen ein „Schlachtauftrag” erteilt und angenommen wird, um einen Arbeitsvertrag handelt und ein Beschäftigungsverhältnis entsteht. Die relativ niedrige Entlohnung des Klägers, die nicht wesentlich von der Entlohnung der ständig in einem Schlachtereibetrieb beschäftigten Schlachtergesellen abweicht, spricht ebenfalls für seine wirtschaftliche Abhängigkeit, damit aber auch für die Notwendigkeit des Schutzes durch die Rentenversicherung.

Schließlich ist noch die Heranziehung des Klägers zur Lohnsteuer zu berücksichtigen. Zwar ist die Frage, ob Arbeit in abhängiger Stellung geleistet wird, in erster Linie nach Sozialversicherungsrecht und nicht nach Steuerrecht zu beurteilen (vgl. BSG 15, 65, 69; 20, 6, 9); die Lohnsteuerpflicht ist aber als wesentliches Anzeichen für eine Arbeitnehmerstellung gleichwohl zu beachten (vgl. BSG 16, 286, 295; Verbandskommentar zur RVO, 6. Aufl., Bd. I, Anm. 8 zu § 1227; Koch-Hartmann-v.Altrock-Fürst, Kommentar zum AVG, 2. und 3. Aufl., § 2, Anm. B III 1; Jantz-Zweng, Das neue Recht der Arbeiter und Angestellten, 2. Aufl., § 1227, S. 45). Ob die Arbeitsgemeinschaften der Bremer Lohnschlachter au Recht zur Umsatz- und Lohnsummensteuer herangezogen werden, hat der Senat nicht zu entscheiden. Das Vorbringen des Klägers, daß er im Falle der Arbeitslosigkeit keine Ansprüche habe und gegen die Schlachtereien keinen Urlaubsanspruch geltend machen könne, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es ist zwar richtig, daß der Kläger aufgrund seiner Beschäftigung im Schlacht- und Viehhof Bremen einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (§§ 74 ff des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung –AVAVG–, seit 1. Juli 1969 §§ 100 ff des Arbeitsförderungsgesetzes –AFG–) nicht erwerben kann, weil in diesem Versicherungszweig unständig Beschäftigte versicherungsfrei bzw. beitragsfrei sind (§ 67 Abs. 1 AVAVG, § 169 Nr. 7 AFG); ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach den §§ 145 ff AVAVG, § 134 ff AFG wäre aber bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nicht ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Teilurlaub gegenüber dem einzelnen Schlachtereibetrieb kann hier nach § 5 des Bundesurlaubsgesetzes nicht entstehen, weil der Kläger jeden Monat für eine Vielzahl von Arbeitgebern, für keinen Arbeitgeber jedoch einen vollen Monat tätig wird (vgl. Dersch-Neumann, Kommentar zum Bundesurlaubsgesetz, 2. Aufl., Anm. 15 zu § 5). Die Natur einer „unständigen” Beschäftigung läßt jedoch die Einplanung der Urlaubszeit nach Übereinkunft der Kolonnenmitglieder zu; da die Vergütung von den Lohnschlachtern frei ausgehandelt wird, kann dabei auch eine arbeitsfreie Zeit mit einbezogen werden.

Bei Abwägung aller Tätigkeitsmerkmale ist der Kläger sonach als unständig beschäftigter Arbeitnehmer anzusehen; er unterliegt daher nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Arbeiter und hat nach § 1405 Abs. 1 RVO in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung selbst die vollen Beiträge durch Verwendung von Beitragsmarken zu entrichten. Nach § 1405 Abs. 3 RVO idF vor dem 1. Januar 1968 hat er gegen die Arbeitgeber Anspruch auf einen Beitragsanteil in Höhe von 7 v.H. des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts (seit 1. Januar 1968 in Höhe der Hälfte des Beitrags). Auch dieser Anspruch könnte dadurch verwirklicht werden, daß er in die Höhe der Vergütung, die von dem Kläger bzw. den Kolonnenmitgliedern mit den Schlachtereibetrieben ausgehandelt wird, einbezogen wird. Der Anspruch des Klägers gegen seine Arbeitgeber nach § 1405 Abs. 3 RVO ist jedoch nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, in dem angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 1962 (und möglicherweise in späteren Bescheiden) „als Ausgleich für die Tatsache, daß (der Kläger) die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung in voller Höhe selbst zahlen” müsse, das Bruttoeinkommen, das der Beitragsberechnung zur Rentenversicherung zugrunde gelegt ist, „pauschal um 10 % zu kürzen”; jedenfalls ist der Kläger durch diese Berechnungsweise in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten, der nach dem Urteil des LSG hinsichtlich der Höhe der geforderten Beiträge im übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, nicht beschwert.

Die vom Senat bestätigte Rechtsauffassung der Beklagten und der Vorinstanzen stimmt überein mit der Beurteilung ähnlich gelagerter Rechtsstreitigkeiten durch das Reichsversicherungsamt (vgl. AN 1911, 412; EuM 26, 540 bis 545; 27, 518, 519, ferner Entscheidung der Schiedsstelle beim Verband der deutschen Berufsgenossenschaften, EuM 35, 174 ff); sie wird auch von Lammers in „Wege zur Sozialversicherung” 1963, 327 ff und vom Bayerischen LSG in dem Urteil vom 30. Oktober 1968 (Breithaupt 1969, 385 ff) vertreten. Nur in einem Fall hat das Reichsversicherungsamt einen auf dem Schlachthof einer Großstadt tätigen Kopfschlacht er als selbständigen Unternehmer angesehen (EuM 34, 98 ff). Dort lagen die tatsächlichen Umstände aber deshalb anders als im vorliegenden Fall, weil der Kopfschlachter für seine Arbeit Gesellen beschäftigte, eigenes wertvolles Schlachtgerät benutzte, Schlachtraum und Kühlstelle auf dem Schlachthof selbst fest gemietet hatte und für sich ein den Lohn eines Gesellen weit übersteigendes Einkommen erzielte.

Nach allem ist die Revision des Klägers unbegründet; sie muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Haueisen, Heyer, Dr. Schwarz

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 15.10.1970 durch Giesler Reg. ObSekretär Schriftführer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI707657

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