Leitsatz (redaktionell)

1. Die auf einem Schlachthof tätigen Lohnschlachter (Kopfschlachter), die - jeweils in Gruppen zusammengeschlossen - Schlachtungen im Auftrag und für Rechnung der dortigen Schlachtereibetriebe durchführen, sind Arbeitnehmer der ihre Dienste in Anspruch nehmenden Auftraggeber und als solche unständig Beschäftigte iS des RVO § 441.

Die Vorschrift des RVO § 441 macht das Vorliegen einer unständigen Beschäftigung nicht davon abhängig, daß der Beschäftigte jeweils für verschiedene Arbeitgeber tätig wird.

Die bloße Aneinanderreihung unständiger Beschäftigungen desselben Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber begründet nicht ohne weiteres ein ständiges Beschäftigungsverhältnis.

2. An der Rechtsprechung, daß der Gemeinsame Erlaß vom 10.9.1944 die Versicherungsträger und Sozialgerichte nicht hindert, die Frage der Sozialversicherungspflicht unabhängig von der Entscheidung der Finanzbehörden über die Steuerpflicht und Steuerart (Lohnsteuer, Einkommensteuer) zu entscheiden, wird festgehalten.

 

Normenkette

RVO § 441; RFM/RAMErl 1944-09-10

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. November 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beklagte (AOK Schwenningen) verlangt, daß die Klägerin (Vieh und Fleisch GmbH) den Beigeladenen (Metzger B) als versicherungspflichtig Beschäftigten bei ihr anmelde (§ 317 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Dagegen meint die Klägerin, der Beigeladene sei nicht bei ihr beschäftigt, sondern selbständiger Gewerbetreibender.

Der Beigeladene arbeitete seit Oktober 1962 im Schlachthof S in einer Kopfschlächtergruppe von 9 Mann; Leiter der Gruppe war der Metzgermeister H. Die Klägerin betrieb in S eine "Schlachtstelle"; deren Geschäftsführer war der Metzgermeister M. Die Klägerin bezahlte die Schlachthofgebühren. M kaufte das Schlachtvieh ein. Die Klägerin gab die Aufträge zum Schlachten; welche Tiere zu schlachten waren, ergab sich aus einer Liste mit den Tiernummern, die der Geschäftsführer M dem Gruppenleiter H übergab. H nahm das Entgelt für die Schlachtungen - einen nach der Art des Schlachtviehs abgestuften Stücklohn - von der Klägerin für die Gruppe in Empfang und verteilte es an die Gruppenangehörigen, die gearbeitet hatten. Der Arbeitsablauf in der Gruppe wurde nach Besprechung der Gruppenmitglieder mit H untereinander aufgeteilt. Die Gruppe richtete sich bei der Ausführung der Schlachtungen nach den Wünschen der Klägerin. Die Schlachtgeräte gehörten teils den einzelnen Metzgern der Gruppe, teils dem Schlachthof; im übrigen hatte jeder Metzger der Gruppe sein eigenes Werkzeug, das er üblicherweise zum Arbeiten brauchte. Die Gruppe arbeitete in der Regel von Montag bis Donnerstag Vormittag für die Klägerin, am Montag auch für fremde Metzger. Die Arbeitszeit wurde durch die anfallende Arbeit bestimmt. Die Mitglieder der Gruppe erhielten keinen Urlaub. Sie konnten ohne Kündigung von einem Tag auf den anderen aufhören, gaben aber wegen Beschaffung einer Ersatzkraft dem Gruppenleiter vorher Bescheid. Außerdem arbeitet einzelne Mitglieder der Gruppe auch beim Verladen des Viehs für die Klägerin. Am Wochenende half der Beigeladene B von Zeit zu Zeit anderen Metzgern im Ladenverkauf oder im Winter auch bei Hausschlachtungen u. ä.. Er erzielte wöchentlich 120,- bis 200,- DM an Einkommen aus seiner Tätigkeit in der Kopfschlächtergruppe.

Die Beklagte richtete an die Klägerin den Bescheid vom 8. Oktober 1964 mit Rechtsbehelfsbelehrung: "Nachdem Herr B ... nur für Ihren Betrieb regelmäßig an 3 bis 4 Tagen in der Woche arbeitet und somit wirtschaftlich von Ihnen abhängig ist, stellen wir Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ab seiner Anstellung im Oktober 1962 fest. Wir bitten Sie erneut, Herrn B rückwirkend auf den Oktober 1962 bei uns anzumelden und die Nettolöhne ab 1962 zur Nachberechnung der Beiträge zur Sozialversicherung mitzuteilen".

Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.4.1967). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufgehoben; die Revision hat es zugelassen (Urteil vom 14.11.1969). Es hat im wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die Klägerin sei nicht verpflichtet, die von der Beklagten verlangte Meldung zu erstatten. Der Beigeladene B gehöre zu dem in § 165 der Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Personenkreis der versicherungspflichtig Beschäftigten; er sei ein unständig Beschäftigter im Sinne von §§ 441 ff RVO. Es liege ein Beschäftigungsverhältnis jeweils für die Dauer der wöchentlichen Schlachtungen vor, weil die Schlächter in dieser Zeit wie Arbeitnehmer in den Betrieb der Klägerin eingegliedert seien und die gesamten Umstände, unter denen sie ihre Tätigkeit für die Klägerin ausübten, den Beziehungen das Gepräge eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gäben. Vor allem wegen der Einflußnahme des Schlachtstellenleiters auf den gesamten Arbeitsablauf liege nicht nur eine Pauschalarbeitsanweisung vor, sondern eine weitgehend ins Einzelne gehende Weisungsgebundenheit (Hinweis auf EuM Bd. 26, 540). Außerdem verfüge die Klägerin über die Arbeitskraft der Schlächter bei den in ihren eigenen Bereich fallenden Verladungen. Demgegenüber träten die Umstände zurück, die für eine selbständige Gewerbeausübung sprechen könnten, wie Fehlen einer Urlaubsvereinbarung sowie die Zahlung einer Gesamtvergütung und ihre Verteilung durch die Gruppe in eigener Zuständigkeit. Das Fehlen eines Urlaubsanspruchs sei damit zu erklären, daß zwischen der Klägerin und den Lohnschlächtern nicht ein ständiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. Die Klägerin habe keinen Einfluß auf die wöchentliche Zusammensetzung der Gruppe und auch nicht darauf, daß der Beigeladene regelmäßig wöchentlich für sie tätig werde. Da die Schächtertätigkeit auf wenige Tage der Woche beschränkt gewesen sei und die Schlächter in gleicher Weise, wenn auch nicht im gleichen Umfang, auch für andere tätig gewesen seien, liege eine unständige Beschäftigung im Sinne des § 441 RVO vor.

Dem widerspreche nicht, daß der Beigeladene mit einer wöchentlich sich wiederholenden Tätigkeit für die Klägerin habe rechnen können; denn für die Klägerin habe - umgekehrt - nicht das Gleiche gegolten. Eine regelmäßige Wiederholung unständiger Beschäftigungen mache diese nicht zu einer ständigen (EuM Bd. 27,518). Bei unständig Beschäftigten sei der Arbeitgeber nach §§ 450, 453 RVO nicht zur Beitragszahlung an die Beklagte verpflichtet. Die Entgelte seien ihr nicht zu melden (§ 450 Abs. 1 RVO). § 317 RVO beziehe sich nicht auf unständig Beschäftigte (§§ 444, 449 RVO). Die Beiträge zur Rentenversicherung seien nicht vom Arbeitgeber zu entrichten und nicht von der Beklagten einzuziehen (§ 1396 Abs. 2, § 1400 Abs. 1 RVO). Ansprüche des Beigeladenen gegen die Klägerin nach § 1405 Abs. 3 RVO seien nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Als unständig Beschäftigter sei der Beigeladene in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei (§ 67 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG -).

Die Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte sieht §§ 317, 441 RVO als verletzt an. Sie bejaht wie das LSG ein unmittelbares Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen, hält diesen jedoch nicht für einen unständig Beschäftigten. Mit § 441 RVO seien nur kurzfristige, einem ständigen Wechsel unterworfene Beschäftigungen erfaßt. Angesprochen sei ein Personenkreis, der Lohnarbeit ohne festes Arbeitsverhältnis, bald hier, bald dort, verrichte, heute diese und morgen jene Arbeit leiste. Die Tätigkeit des Beigeladenen sei keinem solchen Wechsel des Arbeitgebers, der Arbeitsleistung und der Arbeitsdauer unterworfen. Die an jedem einzelnen Schlachttag ausgeübte Tätigkeit des Beigeladenen B stelle nicht eine jeweils in sich abgeschlossene Arbeitsleistung dar. B holte sich vielmehr seit Jahren regelmäßig an den Schlachttagen für die Klägerin zur Verfügung und werde dem stets wiederkehrenden Bedarf der Klägerin entsprechend zu Arbeitsleistungen herangezogen.

Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Sie führt sinngemäß aus, bei dem Beigeladenen B bestehe nicht die für ein Beschäftigungsverhältnis wesentliche persönliche Abhängigkeit. Sie habe keinen Einfluß auf die personelle Zusammensetzung der Gruppe. Ihr Schlachtstellenleiter M habe keinen Einfluß darauf, wer innerhalb der Schlächtergruppe eine bestimmte Arbeit ausführe; er habe keine Verfügungsgewalt über die Gruppenangehörigen. Ihre - der Klägerin - Einflußnahme sei nicht mehr als eine Pauschalarbeitsanweisung. Für die Unternehmereigenschaft der Gruppenmitglieder sprächen im einzelnen: Keine Pflicht der Gruppenmitglieder, ihre - der Klägerin - Anordnungen auszuführen, keine Vereinbarung einer Kündigungsfrist, Arbeit nicht in den Betriebsräumen der Klägerin, Benutzung eigener Arbeitsgeräte, keine Überwachung der Arbeitszeit, keine Urlaubsregelung, keine Fortzahlung im Krankheitsfall. Keine Vereinbarung einer festen Vergütung je Zeiteinheit, sondern Verdienst nach eigenem Arbeitseinsatz. Aber selbst bei Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses sei die Revision der Beklagten unbegründet, weil der Beigeladene B dann unständig Beschäftigter nach § 441 RVO sei. Ein ständiger Wechsel des Arbeitgebers sei nicht Voraussetzung für eine unständige Beschäftigung (Hinweis auf AN 1932, 22). Sie habe den Beigeladenen B nicht jahrelang zur Arbeitsleistung herangezogen; denn sie habe keinerlei Anspruch gegen ihn gehabt, daß er für sie tätig werde. Es sei ihr nicht bekannt gewesen, in welcher persönlichen Zusammensetzung die Schlächtergruppe jeweils wöchentlich antreten werde. Die Annahme, jede Partei habe das Beschäftigungsverhältnis - wenn man von einem solchen überhaupt sprechen wolle - jeder zeit ohne Kündigung lösen können, sei verfehlt; vielmehr habe es wöchentlich neu begründet werden müssen. Sie habe nicht Aufträge an den Beigeladenen B erteilt, sondern an eine Gemeinschaft unbestimmter Zusammensetzung. Ein ständiges Beschäftigungsverhältnis hätte von vornherein von beiden Beteiligten gewollt sein müssen.

Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA) teilt die Auffassung der beklagten AOK.

Die beigeladene Landesversicherungsanstalt (LVA) hat sich nicht geäußert.

Der Beigeladene B ist nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der beklagten AOK ist zulässig, aber nicht begründet.

Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Beigeladene B seine Tätigkeit für die Klägerin nicht als selbständiger Gewerbetreibender, sondern als ein Beschäftigter verrichtet und daß er ein unständig Beschäftigter ist. Seinen Ausführungen ist zu folgen.

Im Sozialversicherungsrecht kommt es darauf an, ob die tatsächliche Gestaltung der Beziehung zwischen dem Arbeitenden und dem, für den er tätig wird, die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 1227 Abs. Nr. 1 RVO, § 56 Abs. 1 AVAVG aufweist. Wenn dies zutrifft, ist der Arbeitende Beschäftigter im Sinne dieser Vorschriften der Sozialversicherungsgesetze, ohne daß es auf arbeitsrechtliche Vereinbarungen und Auffassungen der Beteiligten ankommt.

Ein wesentliches Merkmal eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist die persönliche Abhängigkeit des Arbeitenden von einem Arbeitgeber. Sie äußert sich vornehmlich in der organisatorischen Eingliederung des Arbeitenden in einen Betrieb und in dem damit in der Regel verbundenen Weisungsrecht des Arbeitgebers. Dabei ist die Einteilung der Arbeitszeit in dem Sinne von Bedeutung, ob der Arbeitende die Zeit seiner Arbeit frei wählen kann oder ob er dabei an die Weisung des Arbeitgebers gebunden ist. Dagegen ist die Überwachung der Arbeit durch den Arbeitgeber kein notwendiges Merkmal einer abhängigen Beschäftigung; vielmehr hängt die Selbständigkeit bei der Ausführung der Arbeit von den mehr oder weniger großen Fachkenntnissen des Arbeitenden ab, die vom Arbeitgeber für die Tätigkeit erwartet werden (vgl. das Urteil des Senats vom 1.3.1972 - 12/3 RK 43/69).

Hiernach war B bei seiner Arbeit im Rahmen der Kopfschlächtergruppe hinsichtlich Beginn und Ende der jeweiligen Schlachtarbeiten und der Art der abzuliefernden Fleischstücke an die Weisungen der Klägerin gebunden. Daß er die einzelnen Arbeiten bei den Schlachtungen selbständig durchführen mußte, beseitigt nicht seine persönliche Abhängigkeit von der Klägerin hinsichtlich Zeit und Ort seiner Tätigkeit und Art der aufzubereitenden Fleischstücke, sondern beruht darauf, daß er als Fachkraft - Metzger - in die Gruppe aufgenommen war. Die Klägerin hat mit der Anlieferung des Viehs in den Schlachthof Arbeitsplatz und Beginn der Schlachtarbeiten bestimmt. Insofern waren die Metzger dem von der Klägerin bestimmten zeitlichen Ablauf der Arbeit unterworfen.

Ein wesentliches Merkmal, das für die Eigenschaft als Beschäftigter und gegen die Tätigkeit als selbständig Gewerbetreibender spricht, ist das Fehlen eines eigenen wirtschaftlichen Unternehmerrisikos. Dem Beigeladenen B fehlte die den selbständigen Gewerbetreibenden eigene Kalkulation über den Wert des eigenen Einsatzes gegenüber dem Wert der vereinbarten Gegenleistung, wobei der selbständige Gewerbetreibende riskiert, daß der eigene Einsatz den Wert der Gegenleistung übersteigt und daß damit die eigene Tätigkeit zu einem Verlust führt, der sich im Geschäftsbetrieb des selbständigen Gewerbetreibenden auswirkt. Das Risiko jedes Arbeitenden, daß seine Leistung den Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber entspricht und daß er seine Tätigkeit verliert, wenn seine Arbeit nicht entspricht, ist nicht das gerade den selbständigen Gewerbetreibenden auszeichnende Unternehmerrisiko.

Die einzelnen Punkte, die die Klägerin für die Unternehmereigenschaft des Beigeladenen B anführt, sprechen nicht gegen dessen Beschäftigungseigenschaft. Der dargelegte Umfang der Weisungsbefugnis der Klägerin genügt für die Annahme der Beschäftigteneigenschaft. Daß die Arbeit nicht in eigenen Betriebsräumen der Klägerin durchgeführt wurde, ist hier nicht von Bedeutung; denn die Klägerin war durch Bezahlen der Schlachthofgebühren berechtigt, im Schlachthof für sich arbeiten zu lassen und hat der Schlächtergruppe diesen Arbeitsplatz zugewiesen. Die Benutzung eigenen Arbeitsgeräts ist auch bei beschäftigten, handwerklich Arbeitenden (z. B. im Baugewerbe) üblich. Daß die Klägerin die Arbeitszeit nicht nach festgelegten Uhrzeiten überwachte, steht nicht dem Umstand entgegen, daß sie durch die Anlieferung des von ihr bestimmten Viehs den Beginn der Schlachtarbeiten bestimmt hat und daß der Beigeladene B sich bis zur Anlieferung des Viehs in Arbeitsbereitschaft für die Klägerin hielt. Daß keine feste Vergütung pro Zeiteinheit zu leisten war, findet sich auch bei Beschäftigungsverhältnissen, wenn ein Leistungslohn vereinbart ist.

An der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß der Gemeinsame Erlaß vom 10. September 1944 (AN 1944, 281) die Versicherungsträger und Sozialgerichte nicht hindert, die Frage der Sozialversicherungspflicht unabhängig von der Entscheidung der Finanzbehörden über die Steuerpflicht und Steuerart (Lohnsteuer, Einkommensteuer) zu entscheiden, wird festgehalten (BSG 15, 65; 20, 6). Dafür spricht schon der Wortlaut in Teil I Satz 1 des Gemeinsamen Erlasses. Im übrigen sind die Ziele und Zwecke, die mit der gesetzlichen Versicherungspflicht und der Steuerpflicht verfolgt werden und die bei der Anwendung der Gesetze zu berücksichtigen sind, im Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht wesentlich verschieden.

Die Entscheidung des LSG, daß der Beigeladene B unständig Beschäftigter ist, entspricht der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 15.10.1970 - 11/12 RJ 412/67 = SozR Nr. 15 zu § 1227 RVO und vom 15.12.1971 - 3 RK 11/69 = SozR Nr. 6 zu § 441 RVO). Nach § 441 RVO ist unständig die Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch den Arbeitsvertrag beschränkt ist. Der zweite Fall des § 441 RVO scheidet hier aus, weil die Klägerin und der Beigeladene B keinen entsprechenden Arbeitsvertrag geschlossen haben, sondern von einer Tätigkeit des Beigeladenen B als selbständiger Gewerbetreibender ausgegangen sind. Hier liegt der erste Fall des § 441 RVO vor. Zwar waren in den genannten Entscheidungen vom 15. Oktober 1970 und 15. Dezember 1971 die Lohnschlächter für eine wechselnde Vielzahl von Schlachtereibetrieben tätig; doch verlangt eine unständige Beschäftigung nach der Begriffsbestimmung in § 441 RVO nicht, daß der Beschäftigte jeweils für verschiedene Arbeitgeber tätig wird. Eine Beschäftigung kann auch bei demselben Arbeitgeber nach der Natur der Sache jeweils auf weniger als eine Woche beschränkt sein und dies kann sich, ebenfalls nach der Natur der Sache, wiederholen. Das trifft zu, wenn Schlachtvieh nur an einigen Tagen der Woche im Schlachthof angeliefert wird. Dann können die Kopfschlächter notwendigerweise diese Schlachtarbeiten nur an einigen Tagen der Woche verrichten und nur dann, wenn Schlachtvieh angeliefert wird. Je nach dem jeweiligen Umfang der Geschäfte des Arbeitgebers kann sich dies mehr oder weniger häufig wiederholen. Zwar kann auch bei einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis die Arbeitsverpflichtung auf bestimmte Wochentage beschränkt sein. Doch ist dies hier nicht der Fall; denn es war nach der Sachlage nicht eine unbefristete Arbeitsverrichtung an bestimmten gleichbleibenden Tagen beabsichtigt, sondern nur eine Arbeitsleistung bei Anlieferung von Schlachtvieh und in dem sich jeweils daraus ergebenden Umfang. Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) hatte entschieden, daß die bloße Aneinanderreihung unständiger Beschäftigungen desselben Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber noch kein ständiges Beschäftigungsverhältnis ergibt (GE 4246 vom 11.11.1931 in AN 1932, 22). Es hat dabei auf den Willen der Vertragsparteien abgestellt. Auch bei der Beschäftigung eines Kopfschlächters auf dem Schlachthof durch eine Schlachtereifirma an den Schlachttagen hat das RVA unständige Beschäftigung angenommen, obwohl in dem entschiedenen Fall der Schlächter fast 3/4 Jahre bei derselben Firma tätig war; dabei war ausschlaggebend, daß der Schlächter von vornherein die Beschäftigung als eine unständige eingegangen war mit der Freiheit beider Vertragsparteien, am nächsten Schlachttag ein gleiches Vertragsverhältnis einzugehen oder nicht (EuM Bd. 27, 518).

Für eine unständige Beschäftigung spricht ferner, daß keine Kündigungsfrist, kein Urlaub und keine Fortzahlung einer Entschädigung im Krankheitsfall vereinbart war.

Aus der Annahme einer unständigen Beschäftigung folgt, daß die Klägerin nicht verpflichtet ist, den Beigeladenen B bei der Beklagten nach §§ 317, 1400 RVO zur Krankenversicherung und Arbeiterrentenversicherung anzumelden; denn der unständig Beschäftigte soll sich nach § 444 RVO selbst bei der nach § 442 RVO zuständigen Ortskrankenkasse zur Eintragung in das Mitgliederverzeichnis anmelden, bzw. die in § 444 Abs. 2 RVO genannten Stellen haben den Versicherungspflichtigen zu melden. Auch hat für die unständig Beschäftigten nach § 453 RVO der Gemeindeverband die Beitragsteile der Arbeitgeber zu zahlen. Infolgedessen ist die Klägerin nicht verpflichtet, Arbeitgeberanteile an die Beklagte abzuführen. Unberührt bleibt eine evtl. Zahlungsverpflichtung bei Umlegung von Beiträgen nach §§ 453, 454 RVO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670202

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