Leitsatz (amtlich)

Ausgangspunkt für die nach RKG § 46 Abs 2 ( = RVO § 1246 Abs 2) vorzunehmende Prüfung, auf welche Berufe ein Versicherter zumutbar verwiesen werden kann, ist die Bewertung seines "bisherigen" Berufs.

Bewertungsmerkmale für den bisherigen Beruf sind die Dauer und die Qualität der für diesen vorgeschriebenen oder üblichen Ausbildung, die Bedeutung dieses Berufs für den Betrieb und die an ihn zu stellenden besonderen Anforderungen.

Hat der Versicherte die für einen anderen als den "bisherigen" Beruf vorgeschriebene oder übliche Ausbildung durchlaufen, so kann diese auch dann nicht als Ausbildung für den "bisherigen" Beruf des Versicherten berücksichtigt werden, wenn dieser in der Regel von Versicherten ausgeübt wird, die vorher den ersteren Beruf erlernt und ausgeübt haben. Dagegen kann dieser Umstand bei der Bewertung der betrieblichen Bedeutung des Berufs und der an ihn zu stellenden besonderen Anforderungen berücksichtigt werden.

Wichtiges Indiz für die Bedeutung des bisherigen Berufs und der an ihn zu stellenden besonderen Anforderungen ist dessen tarifliche Einstufung; andere Umstände können zusätzlich berücksichtigt werden.

Der Reparaturhauerberuf ist nicht in die höchste Gruppe der Arbeiterberufe, deren Leitbild der Lehrberuf ist, sondern in die mittlere Gruppe der Arbeiterberufe, deren Leitbild der anerkannte Anlernberuf ist, einzuordnen.

 

Normenkette

RKG § 46 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 1963 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 4. Dezember 1961 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten des Verfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist, ob der Kläger berufsunfähig nach § 46 Abs. 2 Reichsknappschaftsgesetz - RKG - (= § 1246 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung - RVO -) ist.

Der 1903 geborene Kläger wurde 1917 als jugendlicher Arbeiter im Bergbau angelegt. 1921 wurde er Gedingearbeiter und 1922 Hauer. Diese Tätigkeit übte er bis 1930 aus. Anschließend war er arbeitslos. Von 1935 bis Oktober 1938 arbeitete der Kläger wiederum als Hauer. Dann gab er den Hauerberuf auf. Es konnte nicht festgestellt werden, daß er hierzu aus gesundheitlichen Gründen gezwungen gewesen ist. Er war bis März 1945 und später wieder von März 1946 bis April 1957 als Reparaturhauer tätig. Ab 1947 verrichtete er neben dieser Tätigkeit auch noch Dienst als Markscheider-Meßgehilfe (Kettenzieher). Von April 1957 bis 1960 arbeitete er als Bahnreiniger unter Tage und später als Kauenwärter.

Vom 1. April 1953 an bezog der Kläger Knappschaftssold und vom 1. Januar 1957 an Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG.

Am 29. Mai 1960 beantragte der Kläger die Gewährung der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit nach § 46 Abs. 2 RKG (= § 1246 Abs. 2 RVO). Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 4. August 1960 ab. Sie verwies den Kläger, ausgehend vom Beruf eines Reparaturhauers, auf leichtere Tätigkeiten der Lohngruppen IV und V über Tage, wie die eines Pförtners, Kauenwärters, Platzreinigers, Gartenarbeiters, Maschinenputzers und Markenausgebers. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers zurück. In den Gründen dieses Bescheides ist ausgeführt, es sei der Nachweis eines erzwungenen Berufswechsels von der Hauertätigkeit zur Reparaturhauertätigkeit nicht erbracht, so daß vom Beruf des Reparaturhauers auszugehen sei.

Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat mit Urteil vom 4. Dezember 1961 der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Kläger müsse bei seinem Berufsbild ebenso behandelt werden wie ein langjähriger Gedingearbeiter. Auf Tätigkeiten der Lohngruppen IV und V über Tage könne er daher im Rahmen von § 46 Abs. 2 RKG nicht verwiesen werden.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten durch Urteil vom 31. Oktober 1963 zurückgewiesen und hat die Revision zugelassen. Es ist der Auffassung, daß der Kläger seit dem 1. März 1960 Anspruch auf die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit hat. Er könne nur noch leichtere, einfache, ungelernte Arbeiten ohne besondere Verantwortung über Tage verrichten, wie sie in den Lohngruppen IV und V über Tage verzeichnet sind, nämlich die eines Pförtners, Kauenwärters, Platzreinigers, Gartenarbeiters, Wächters, Boten, Maschinenputzers und Markenausgebers. Auf solche Arbeiten, gleichgültig ob in knappschaftlichen oder nichtknappschaftlichen Betrieben, könne ein Hauer oder auch ein sonstiger gelernter Facharbeiter (gelernter Handwerker) im Rahmen von § 46 Abs. 2 RKG nicht verwiesen werden. Es liege kein Grund vor, den Kläger anders zu behandeln. Zwar habe er den Hauerberuf mit 35 Jahren aufgegeben, und es sei nicht erwiesen, daß er dies aus gesundheitlichen Gründen getan habe. Damit sei eine Lösung vom Beruf des Hauers gegeben. Dennoch sei der Kläger ein qualifizierter Facharbeiter geblieben, dem die einfachen Tätigkeiten eines ungelernten Arbeiters ohne besondere Verantwortung nicht zugemutet werden könnten. Der Einsatz als Reparaturhauer (Zimmerhauer, der selbständige Arbeiten ausführt) setze bergmännische Erfahrung voraus, wie sie im allgemeinen während der Hauertätigkeit erworben werde. Deshalb werde ein selbständig arbeitender Zimmerhauer in der Regel immer den normalen bergmännischen Werdegang über den Schlepper, Gedingeschlepper, Lehrhauer und Hauer durchlaufen haben. Die beruflichen Voraussetzungen bei einem Hauer und bei einem selbständig arbeitenden Zimmerhauer seien als gleichwertig zu betrachten und von der Qualifikation her komme ein Reparaturhauer dem Hauer gleich. Der Kläger müsse somit auch nach seinem Überwechseln von der Gedingehauertätigkeit zur Reparaturhauertätigkeit weiter als qualifizierter Facharbeiter angesehen werden.

Daß der Kläger von 1947 an neben seiner Tätigkeit als Reparaturhauer (selbständig arbeitender Zimmerhauer) auch als Markscheider-Meßgehilfe (Kettenzieher) eingesetzt worden ist, sei rechtlich bedeutungslos. Denn der Kläger sei weiterhin Reparaturhauer geblieben und als solcher bezahlt worden.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt Verletzung des § 46 Abs. 2 RKG durch das Berufungsgericht. Sie hält die Auffassung des Berufungsgerichts, der Reparaturhauer müsse bei Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 46 Abs. 2 RKG wie ein Hauer beurteilt werden, für unzutreffend. Ein Versicherter, der erkennbar einer bis dahin ausgeübten Berufstätigkeit nicht weiter nachgehen will und sich endgültig einer anderen Berufstätigkeit zuwendet, löse sich von seiner bisherigen Berufstätigkeit, so daß für ihn die bis dahin ausgeübte Tätigkeit als "bisheriger Beruf" im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 RKG ausscheide. Bei einer endgültigen Lösung von einer Berufstätigkeit könne diese nicht mehr Gegenstand der knappschaftlichen Versicherung sein. Als "bisheriger Beruf" im Sinne des § 46 Abs. 2 RKG habe mithin die Tätigkeit des Reparaturhauers zu gelten. Nur von diesem Beruf ausgehend, sei zu prüfen, auf welche Tätigkeiten der Versicherte zumutbar verwiesen werden könne. Ausschlaggebend für die Zumutbarkeit der noch als verweisbar in Betracht kommenden Arbeiten sei hiernach allein die Qualifikation des festgestellten Berufes. Weitere Erwägungen bezüglich früher verrichteter Tätigkeiten dürften in diese Prüfung nicht einbezogen werden. Die Hauertätigkeit dürfte aber als schwieriger und qualifizierter anzusehen sein als die des Reparaturhauers, was nicht zuletzt in der unterschiedlichen Entlohnung zum Ausdruck komme. Die soziale Stellung eines Versicherten werde im wesentlichen von der Höhe seines Einkommens aus der Hauptberufstätigkeit bestimmt. Der Reparaturhauer stehe jedoch lohnmäßig unstreitig unter dem Hauer, so daß beide bei Prüfung der Berufsunfähigkeit nach § 46 Abs. 2 RKG nicht gleichbehandelt werden könnten. Von Bedeutung sei vor allem, daß der Beruf des Reparaturhauers im Gegensatz zum Hauerberuf kein Lehrberuf sei. Zwar setze der Einsatz als Reparaturhauer bergmännische Erfahrungen voraus, wie sie im allgemeinen während der Hauertätigkeit erworben werden, jedoch sei der Aufstieg zum Reparaturhauer (selbständig arbeitenden Zimmerhauer) auch über den Hilfszimmerhauer ohne Nachweis einer Gedingetätigkeit möglich. Die Reparaturhauertätigkeit könne daher nach alledem nur als anerkannte Anlerntätigkeit angesehen werden. Hiervon ausgehend, spiele es dann hinsichtlich der Zumutbarkeit im Sinne des § 46 Abs. 2 RKG keine Rolle, auf welchem Weg diese Tätigkeit erreicht worden sei. Der Kläger dürfte hiernach zumindest auf die zur Lohngruppe IV über Tage gehörenden Arbeiten eines Markenausgebers, Magazinarbeiters u. ä. zu verweisen sein. Mit dem Übergang zu diesen Tätigkeiten, die nicht zu den Arbeiten einfachster Art (beispielsweise Reinigungsarbeiten oder Wächterdienste) zählten, sei für einen angelernten Arbeiter kein wesentlicher sozialer Abstieg verbunden.

Sie beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 1963 und das Urteil des SG Duisburg vom 4. Dezember 1961 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend; die Rügen der Beklagten griffen nicht durch. Wenn die Beklagte insbesondere der Auffassung sei, für die Verweisbarkeit sei allein die Qualifikation des festgestellten Berufs ausschlaggebend und es dürften keine weiteren Erwägungen bezüglich früher verrichteter Tätigkeiten berücksichtigt werden, so sei dies nicht zutreffend. In der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. März 1966 (SozR Nr. 15 zu § 46 RKG) sei bei einem Wettermann zu Recht berücksichtigt worden, daß er vorher Hauer gewesen sei.

Durch Bescheid vom 14. Juli 1964 hat die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 1. August 1963 das vorzeitige Knappschaftsruhegeld zuerkannt.

II

Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit nicht zu, weil er nicht berufsunfähig nach § 46 Abs. 2 RKG (= § 1246 Abs. 2 RVO) ist. Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß der bisherige Beruf des Klägers im Sinne von § 46 Abs. 2 RKG der des Reparaturhauers ist. Denn von dem früheren Beruf des Hauers hat sich der Kläger gelöst, weil er ihn im Jahre 1938 aufgegeben hat, und es kann nicht festgestellt werden, daß er hierzu aus gesundheitlichen Gründen gezwungen gewesen ist.

Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, wenn es bei der Prüfung, auf welche Tätigkeiten ein Reparaturhauer nach § 46 Abs. 2 RKG verwiesen werden kann, den Beruf des Reparaturhauers dem des Hauers gleichbewertet hat. Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 RKG kann ein Versicherter auf Tätigkeiten - zu deren Verrichtung er gesundheitlich und nach seinen beruflichen Fähigkeiten in der Lage ist - verwiesen werden, die "ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können". Um die Frage, auf welche Tätigkeiten der Versicherte hiernach im Einzelfall verwiesen werden kann, entscheiden zu können, muß als erstes geklärt werden, wie der bisherige Beruf des Versicherten zu bewerten ist. Da es sich bei der Rente nach § 46 RKG, wie schon ihr Name besagt, um eine Berufsunfähigkeitsrente handelt, bei welcher die Fähigkeit des Versicherten, seinen Beruf und zumutbare andere Berufe verrichten zu können, Gegenstand der Versicherung ist, kommt es bei der Abgrenzung der zumutbaren Berufe auf den objektiven Wert des bisherigen Berufs einerseits und auf den objektiven Wert der Verweisungsberufe andererseits an. Nach § 46 Abs. 2 RKG sind für die Bewertung des bisherigen Berufs des Versicherten drei Bewertungsmerkmale zu berücksichtigen: Dauer und Umfang der Ausbildung, der Beruf des Versicherten und die an diesen Beruf zu stellenden besonderen Anforderungen. Das Bewertungsmerkmal der "Dauer und des Umfangs der Ausbildung" hat zum Inhalt die Dauer und die Qualität der für den bisherigen Beruf vorgeschriebenen oder üblichen Berufsausbildung. Das Bewertungsmerkmal des "Berufs" hat die Bedeutung des Berufs zum Inhalt, den dieser in den Augen der Umwelt und das heißt praktisch, den dieser für den Betrieb hat. Das Bewertungsmerkmal der an diesen Beruf zu stellenden besonderen Anforderungen hat zum Inhalt, daß darüber hinausgehende besondere Anforderungen an den Beruf zusätzlich zu bewerten sind.

Entsprechend der amtlichen Einteilung der Berufe geht die Rechtsprechung des BSG dahin, die Arbeiterberufe in die Gruppen der Lehrberufe, der anerkannten Anlernberufe und der ungelernten Tätigkeiten einzuteilen. Diese Einteilung erleichtert die Beurteilung und Einordnung der mannigfachen Berufsarten. Sie bedeutet aber nicht, daß andere Bewertungsgesichtspunkte unberücksichtigt zu bleiben hätten.

Das erste dieser Bewertungsmerkmale, die Dauer und die Qualität der Ausbildung, würde für sich allein im vorliegenden Fall keine Bewertung der Reparaturhauertätigkeit über die einer ungelernten Tätigkeit hinaus zulassen. Denn der Reparaturhauerberuf ist weder ein Lehrberuf noch ein anerkannter Anlernberuf; es gibt keine Ausbildung zum Beruf des Reparaturhauers. Es ist zwar richtig, daß in der Regel Hauer, die ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können, zur Tätigkeit des Reparaturhauers überwechseln. Damit aber wird die für den Hauerberuf vorgeschriebene Lehre nicht zu einer Ausbildung für den Reparaturhauerberuf. Dem Berufungsgericht schwebt wohl der Gedanke vor, daß der Reparaturhauer, der früher die Hauerlehre oder eine ersatzweise zugelassene, gleichzubewertende Kurzausbildung zum Hauer durchlaufen hat oder der zumindest durch langjährige vollwertige praktische Ausübung des Hauerberufes den Status des gelernten Hauers erlangt hat, eine Ausbildung genossen hat, die auch bei der Bewertung des Reparaturhauerberufes mit zu berücksichtigen wäre. Eine solche Auffassung ist aber nicht zutreffend. Da es sich, wie bereits ausgeführt, im Rahmen des § 46 Abs. 2 RKG darum handelt, den objektiven Wert des bisherigen Berufs mit dem objektiven Wert der in Frage kommenden Verweisungsberufe zu vergleichen, kann es nur auf den für den bisherigen Beruf vorgeschriebenen oder einen diesem gleichzusetzenden Ausbildungsgang, nicht aber darauf ankommen, ob der Versicherte eine Ausbildung für einen anderen Beruf durchlaufen hat. Wenn in § 46 Abs. 2 Satz 2 RKG von "seiner" Ausbildung, d. h. von der Ausbildung des Versicherten die Rede ist, so ist hierunter aus den oben angeführten Gründen die auf den bisherigen Beruf des Versicherten bezogene, für diesen vorgeschriebene oder übliche Ausbildung zu verstehen. Die Ausbildung des Klägers für den Beruf des Hauers ist daher jedenfalls in diesem Rahmen für den Beruf des Reparaturhauers ohne Bedeutung, kann jedoch bei der Bewertung des Reparaturhauerberufs für den Betrieb und der an diesen zu stellenden besonderen Anforderungen gegebenenfalls berücksichtigt werden. Hierauf wird jedoch erst später einzugehen sein.

Der Kläger beruft sich nun auf das Urteil des erkennenden Senats vom 25. März 1960 - 5 RKn 13/64 (SozR Nr. 15 zu § 46 RKG), in welchem ein Wettermann in die höchste Gruppe der Arbeiterberufe, für welche der Lehrbetrieb Leitbild ist, eingeordnet worden ist. Der Kläger bedenkt jedoch nicht, daß für den Wettermann, anders als für den Reparaturhauer, auf Grund einer Dienstanweisung des zuständigen Oberbergamts eine besondere, wenn auch nur kurze Ausbildung mit Abschlußprüfung vorgeschrieben ist. Diese Ausbildung war in dem oben angeführten Fall zu berücksichtigen. Die Einteilung der Berufe in Lehrberufe, anerkannte Anlernberufe und ungelernte Tätigkeiten schließt nicht aus, Berufe, die keine abgeschlossene Lehre und kein anerkanntes Anlernverhältnis voraussetzen, doch in die höchste bzw. die mittlere Gruppe der Arbeiterberufe einzuordnen, wenn sie eine vorgeschriebene oder betrieblich bzw. außerbetrieblich übliche andersartige gleichwertige Ausbildung voraussetzen. Denn der Lehrberuf bzw. der anerkannte Anlernberuf sind nur das Leitbild für die höchste bzw. die mittlere Gruppe der Arbeiterberufe. Wenn man auch die für den Wettermann vorgesehene kurze Ausbildung, selbst unter Berücksichtigung dessen, daß nur derjenige für eine solche Ausbildung zugelassen wird, der bereits den Hauerschein besitzt, also eine Ausbildung zum Hauer durchlaufen hat, nicht einer Lehre gleichstellen kann, so ist sie doch immerhin geeignet, zusammen mit der betrieblichen Bedeutung des Berufs eines Wettermanns und der Bedeutung der besonderen Anforderungen, die an ihn gestellt werden, die Einordnung dieses Berufs in die höchste Gruppe der Arbeiterberufe zu rechtfertigen. Bei dem Reparaturhauer dagegen kann das Merkmal der Ausbildung keine Bedeutung haben, weil es weder eine vorgeschriebene noch eine übliche Ausbildung zum Reparaturhauer gibt.

Neben der Ausbildung ist, wie bereits ausgeführt, die Bedeutung des bisherigen Berufs für den Betrieb für die Einordnung dieses Berufs im Rahmen des § 46 Abs. 2 RKG maßgebend. Daneben sind noch die besonderen Anforderungen, die an den Beruf gestellt werden, Bewertungsmerkmal nach § 46 Abs. 2 Satz 2 RKG, wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde. Wichtiges Indiz für die Frage, welche Bedeutung der Beruf für den Betrieb und welchen Wert die an ihn zu stellenden besonderen Anforderungen haben, ist die tarifliche Einstufung dieses Berufs, da in ihr am besten zum Ausdruck kommt, wie die beteiligten Bevölkerungskreise den Wert eines Berufes einschätzen. Allerdings können insoweit auch andere Umstände als die tarifliche Einstufung Bedeutung haben und zu einer abweichenden Einordnung im Sinne des § 46 Abs. 2 RKG führen. Die Reparaturhauertätigkeit ist in Lohngruppe I u. T. der Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau ohne Zuschlag und daher niedriger als die Hauertätigkeit und die praktisch für den Untertagebergbau in Frage kommenden Handwerkerberufe eingestuft. Wenn auch der Unterschied in der tariflichen Einstufung des Reparaturhauers gegenüber den praktisch für den Untertagebergbau in Betracht kommenden gelernten Handwerkern nicht immer erheblich gewesen ist, so ist er mit der Zeit doch größer geworden, so daß eine klare Tendenz in Richtung auf eine wesentlich unterschiedliche Bewertung zu erkennen ist. In der heute geltenden Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Bergbau beträgt der Gedingerichtsatz für den Hauer 33,74 DM, und der gelernte Grubenhandwerker ist in Lohngruppe I a mit einem Tariflohn von 29,33 DM eingestuft. Dagegen ist der Reparaturhauer nur in Lohngruppe I mit einem Lohn von 27,10 DM eingestuft. Wie bereits ausgeführt, ist es zwar richtig, daß auch andere Umstände als die tarifliche Einstufung für die Bedeutung eines Berufs und die an ihn zu stellenden Anforderungen maßgebend sein können, doch ist nichts dafür ersichtlich, daß bei der tariflichen Einstufung des Reparaturhauers in die Lohngruppe I u. T. die für diesen Beruf erforderlichen bergmännischen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht ausreichend berücksichtigt worden wären. Weder das Merkmal der Ausbildung noch das Merkmal der Bedeutung des Berufs für den Betrieb, noch besondere an diesen Beruf zu stellende Anforderungen können daher allein oder zusammen zu einer Einordnung des Reparaturhauerberufes in die höchste Gruppe der Arbeiterberufe führen. Dagegen bestehen keine Bedenken, den Reparaturhauerberuf in die mittlere Gruppe der Arbeiterberufe einzuordnen. Wenn auch für den Reparaturhauerberuf keine Ausbildung vorgeschrieben oder üblich ist, so daß das Merkmal der Ausbildung noch nicht einmal eine Einordnung in die mittlere Gruppe der Arbeiterberufe gestatten würde, so sind doch die Bedeutung des Reparaturhauerberufes für den Betrieb und die an ihn zu stellenden besonderen Anforderungen so hoch einzuschätzen, daß er auch ohnedies, wie es zudem seiner lohnmäßigen Einstufung entspricht, in die mittlere Gruppe der Arbeiterberufe eingeordnet werden muß. Der Wettermann, auf dessen Einordnung sich der Kläger beruft, ist zwar auch nur in Lohngruppe I u. T. eingestuft, doch ist die Tätigkeit des Wettermanns für die Gesundheit und das Leben der Bergleute und die Sicherheit der Grubenbaue darüber hinaus von einer besonderen Bedeutung. Dies rechtfertigt die Einordnung dieses Berufs in die höchste Gruppe der Arbeiterberufe. Dagegen liegen bei dem Reparaturhauerberuf solche Besonderheiten nicht vor.

Da der Kläger in die mittlere Gruppe der Arbeiterberufe einzuordnen ist, muß er sich auf andere Berufe dieser Gruppe und auf Tätigkeiten der unteren Gruppe der Arbeiterberufe, deren Leitbild die ungelernte Tätigkeit ist, verweisen lassen, soweit es sich bei diesen nicht um die einfachsten ihrer Art handelt. Der Kläger kann nach den nicht angegriffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts nach seinem Gesundheitszustand und seinen beruflichen Fähigkeiten u. a. noch Tätigkeiten der Lohngruppe IV ü. T., wie z. B. die des Markenausgebers, verrichten. Da es sich bei dieser Tätigkeit nicht um eine ganz einfache ungelernte Tätigkeit handelt, ist die Verweisung des Klägers auf diese Tätigkeit im Rahmen des § 46 Abs. 2 RKG möglich. Daher ist der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne des § 46 Abs. 2 RKG, so daß ihm ein Anspruch auf Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit nach § 46 RKG nicht zusteht.

Die Revision der Beklagten ist somit begründet. Das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Duisburg vom 4. Dezember 1961 sind daher aufzuheben; die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 186

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