Leitsatz (redaktionell)

1. Nach ArbGG § 26 ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer, der ehrenamtlicher Richter an einem Arbeitsgericht ist, zu gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltungen für ehrenamtlichen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit freizustellen, soweit sich diese Inanspruchnahme in angemessenen Grenzen hält und die Schulungsveranstaltung für die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter sachdienlich erscheint.

2. Eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht in diesen Fällen jedoch weder nach richterrechtlichen Bestimmungen noch nach dem Grundgesetz.

3. Im Manteltarifvertrag für Arbeiter der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden vom 1973-10-20 haben die Tarifvertragsparteien BGB § 626 Abs 1 wirksam abbedungen und modifiziert. Lohnzahlungspflicht soll danach nur in den im Tarifvertrag selbst genannten Fällen bestehen. Für Zeiten der Teilnahme des Arbeiters an einer gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltung für ehrenamtliche Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit besteht danach keine Pflicht zur Lohnzahlung.

 

Normenkette

GG Art. 48, 97; TVG § 1; BGB § 616; DRiG § 45; BetrVG § 37; EhrRiEntschG § 8; ArbGG § 31 Fassung: 1979-07-02, § 26 Fassung: 1979-07-02, § 28 Fassung: 1979-07-02, § 21 Fassung: 1979-07-02

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 13.09.1979; Aktenzeichen 4 Sa 50/79)

ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 09.03.1979; Aktenzeichen 2 Ca 494/78 C)

 

Tatbestand

Der der Industriegewerkschaft Metall angehörende Kläger steht seit mehreren Jahren als Arbeiter in den Diensten der Beklagten, die ihrerseits dem Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. angeschlossen ist. Am 12. Oktober 1978 nahm der Kläger, der ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht ist, an einer vom Deutschen Gewerkschaftsbund, Kreis H, veranstalteten Schulung für ehrenamtliche Richter der Arbeitnehmerseite teil, bei der die Themen

1. Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen wegen Übertragung der Arbeit auf Fremdunternehmen und

2. Probleme im Zusammenhang mit § 613 a BGB

behandelt wurden. Die Schulungsveranstaltung dauerte von 9 bis 16 Uhr. Die Beklagte gewährte dem Kläger hierfür Arbeitsfreistellung, weigert sich jedoch, ihm für diesen Tag sein Arbeitsentgelt in Höhe von 80,40 DM brutto zu zahlen.

Mit seiner am 8. Dezember 1978 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch genommen. Er hat ausgeführt, die bestehenden tariflichen Vorschriften seien auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Sie schlössen aber auch die Anwendung von § 616 Abs. 1 BGB nicht aus. Hiernach sei die Klageforderung begründet. Am Tage der Schulungsveranstaltung sei er ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert gewesen. Dabei habe es sich auch nur um eine kurzzeitige Verhinderung gehandelt. Jedenfalls aber müsse die Beklagte ihm sein Arbeitsentgelt nach den Grundsätzen des § 26 ArbGG sowie des § 8 EhrRiEG zahlen. Der Fortbildungsveranstaltung, an der er teilgenommen habe, komme die gleiche Bedeutung zu wie der Teilnahme an den Sitzungen des Arbeitsgerichts. Deswegen müsse er auch in beiden Fällen gleichermaßen entschädigt werden. Hierfür spreche auch das berechtigte und große Interesse der Allgemeinheit an sachkundigen ehrenamtlichen Richtern. Falls ihm für die Dauer seiner Teilnahme an derartigen Schulungsveranstaltungen sein Arbeitsentgelt nicht fortgezahlt werde, werde er in gesetzes- und sogar verfassungswidriger Weise im Zusammenhang mit der Ausübung seines ehrenamtlichen Richteramtes benachteiligt. Demgemäß hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 80,40 DM brutto nebst 4 v.H. Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 8. Dezember 1978 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, der einschlägige Tarifvertrag habe § 616 Abs. 1 BGB abbedungen und modifiziert. Für Fälle wie den vorliegenden bestehe danach keine Entgeltzahlungspflicht. Die Klageforderung wäre aber auch dann nicht begründet, wenn § 616 BGB anzuwenden wäre, da es sich bei der Schulungsveranstaltung für ehrenamtliche Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht um einen typischen personenbezogenen Verhinderungsfall im gesetzlichen Sinne handele. Zudem habe für den Kläger eine durch Rechtsnormen vorgeschriebene Pflicht zur Teilnahme an der Schulungsveranstaltung nicht bestanden. Derartige Veranstaltungen könnten auch an arbeitsfreien Tagen sowie in den Nachmittags- und Abendstunden durchgeführt werden. Vorschriften des ArbGG oder des EhrRiEG könnten zur Begründung der Klageforderung weder unmittelbar noch entsprechend herangezogen werden. Aus diesen Vorschriften könne allenfalls eine Leistungspflicht des Staates hergeleitet werden.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Abweisung der Klage. Für das Klagebegehren gibt es keine Rechtsgrundlage.

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, als Anspruchsgrundlage komme § 616 Abs. 1 BGB in Betracht. Alle danach erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt. Zwar könne diese gesetzliche Bestimmung tariflich abbedungen werden. Abschließend sei das jedoch vorliegend nicht geschehen. § 616 Abs. 1 BGB sei auch dann anzuwenden, wenn ein Arbeitnehmer wie vorliegend der Kläger wegen der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung als ehrenamtlicher Richter an der Arbeitsleistung verhindert sei.

Dieser Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden. Entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts kommt § 616 Abs. 1 BGB vorliegend als Anspruchsgrundlage für die Klageforderung nicht in Frage. Zwar geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, daß die Geltung dieser Gesetzesnorm tarifvertraglich abbedungen und modifiziert werden kann (vgl. die Urteile des BAG vom 20. Juni 1979 - 5 AZR 392/78 -, AP Nr. 51 zu § 616 BGB; BAG 9, 179, 181 = AP Nr. 23 zu § 616 BGB sowie BAG 3, 190, 192 = AP Nr. 8 zu § 616 BGB; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Band I, § 44 III 1 f,S. 339; Nikisch, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 3. Aufl., § 43 II 9,S. 622; Staudinger/ Nipperdey/Mohnen, BGB, 11. Aufl., § 616 Rz 65 ff. mit weiteren Nachweisen). Das Landesarbeitsgericht übersieht jedoch, daß die Tarifvertragsparteien auch mit entsprechender rechtlicher Auswirkung für den vorliegenden Fall in erschöpfender Weise von dieser rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, wie die Revision zutreffend bemerkt.

Aufgrund von den Vorinstanzen festgestellter beiderseitiger Tarifbindung galt zwischen den Parteien gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG normativ und zwingend zur Zeit der Entstehung der Klageforderung der Manteltarifvertrag für Arbeiter der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden vom 20. Oktober 1973 (MTV). Einleitend wird in § 6 dieses Tarifvertrages unter der Überschrift "Arbeitsausfall, Arbeitsverhinderung, Arbeitsunfähigkeit" bestimmt:

"Soweit dieser Manteltarifvertrag oder ein Gesetz nichts anderes bestimmen, gelten von dem Grundsatz, daß nur geleistete Arbeit einschließlich Arbeitsbereitschaft bezahlt wird, folgende Ausnahmen:"

Demgemäß wird zunächst in § 6.1 MTV der Arbeitsausfall bei Betriebsstörungen geregelt, während es danach zu den in der Person des Arbeitnehmers liegenden Verhinderungsgründen in § 6.2 MTV heißt:

"Arbeitsverhinderung

Bei notwendig werdendem Ausfall von regelmäßiger täglicher Arbeitszeit wird der Lohn ohne Anrechnung auf den Jahresurlaub unter Freistellung von der Arbeit fortgezahlt für

6.2.1 3 Arbeitstage

beim Tod des Ehegatten

6.2.2 2 Arbeitstage

bei eigener Eheschließung,

beim Tode eigener Kinder;

6.2.3 1 Arbeitstag

bei Niederkunft der Ehefrau,

beim Tode eines Elternteils oder

Schwiegerelternteiles

bei Wohnungswechsel, soweit ein

eigener Hausstand besteht,

bei Teilnahme an der Trauung oder

Hochzeitsfeier der eigenen Kinder;

6.2.4

die notwendig ausgefallene Arbeitszeit

für Arztbesuch und

ärztlich verordnete Behandlung,

die aufgrund ärztlichen Befundes

unbedingt während der Arbeitszeit

erfolgen mußte;

6.2.5

die notwendig ausgefallene Arbeitszeit

bei Erfüllung staatsbürgerlicher

Pflichten, denen

sich der Arbeiter kraft Gesetzes

während der Arbeitszeit nicht

entziehen kann, sofern in diesem

Fall kein Anspruch auf Vergütung

des Lohnausfalls besteht;

6.2.6

die notwendig ausgefallene Arbeitszeit

für Betriebsunfälle

am Unfalltag;

6.2.7

die notwendig ausgefallene Arbeitszeit

bei unverschuldeter

Vorladung vor eine Behörde, sofern

in diesem Fall kein Anspruch

auf Vergütung des Lohnausfalls

besteht;

6.2.8

die notwendig ausgefallene Arbeitszeit

für Anzeigen auf dem

Standesamt, die persönlich vorgenommen

werden müssen .......

Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Lohnes muß in zeitlichem Zusammenhang mit dem Anlaß stehen."

Nach den allgemeinen Grundsätzen der Tarifauslegung ist die einleitende Bestimmung in § 6 MTV dahin auszulegen, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien grundsätzlich nur geleistete Arbeit und dieser aus Rechtsgründen gleichzuachtende Arbeitsbereitschaft vergütet werden sollen, während Ausnahmen von diesem Grundsatz nur dann und insoweit gelten sollen, als zwingende gesetzliche oder in dem MTV selbst enthaltene tarifliche Bestimmungen dies vorsehen. Hierfür sprechen der eindeutige Tarifwortlaut, der Sinn und Zweck der Tarifnorm sowie der tarifliche Gesamtzusammenhang. Zugleich folgt damit der Senat auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Rechtslehre in der Auslegung von Tarifnormen ähnlicher Fassung (vgl. BAG 3, 190, 192 = AP Nr. 8 zu § 616 BGB; Hueck/ Nipperdey, aaO, § 44 III 1 f,S. 339; Nikisch, aaO, § 43 II 9,S. 622; Staudinger/Nipperdey/Mohnen, aaO, § 616 Rz 67 ff.). Demgemäß haben die Tarifvertragsparteien, wie die Revision zutreffend folgert, mit der einleitenden Bestimmung des § 6 MTV § 616 Abs. 1 BGB rechtswirksam abbedungen mit der Folge, daß - von gesetzlichen Bestimmungen abgesehen - eine Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers nur dann und insoweit bestehen soll, als der MTV sie seinerseits ausdrücklich vorsieht.

Demgemäß käme eine Entgeltzahlungspflicht der Beklagten vorliegend nur in Betracht, wenn sie aus § 6.2 MTV hergeleitet werden könnte. Das ist jedoch nicht der Fall. Dabei ist von dem inneren Zusammenhang der tariflichen Bestimmungen des Einleitungssatzes und des § 6.2 MTV auszugehen. Demgemäß regelt entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts § 6.2 MTV erschöpfend die in der Person des Arbeitnehmers liegenden Verhinderungsgründe, welche Ursache sie im einzelnen auch haben mögen. Das gilt auch für den speziellen Bereich der Erledigung staatsbürgerlicher Pflichten, der Vorladung vor Behörden und notwendiger Anzeigen beim Standesamt, wie sich im einzelnen aus § 6.2.5, § 6.2.7 und § 6.2.8 MTV ergibt. Hiervon kommt vorliegend nur § 6.2.5 MTV in Betracht, wonach "bei Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten" für die notwendig ausgefallene Arbeitszeit Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht, sofern der Arbeiter sich "kraft Gesetzes" dieser Pflicht während der Arbeitszeit nicht entziehen kann und nicht ein Anspruch auf Vergütung des Lohnausfalls gegen einen Dritten besteht.

Zwar wird der Begriff der "staatsbürgerlichen Pflichten" im Umgangsdeutsch für zahlreiche Pflichten verwendet, die dem Bürger obliegen (Schulpflicht, Wahlpflicht, Wehrpflicht, Zeugenpflicht usw.). Einen allgemeinen Rechtsbegriff dieses Inhalts gibt es außerhalb seiner spezifischen Bedeutung in Art. 33 Abs. 1 GG jedoch im staatlichen Gesetzesrecht nicht. Gleichwohl ist anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien hierzu auch die besonderen Pflichten eines Arbeiters zählen, der nach Maßgabe der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen als ehrenamtlicher Richter bei einem staatlichen Gericht tätig ist und während der Arbeitszeit zur Ausübung seines Amtes, insbesondere zum gerichtlichen Sitzungsdienst, herangezogen wird. Dafür spricht auch, daß gerade in diesen Fällen die von den Tarifvertragsparteien in § 6.2.5 MTV ausdrücklich erwähnte Vergütungspflicht der Staatskasse nach § 8 EhrRiEG eingreift. Auch insoweit haben die Tarifvertragsparteien jedoch die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers auf die Erfüllung derjenigen Pflichten beschränkt, die ein Gesetz zwingend vorschreibt. Hierzu gehört zwar der Sitzungsdienst eines ehrenamtlichen Richters bei einem Arbeitsgericht oder einem sonstigen staatlichen Gericht, da es hierfür jeweils eine gesetzliche Grundlage gibt (z.B. für das arbeitsgerichtliche Verfahren § 31 ArbGG) und sogar Ordnungsgelder gegen solche ehrenamtlichen Richter verhängt werden können, die ohne genügende Entschuldigung ihren diesbezüglichen Pflichten nicht nachkommen (§ 28 ArbGG). Von der Tarifnorm nicht erfaßt wird demgegenüber die Teilnahme eines ehrenamtlichen Richters an einer von einer Gewerkschaft veranstalteten Schulung, da insoweit keine gesetzlich begründete Rechtspflicht besteht. Sie kann entgegen der Annahme des Klägers auch nicht aus § 26 ArbGG hergeleitet werden. Weder diese Gesetzesnorm noch die entsprechenden Bestimmungen in den sonstigen Verfahrensordnungen für Gerichte mit ehrenamtlichen Richtern (SGG für die Sozialgerichtsbarkeit, GVG für Schöffen, VerwGO für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und FGO für die Finanzgerichtsbarkeit) sehen nämlich eine Rechtspflicht des ehrenamtlichen Richters zur Teilnahme an derartigen Veranstaltungen vor. Sie befassen sich sogar überhaupt nicht mit Fragen der Ausbildung und Fortbildung der ehrenamtlichen Richter.

Da sich die aufgezeigten Rechtsfolgen nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus dem Tarifwortlaut, dem Sinn und Zweck der tariflichen Bestimmungen und ihrem Gesamtzusammenhang ergeben, kommt es auf die entsprechenden prozessualen Rügen der Revision nicht mehr an. Umgekehrt kann auch der Kläger nicht erfolgreich einwenden, die Tarifnorm des § 6.2.5 MTV greife vorliegend deswegen nicht ein, weil die besonderen Rechtspflichten aus dem Amt eines ehrenamtlichen Richters keine allgemeine "staatsbürgerliche Pflicht" im tariflichen Sinne seien. Für diese tarifliche Differenzierung des Klägers bietet weder der Tarifwortlaut noch der tarifliche Zusammenhang einen Anhaltspunkt. Vielmehr ist wegen der Verwendung des allgemeinen Begriffes der "staatsbürgerlichen Pflichten" in § 6.2.5 MTV anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien in dieser Norm gerade die ihnen geläufigen, üblichen und häufig praktisch vorkommenden staatsbürgerlichen Pflichten generell haben erfassen wollen, sofern deren Erfüllung in zwingender Weise gesetzlich geregelt ist. Das aber trifft wie etwa für einen Zeugen insbesondere für Arbeitnehmer zu, die bei einem Gericht gleich welcher Art als ehrenamtliche Richter tätig sind. Für diese weite Auslegung spricht auch, daß gerade in diesen Fällen die von den Tarifvertragsparteien in § 6.2.5 MTV berücksichtigte Vergütungspflicht der Staatskasse nach dem ZSEG sowie dem EhrRiEG eingreift, ferner der Umstand, daß für sonstige Fälle der Vorladung des Arbeitnehmers zu Behörden und vergleichbare Fälle besondere tarifliche Bestimmungen bestehen (§ 6.2.7 und § 6.2.8 MTV). Da mithin die Tarifvertragsparteien an Fälle wie den vorliegenden gedacht, dafür jedoch eine Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers nicht normiert haben, kommt es im Gegensatz zu den schriftsätzlichen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzten Ausführungen der Parteien auf die Frage, ob § 616 Abs. 1 BGB Fälle wie den vorliegenden und ähnlich gelagerte Verhinderungsfälle wegen Erfüllung von Rechtspflichten im Bereiche anderer öffentlicher Ämter (vgl. für einen ehrenamtlichen Bürgermeister im Lande Hessen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 7. Dezember 1956 - 3 AZR 393/54 -, AP Nr. 7 zu § 616 BGB) überhaupt erfaßt, nicht entscheidend an.

Damit könnte die Klage nur begründet sein, wenn es dafür außerhalb des MTV eine gesetzliche Anspruchsgrundlage gäbe. Aber auch das ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und des Klägers nicht der Fall. Insbesondere kommt hierfür § 26 ArbGG nicht in Betracht. In § 26 Abs. 1 ArbGG wird in Anlehnung an Art. 48 GG bestimmt, daß niemand in der Übernahme oder Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit (für die Sozialgerichtsbarkeit enthält § 20 SGG eine entsprechende Vorschrift) beschränkt oder benachteiligt werden darf, während § 26 Abs. 2 ArbGG für den Fall der Zuwiderhandlung eine Strafandrohung vorsieht. Demgemäß will der Gesetzgeber mit § 26 Abs. 1 ArbGG sicherstellen, daß derjenige, der als ehrenamtlicher Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit tätig ist, in keiner Weise durch Dritte in der Ausübung dieses wichtigen Amtes behindert werden darf, auch nicht durch seinen eigenen Arbeitgeber. Obwohl das deutsche Recht den rechtsgelehrten ehrenamtlichen Richter nicht kennt und deswegen grundsätzlich auch in keiner Gerichtsbarkeit als Erfordernis für die Bestellung zum ehrenamtlichen Richter Rechtskenntnisse oder deren Nachweis verlangt, sondern in dem ehrenamtlichen Richter entweder einen Repräsentanten der Allgemeinheit bei der Rechtsfindung (z.B. die Schöffen in der Strafgerichtsbarkeit und die ehrenamtlichen Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit) oder aber (wie in der Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit) den aufgrund seiner Sachkunde und Gruppenzugehörigkeit berufenen Vertreter betroffener Bevölkerungskreise erblickt (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 ArbGG - vgl. Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 2. Aufl., § 1 Rz 8 und § 44 Rz 4), folgt gleichwohl aus § 26 Abs. 1 ArbGG, daß der Arbeitgeber einen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer, der wie vorliegend eine gewerkschaftliche Schulungsveranstaltung für ehrenamtliche Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit besucht, im Interesse der Erhaltung und Förderung seiner Qualifikation von der Arbeit freizustellen hat (vgl. Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 26 Rz 2). Dies gilt jedoch nur insoweit, als sich die Freistellung zeitlich in angemessenen Grenzen hält und die Schulungsveranstaltung für die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter bei den Arbeitsgerichten sachdienlich erscheint.

Hingegen kann eine Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers in derartigen Fällen aus § 26 Abs. 1 ArbGG nicht hergeleitet werden. Dabei ist davon auszugehen, daß der ehrenamtliche Richter am Arbeitsgericht wie jeder ehrenamtliche Richter - wenn auch nur zeitweilig - ein staatliches Richteramt wahrnimmt. Die damit verbundenen sachlichen und persönlichen Kosten hat daher schon im Interesse der Unabhängigkeit der staatlichen Rechtspflege der Staat und nicht ein Dritter, auch nicht der Arbeitgeber, zu tragen (vgl. Dietz/Nikisch, ArbGG, § 26 Rz 6; Grunsky, aaO, § 26 Rz 5; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, aaO, § 95 VI 5,S. 903; Schmidt- Räntsch, aaO, § 45 Rz 7). Dies folgt auch aus dem parallelen Charakter von § 26 ArbGG und Art. 48 GG. So wie der Staat im Wege der Diätenregelung nach Art. 48 Abs. 3 GG den Abgeordneten eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung zu gewähren hat, ist er auch für eine entsprechende Entschädigung derjenigen Bürger verantwortlich, die er als ehrenamtliche Richter in seinen Diensten tätig werden läßt. Dem wurde für die Arbeitsgerichtsbarkeit mittels des inzwischen aufgehobenen § 25 Abs. 2 ArbGG a.F. Rechnung getragen, dem heute für die ehrenamtlichen Richter aller Gerichtsbarkeiten die Bestimmungen des EhrRiEG entsprechen. Allein daraus, daß dieses Gesetz eine entsprechende Vergütungspflicht der Staatskasse auf die Fälle der Teilnahme ehrenamtlicher Richter an von staatlichen Stellen veranstalteten Einführungs- und Fortbildungsveranstaltungen beschränkt (§ 8 lit. a EhrRiEG), kann eine entsprechende Leistungspflicht des Arbeitgebers nicht hergeleitet werden. Sie kann auch nicht deswegen bejaht werden, weil die Bundesländer - wie bei anderen Gerichtsbarkeiten - auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit ihrerseits von staatlichen Einführungs- und Fortbildungsveranstaltungen für ehrenamtliche Richter absehen oder diese den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden überlassen.

Die demgegenüber vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Zu Unrecht verweist der Kläger darauf, seine richterliche Unabhängigkeit werde beeinträchtigt, wenn ihm in Fällen wie dem vorliegenden sein Arbeitsentgelt nicht fortgezahlt werde. Dabei verkennt der Senat nicht, daß der ehrenamtliche Richter bei seiner Amtsausübung qualitativ und quantitativ dem Berufsrichter gleichsteht, demgemäß in gleicher Weise wie ein Berufsrichter unabhängig ist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 DRiG), demgemäß aber auch gehalten ist, wie ein Berufsrichter sich so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird (§ 39 DRiG). Es erscheint schon fraglich, ob es mit diesen Pflichten und Rechten des ehrenamtlichen Richters überhaupt vereinbar wäre, wenn ihm für Zeiten seiner richterlichen Amtsausübung der Arbeitgeber entgeltzahlungspflichtig wäre. Erst recht gilt das aber im Falle der Teilnahme an nichtstaatlichen Schulungsveranstaltungen. Demgemäß ist es alleinige Aufgabe des Staates, dafür Sorge zu tragen, daß in Fällen wie dem vorliegenden dem betroffenen Arbeitnehmer keine finanziellen Nachteile erwachsen. Das kann, wie es in einigen Bundesländern gehandhabt wird, etwa in der Weise geschehen, daß der Staat den Verbänden für derartige Schulungsveranstaltungen Mittel bereitstellt, aus denen die teilnehmenden Arbeitnehmer entschädigt werden.

Zwar mag es zutreffen, daß - wie vorliegend - im Einzelfalle ein als ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht tätiger Arbeitnehmer bei Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltung während der Arbeitszeit ohne Vergütung bleibt. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung kann aber auch hieraus nicht eine entsprechende Leistungspflicht des Arbeitgebers gefolgert werden. Daran ändert auch nichts, daß diese Fallgestaltung, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im einzelnen dargelegt hat, häufiger bei Arbeitnehmern als bei Arbeitgebern auftritt, die das Amt eines ehrenamtlichen Richters bei den Arbeitsgerichten innehaben. Auch insoweit bedürfte es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung bzw. eines finanziellen Ausgleichs einmal zwischen Bundesländern und Verbänden und zum anderen zwischen den Verbänden und ihren an den Schulungsveranstaltungen teilnehmenden Mitgliedern. Hierüber hat der Senat jedoch nicht zu befinden.

Fehl geht auch der Hinweis des Klägers auf § 37 BetrVG. Zwar besteht danach eine Pflicht des Arbeitgebers zur Tragung derjenigen Kosten, die durch die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen entstehen, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind. Das hat jedoch seinen Grund darin, daß es sich beim Betriebsrat um eine betriebsbezogene Institution des Betriebsverfassungsrechts und ein zur Vertretung der konkreten Belegschaft bestimmtes Organ handelt. Vorliegend geht es jedoch um die damit überhaupt nicht vergleichbare Frage, ob und inwieweit der Arbeitgeber verpflichtet ist, Kosten dafür zu übernehmen, daß ein bei ihm beschäftigter Arbeitnehmer ein richterliches Ehrenamt innehat und im Zusammenhang damit an einer gesetzlich nicht vorgeschriebenen, von einer nichtstaatlichen Institution veranstalteten Fortbildungsveranstaltung teilgenommen hat. Dabei kommt es insoweit nicht auf Nutzen und Zweckdienlichkeit derartiger Veranstaltungen an.

Auch aus § 8 EhrRiEG kann zugunsten des Klägers nichts hergeleitet werden. Zwar ist danach der ehrenamtliche Richter gegenüber der Staatskasse auch insoweit entschädigungsberechtigt, als er in seiner richterlichen Funktion an einer seitens einer staatlichen Stelle veranstalteten Einführungs- und Fortbildungsveranstaltung teilnimmt (§ 8 lit. a EhrRiEG). Nach ihrem Wortlaut, ihrer Zweckbestimmung und ihrem Gesamtzusammenhang kann diese Vorschrift schon zu Lasten des Staates nicht auf von dritter Seite durchgeführte Veranstaltungen gleicher Art ausgedehnt werden. Erst recht kann daraus aber keine entsprechende Ausgleichspflicht des Arbeitgebers hergeleitet werden. Auch in der Rechtsprechung und im Schrifttum ist eine derartige, auf § 8 EhrRiEG gestützte Zahlungspflicht des Arbeitgebers bislang nicht angenommen worden (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 20. Aufl., EhrRiEG Anm. zu § 8).

Schließlich kann sich der Kläger zur Begründung der Klageforderung auch nicht auf sonstige Bestimmungen des allgemeinen Richterrechts und des Grundgesetzes berufen. Weder das Arbeitsgerichtsgesetz noch das Gerichtsverfassungsgesetz und das Deutsche Richtergesetz enthalten dafür eine Rechtsgrundlage. Zwar nimmt auch der ehrenamtliche wie der Berufsrichter an der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit aller Richter im Sinne von Art. 97 Abs. 1 GG teil (vgl. Schmidt-Räntsch, aaO, § 45 Rz 3). Die sich daraus ergebenden finanziellen Konsequenzen für die Erhaltung der Unabhängigkeit der ehrenamtlichen Richter hat jedoch wie bei den Abgeordneten der Staat zu ziehen, für den die ehrenamtlichen Richter bei Ausübung ihres Amtes tätig werden. Eine Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers für die Teilnahme an nichtstaatlichen Schulungsveranstaltungen kann daraus nicht hergeleitet werden. Nichts anderes gilt auch für Art. 9 GG, auf den sich der Kläger ebenfalls beruft. Dabei verkennt der Senat nicht die besondere Bedeutung der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in der und für die Arbeitsgerichtsbarkeit, die sich insbesondere in ihren weitgehenden Mitwirkungsrechten bei der Bestellung der darin tätigen Berufsrichter und ehrenamtlichen Richter äußert (vgl. § 18 Abs. 1 - 2, § 20, § 37 Abs. 2, § 43 Abs. 1 ArbGG). Gleichwohl kann aber auch aus Art. 9 GG kein Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf Vergütung der Arbeitszeit gefolgert werden, während der er an einer gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltung für ehrenamtliche Richter teilnimmt. Im übrigen ist auch hier ein strenger rechtlicher Unterschied zwischen der im einzelnen gesetzlich geregelten Ausübung eines staatlichen Ehrenamtes und einer dafür zwar nützlichen und erwünschten, jedoch von einer außerstaatlichen Institution ohne gesetzliche Rechtsgrundlage in eigener Zuständigkeit durchgeführten Schulungsveranstaltung zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Dr. Feller Dr. Etzel Matthes Preuße Koerner

 

Fundstellen

BAGE 40, 75-86 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

BAGE, 75

BB 1984, 1362-1364 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

DB 1983, 183-184 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

ARST 1983, 44-45 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

BlStSozArbR 1983, 56-57

SAE 1983, 41-45 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

SAE 1983, 45-46 Sieg, Karl

AP § 26 ArbGG 1979, Nr 1

AP ArbGG 1979 § 26, Nr. 1 Grunsky, Wolfgang

AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit IV Entsch 28 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

AR-Blattei, ES 160.4 Nr 28

EzA § 26 ArbGG 1979, Nr 1 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

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