Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristete Erhöhung der Arbeitszeit. Sachgrund der Vertretung. Befristungsrecht. Befristung von Arbeitsbedingungen

 

Orientierungssatz

  • Der Senat hält an seiner Rechtsprechung zur Überprüfung befristeter Arbeitsbedingungen für die Zeit vor In-Kraft-Treten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes uneingeschränkt fest.
  • Der Sachgrund der mittelbaren Vertretung ist gegeben, wenn der Vertretene in einem Arbeitsbereich eingesetzt wird, in den der Vertretene für den Fall der Fortsetzung seiner Tätigkeit umgesetzt worden wäre.
 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 20.03.2003; Aktenzeichen 11 (5) Sa 1265/01)

ArbG Bielefeld (Urteil vom 27.06.2001; Aktenzeichen 3 Ca 3748/00)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. März 2003 – 11 (5) Sa 1265/01 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 1. März 1990 bei dem Versorgungsamt B… des beklagten Landes als Verwaltungsangestellte unbefristet mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt. Sie arbeitet als Schreibkraft im Vorzimmer des Amtsleiters und ist in die VergGr. VII der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Seit März 1995 vereinbarten die Parteien mehrfach eine Aufstockung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin in unterschiedlicher Höhe. Am 17. April 1998 verlängerten die Parteien eine seinerzeit bis zum 31. Dezember 1998 laufende Vereinbarung über die Vollzeitbeschäftigung der Klägerin vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 2001 für die Dauer der teilweisen Beurlaubung der Mitarbeiterin B…. Frau B… ist als Sachbearbeiterin in der Abteilung 3 (Schwerbehindertenrecht) beschäftigt und in die VergGr. Vb der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Bereits am 30. Juni 1998 teilte der Leiter des Versorgungsamtes B… der Klägerin mit, ihr würden mit Wirkung vom gleichen Tag während des vertretungsweisen Einsatzes für die Dauer der Beurlaubung der Mitarbeiterin S…, längstens bis zum 25. August 2003, die Aufgaben einer Bearbeiterin in der Abteilung 1.3. unter Gewährung einer persönlichen Zulage übertragen. Infolgedessen wurde die Klägerin seit dem 30. Juni 1998 mit der einen Hälfte ihrer Arbeitszeit als Schreibkraft im Vorzimmer des Behördenleiters und mit der anderen Hälfte ihrer Arbeitszeit als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 1.3. (Controlling) beschäftigt.

Mit der am 27. Dezember 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Befristung der Arbeitszeiterhöhung gewandt. Sie hat gemeint, für die Befristung der Vollzeitbeschäftigung habe es keinen Sachgrund gegeben. Außerdem sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Sie hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 17. April 1998 ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis besteht.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Ziel der Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht hat erheblichen Sachvortrag des beklagten Landes zum Sachgrund der mittelbaren Vertretung nicht beachtet und – aus seiner Sicht folgerichtig – den Sachverhalt zur Beteiligung des Personalrats nicht aufgeklärt.

  • Die Würdigung des zweitinstanzlichen Parteivorbringens des beklagten Landes, die befristete Erhöhung der Arbeitszeit der Klägerin sei nicht mit dem Sachgrund der mittelbaren Vertretung zu rechtfertigen, berücksichtigt das zweitinstanzliche Vorbringen des beklagten Landes zur denkbaren Umsetzung der Mitarbeiterin B… in die Abteilung 1.3. nicht und bewertet die Einsatzmöglichkeiten der Frau B… unzutreffend. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nach § 563 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO ist dem Senat nicht möglich.
  • Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung bedurfte zu ihrer Rechtfertigung eines sachlichen Grundes.

    1. Die Befristung einzelner Vertragsbedingungen kann den gesetzlichen Änderungskündigungsschutz objektiv umgehen. Sie bedarf dann, ebenso wie die Befristung des Arbeitsverhältnisses selbst, eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrundes. Das gilt jedenfalls für solche Vertragsbedingungen, die im Fall der unbefristeten Vereinbarung dem Änderungskündigungsschutz nach § 2 KSchG unterlägen (BAG 23. Januar 2002 – 7 AZR 563/00 – BAGE 100, 211 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 12 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 29, zu II 2a der Gründe; 4. Juni 2003 – 7 AZR 406/02 – AP TzBfG § 17 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 3, zu II 1 der Gründe). Daran hält der Senat für den Zeitraum vor In-Kraft-Treten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) uneingeschränkt fest.

    2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann die befristete Arbeitszeiterhöhung der Klägerin durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt sein.

    a) Die Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Mitarbeiters kann einen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags mit dem vertretenden Arbeitnehmer darstellen. Die sachliche Rechtfertigung einer solchen Befristungsabrede liegt darin, dass der Arbeitgeber bereits zu dem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und daher für die Wahrnehmung der diesem Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft nur ein vorübergehendes, zeitlich durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters begrenztes Beschäftigungsbedürfnis hat. Der Arbeitgeber hat bei Vertragsschluss eine Prognose über den Wegfall des Vertretungsbedarfs anzustellen, die sich darauf zu beziehen hat, ob der zu vertretende Mitarbeiter seine Arbeit wieder aufnehmen wird (BAG 20. Januar 1999 – 7 AZR 640/97 – BAGE 90, 335 = AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 138 = EzA BGB § 620 Nr. 160, zu II 1a der Gründe). Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass die Vertretungskraft dieselben Arbeiten verrichten soll, die der ausgefallene Mitarbeiter zu verrichten gehabt hätte. Denn der vorübergehende Ausfall einer Stammkraft und die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt. Der Arbeitgeber kann zB bestimmen, ob er den Arbeitsausfall überhaupt überbrücken will oder ob er im Wege der Umverteilung die von dem zeitweilig verhinderten Mitarbeiter zu erledigenden Aufgaben anderen Beschäftigten zuweist und deren Aufgaben ganz oder teilweise von einer Vertretungskraft erledigen lässt. Auch in diesen Fällen der mittelbaren Vertretung muss jedoch sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist (BAG 21. Februar 2001 – 7 AZR 107/00 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 228 = EzA BGB § 620 Nr. 176, zu 3 der Gründe). Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters und dem dadurch hervorgerufenen vorübergehenden Vertretungsbedarf einerseits und der befristeten Einstellung bzw. Vertragsänderung der Vertretungskraft andererseits ein Kausalzusammenhang besteht. Bestreitet der Arbeitnehmer den Kausalzusammenhang, muss der Arbeitgeber deutlich machen, in welcher Weise die befristete Einstellung bzw. Vertragsänderung der Befriedigung des Vertretungsbedarfs dienen sollte. Hierzu kann es erforderlich sein, die zur Zeit der Befristungsabrede vorhandene Planung sowie deren tatsächliche und rechtliche Umsetzungsmöglichkeit zu schildern (BAG 27. September 2000 – 7 AZR 412/99 – AP LPVG Brandenburg § 61 Nr. 1 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 21, zu B II 1a der Gründe; 24. Januar 2001 – 7 AZR 208/99 – EzA BGB § 620 Nr. 173, zu B II 1b aa der Gründe). Denn der Arbeitgeber muss rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben, den ausfallenden Mitarbeiter in den Arbeitsbereich des Vertreters umzusetzen (BAG 17. April 2002 – 7 AZR 665/00 – BAGE 101, 84 = AP BAT SR 2y § 2 Nr. 21 = EzA BGB § 620 Nr. 194, zu II 1 der Gründe).

    b) Hieran gemessen hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe die Mitarbeiterin B… weder mittelbar noch unmittelbar vertreten. Denn es hat den streitigen Sachvortrag des beklagten Landes in diesem Punkt nicht ausreichend gewürdigt. Danach bestand ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem zeitweiligen Arbeitsausfall der Mitarbeiterin B… und der befristeten Arbeitszeiterhöhung der Klägerin.

    aa) Nach dem Sachvortrag des beklagten Landes hat der Leiter des Versorgungsamtes B… entschieden, mit Wirkung zum 1. Januar 1999 die Arbeitsaufgaben innerhalb der Abteilungen 1 und 3 umzuverteilen. Der Anlass dafür sei der kw-Vermerk gewesen, auf Grund dessen eine halbe mit A 8 bewertete Planstelle der Regierungshauptsekretärin S… ab 1. Januar 1999 entfallen sei. Auf Grund dessen sei die halbe mit V b BAT bewertete Stelle der Mitarbeiterin B… zum 1. Januar 1999 von der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) in die Abteilung 1.3. (Controlling) verlegt worden. Die im Bereich Controlling anfallenden Arbeitsaufgaben seien dringender zu erfüllen gewesen als die Aufgaben in der Abteilung 3, die durch entsprechende Umverteilung auf andere vorhandene Bearbeiter hätte aufgefangen werden können. Deswegen hätte auch die Mitarbeiterin B… mit der Hälfte ihrer Arbeitszeit in die Abteilung 1.3. umgesetzt und mit den dortigen Aufgaben betraut werden können, wenn sie nicht zur Hälfte der Arbeitszeit beurlaubt gewesen wäre. Trifft dieses Vorbringen zu, so hat die Klägerin die Mitarbeiterin B… (mittelbar) vertreten. Deshalb wird das Landesarbeitsgericht in der neuen Berufungsverhandlung das entsprechende Vorbringen aufzuklären haben.

    bb) Das Landesarbeitsgericht konnte von der erforderlichen, nachzuholenden Beweisaufnahme über die Umverteilung der Arbeitsaufgaben auch nicht mit der Begründung absehen, der Sachgrund der Vertretung könne wegen der unterschiedlichen Eingruppierung nicht vorliegen, weil die rechtliche Möglichkeit der Umsetzung wegen Unterwertigkeit der Tätigkeit der Klägerin nicht gegeben sei. Das Landesarbeitsgericht hat bei dieser Würdigung übersehen, dass die Klägerin ab 1. Januar 1999 ihre Arbeitsaufgaben im Bereich Controlling auf der halben Stelle wahrgenommen hat, die nach dem Vorbringen des beklagten Landes der Mitarbeiterin B… zugeordnet und mit der VergGr. V b BAT bewertet war. Damit hätte es sich für die Mitarbeiterin B… nicht um eine unterwertige Beschäftigung gehandelt, wenn sie bei Fortsetzung einer Vollzeitbeschäftigung in der Abteilung 1.3. eingesetzt worden wäre.

    Die Arbeitsaufgaben im Bereich der Abteilung 1.3. sind auch nicht dadurch für die vertretene Frau B… als unterwertig anzusehen, weil sie von der nach der VergGr. VII der Anlage 1a BAT plus Zulage vergüteten Klägerin ausgeübt worden sind.

  • Das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht zu Recht bisher nicht geprüft, ob der Personalrat ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Das Landesarbeitsgericht wird das anhand des bisherigen und gegebenenfalls des zu ergänzenden Vorbringens der Parteien in der neuen Verhandlung zu überprüfen haben. Der Senat hat keine Möglichkeit, darüber zu befinden. Es fehlen jegliche Tatsachenfeststellungen zur Beteiligung des Personalrats.
 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Laux, Günther Metzinger, Dr. Koch

 

Fundstellen

Haufe-Index 1131259

ARST 2004, 268

ZTR 2005, 52

AuA 2005, 55

EzA-SD 2004, 5

BAGReport 2004, 208

SPA 2004, 7

Tarif aktuell 2004, 2

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