Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung bei Krankheit

 

Orientierungssatz

1. Die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs setzt voraus, daß der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können. Zwar entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von einer etwaigen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, er ist jedoch bei vorbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht mehr erfüllbar.

2. Diese Grundsätze finden auch auf einen zusätzlichen Urlaub nach § 44 SchwbG Anwendung.

 

Normenkette

BUrlG § 7; SchwbG § 44

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 06.01.1984; Aktenzeichen 10 Sa 138/83)

ArbG Göttingen (Entscheidung vom 16.08.1983; Aktenzeichen 2 Ca 417/83)

 

Tatbestand

Der im Jahre 1934 geborene Kläger war seit dem 1. Oktober 1975 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft Verbandszugehörigkeit der Parteien der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der niedersächsischen Metallindustrie vom 14. Dezember 1981 (MTV) Anwendung. Dort ist geregelt:

§ 15

Urlaubsdauer

------------

(1) Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahl-

ten Urlaub.

(2) Der Urlaub beträgt im Kalenderjahr für Ar-

beitnehmer folgende Anzahl von Arbeitstagen

Lebensalter 1982

----------------------------------------

Vor voll. 16 Lbj. 29

vor voll. 17 Lbj. 28

vor voll. 18 Lbj. 28

nach voll. 18 Lbj. 30

.....

§ 16

Zusatzurlaub

------------

(1) Der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte re-

gelt sich nach dem Schwerbehindertengesetz

in der jeweiligen Fassung.

.....

§ 17

Urlaubstermin

-------------

(1) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

(2) Der Urlaub ist spätestens bis zum 31. März

des folgenden Jahres zu gewähren und zu

nehmen. Der Urlaubsanspruch erlischt nach

Ablauf dieser Zeit, es sei denn, daß er

erfolglos geltend gemacht worden ist.

.....

§ 18

Urlaub bei Einstellung und Entlassung

-------------------------------------

(1) Anspruch auf vollen Jahresurlaub gem.

§§ 15 und 16 besteht für Arbeitnehmer

nach einer Beschäftigungsdauer von 6 Mo-

naten (Wartezeit).

.....

(8) Wenn ein Arbeitnehmer ausscheidet, der

noch Urlaubsansprüche hat, so ist der Ur-

laub während der Kündigungsfrist zu ge-

währen und zu nehmen. Besteht die Mög-

lichkeit hierzu nicht, so ist der Urlaub

abzugelten. In anderen Fällen ist die Ab-

geltung des Urlaubs unzulässig.

.....

(11) Ergeben sich bei der Ermittlung der Ur-

laubsdauer Bruchteile eines Tages, so wer-

den halbe Tage und mehr zu einem vollen

Urlaubstag aufgerundet, geringere Bruch-

teile bleiben unberücksichtigt.

§ 20

Urlaub bei Krankheit

--------------------

.....

(3) Wenn die Arbeit infolge Krankheit oder

Aussetzens länger als 6 Monate zusammen-

hängend unterbrochen wird, so verkürzt

sich der Urlaubsanspruch um 1/12 für je-

den über 6 Monate hinausgehenden angefan-

genen Monat.

.....

.....

Der Kläger war seit dem 16. Februar 1982 arbeitsunfähig krank. Mit Wirkung vom 31. März 1982 wurde er als Schwerbehinderter anerkannt. Am 28. Februar 1983 schied er wegen Erwerbsunfähigkeit aus den Diensten der Beklagten aus. Seine in diesem Zeitpunkt noch nicht beendete Arbeitsunfähigkeit dauerte über den 31. März 1983 hinaus an. Die Beklagte gewährte dem Kläger Urlaubsabgeltung für 20 Arbeitstage. Dabei legte sie den dem Kläger für 1982 unstreitig zustehenden tariflichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zugrunde und kürzte diesen nach § 20 Abs. 3 Satz 1 MTV um 4/12. Die Abgeltung des gesetzlichen Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte lehnte die Beklagte ab.

Der Kläger begehrt die Abgeltung weiterer vier Urlaubstage für das Jahr 1982 in Höhe von 526,56 DM. Er hat geltend gemacht, neben dem tariflichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen habe ihm ein Anspruch auf Schwerbehindertenzusatzurlaub von sechs Tagen zugestanden. Wende man auf diesen Gesamturlaub nach § 20 MTV den Kürzungsfaktor 4/12 an, so ergebe dies 24 Urlaubstage. Vier Urlaubstage seien somit noch abzugelten. Dies seien 32 Arbeitsstunden. Bei einem Stundenlohn von 10,97 DM und unter Hinzurechnung des Urlaubsgeldes in Höhe von 50 v.H. ergebe sich somit der geltend gemachte Betrag. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 526,56

DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 29. März

1983 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Anspruch entfalle, weil der Kläger nach seinem Ausscheiden über das Ende des Übertragungszeitraums hinaus arbeitsunfähig krank geblieben sei. Der Gesamturlaubsanspruch betrage nur 35 Urlaubstage, da der Kläger erst seit 31. März 1982 schwerbehindert gewesen sei und somit für dieses Urlaubsjahr nur fünf Tage Zusatzurlaub zu beanspruchen habe. Der Kürzungsfaktor betrage nicht, wie sie zunächst irrtümlich angenommen habe, 4/12, sondern 5/12. Dem Kläger hätten somit für 1982 nur 20,41 Urlaubstage zugestanden, die nach § 18 Abs. 11 MTV auf 20 Urlaubstage abzurunden seien. Dieser Anspruch sei aber unstreitig abgegolten und damit erfüllt. Aber selbst wenn man mit dem Kläger von dem Gesamturlaubsanspruch von 36 Tagen ausgehe, sei die Klage unter Anwendung des Kürzungsfaktors von 5/12 nur in Höhe des Abgeltungsbetrags für einen Tag, also nur in Höhe von 131,64 DM, begründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß dem Kläger ein Anspruch auf weitere Urlaubsabgeltung nicht zusteht.

1. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein höherer Urlaubsanspruch zustand als der, den die Beklagte abgegolten hat. Der Kläger kann bereits deshalb keine weitere Urlaubsabgeltung verlangen, weil seine Arbeitsunfähigkeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über den 31. März 1983 hinaus andauerte.

a) Wie der erkennende Senat (Urteil vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) im Anschluß an die Rechtsprechung des Sechsten Senats entschieden hat, setzt die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs voraus, daß der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können. Zwar entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von einer etwaigen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, er ist jedoch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht mehr erfüllbar (Urteile des Sechsten Senats vom 28. Juni 1984, BAG 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung, und vom 7. März 1985 - 6 AZR 334/82 - AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Die gesetzliche Abgeltungspflicht des Arbeitgebers nach § 7 Abs. 4 BUrlG knüpft an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Von nun an können Arbeitspflichten ungeachtet der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch Urlaubsgewährung nicht mehr suspendiert werden. Dennoch soll der Arbeitnehmer nach dieser Bestimmung so gestellt werden, als würde die Arbeitspflicht durch Urlaubserteilung suspendiert werden können. Zu diesem Zweck erhält er trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Abgeltung das Arbeitsentgelt für eine fiktive Arbeitszeit weiter, die der ihm als Urlaub zu gewährenden Freizeit entspricht. Der Abgeltungsanspruch besteht deshalb unter denselben Voraussetzungen wie der Urlaubsanspruch und endet, wenn nicht erfüllt werden kann, spätestens nach Ablauf der ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG). Setzt sich also, wie im vorliegenden Fall, die Arbeitsunfähigkeit nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis fort, so kann der Abgeltungsanspruch des Arbeitnehmers ebenso wie der Urlaubsanspruch bei bestehendem Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt werden. Er erlischt daher mit Ablauf des Übertragungszeitraums.

b) Diese Grundsätze finden auch auf einen zusätzlichen Urlaub nach § 44 SchwbG Anwendung, der dem Kläger für das Jahr 1982 zusteht. Wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung angenommen hat, folgt der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte hinsichtlich seines Entstehens und Erlöschens dem Anspruch auf Erholungsurlaub. Auch er muß deshalb innerhalb des jeweiligen Urlaubsjahres geltend gemacht werden. Geschieht dies nicht, erlischt er mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums (vgl. Urteil des Senats vom 26. Juni 1986 - 8 AZR 266/84 -, zu I 2 a der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen; BAG 37, 379, 381 = AP Nr. 3 zu § 44 SchwbG, zu 3 a der Gründe, mit weiteren Nachweisen sowie die unveröffentlichten Urteile vom 14. Oktober 1982 - 6 AZR 106/80 -, vom 25. November 1982 - 6 AZR 302/81 - und vom 27. Januar 1983 - 6 AZR 103/81 -).

2. Zu Unrecht meint die Revision, der Klageanspruch sei jedenfalls nach § 18 Abs. 8 MTV begründet, weil die Beklagte nach dieser Tarifbestimmung verpflichtet sei, den Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers ohne Rücksicht darauf zu erfüllen, ob dieser nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsfähig und arbeitsbereit ist. Der erkennende Senat folgt insoweit dem Sechsten Senat, der bereits im Urteil vom 7. März 1985 - 6 AZR 334/82 - (AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG Abgeltung) entschieden hat, § 18 Abs. 8 MTV enthalte hinsichtlich der Pflicht zur Abgeltung des Urlaubsanspruchs eines Arbeitnehmers keine anderen Merkmale als § 7 Abs. 4 BUrlG; ebenso wie diese gesetzliche Regelung bestimme § 18 Abs. 8 MTV nur, daß ein Urlaubsabgeltungsanspruch anstelle des bisherigen Urlaubsanspruchs entsteht (vgl. BAG, aaO, zu 3 a der Gründe). Für die weitergehende Auslegung der Revision bieten Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Bestimmung keine Anhaltspunkte. Dabei geht der Senat von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, wonach die vom Bundesurlaubsgesetz abweichenden tariflichen Bestimmungen eindeutig und klar sein müssen (vgl. BAG Urteil vom 8. Juni 1977 - 5 AZR 97/76 - AP Nr. 13 zu § 11 BUrlG, mit weiteren Nachweisen). Die hier zu beurteilende Tarifregelung ist nicht mit derjenigen vergleichbar, die Gegenstand des unveröffentlichten Urteils des Sechsten Senats vom 26. Mai 1983 (6 AZR 321/82) war, auf das der Kläger in seiner Berufungsbegründung hingewiesen hatte. Dort hatten die Tarifvertragsparteien ausdrücklich für den Fall, daß wegen "längerer Krankheit" kein Urlaub mehr genommen werden konnte, die Abgeltung vorgesehen.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Dr. Gaber Brückmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441502

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