Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmung des Betriebsrats zu Personalfragebogen in Tendenzbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betriebsrat ist nach § 94 Abs 1 BetrVG zu beteiligen, wenn der Arbeitgeber vor der Einstellung aus einer formularmäßigen Zusammenfassung von Fragen über die persönlichen Verhältnisse, insbesondere über Eignung, Kenntnisse und Fähigkeiten (Personalfragebogen), dem Bewerber die Fragen nacheinander mündlich stellt und die Antworten jeweils selber vermerkt.

2. Das Zustimmungserfordernis entfällt bei einem wissenschaftlichen Unternehmen, soweit dieses vor der Einstellung von wissenschaftlichen Angestellten mit Hilfe des Personalfragebogens in Erfahrung bringen will, ob und gegebenenfalls in welcher Weise oder Funktion der Bewerber für das frühere Ministerium für Staatssicherheit oder vergleichbare Institutionen tätig gewesen ist.

 

Orientierungssatz

Die Eigenartklausel ist dahingehend zu konkretisieren, daß ein Beteiligungsrecht nur immer dann eingeschränkt wird, wenn es sich um eine Maßnahme gegenüber einem Tendenzträger handelt.

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 28.01.1993; Aktenzeichen 7 TaBV 5/92)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.06.1992; Aktenzeichen 70 BV 114/92)

 

Gründe

A.

Die Arbeitgeberin ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Stammkapital die Bundesrepublik Deutschland zu 75 % und das Land Berlin zu 25 % halten. Aufgaben und Grundsätze der Arbeitgeberin ergeben sich aus § 2 des Gesellschaftsvertrages vom 10. Mai 1976:

„(1) Das W ist eine Trägerorganisation für problemorientierte sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung. Es betreibt wissenschaftliche Einrichtungen und fördert die Verbreitung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse in Wissenschaft und Praxis.

(2) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich friedliche Ziele; sie erfüllt ihre Aufgaben, vor allem die wissenschaftliche Forschung, frei und unabhängig.

(3) Sie arbeitet bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit Institutionen der Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik zusammen.

(4) Sie fördert den wissenschaftlichen Kontakt und Austausch zwischen ihren eigenen Einrichtungen und anderen wissenschaftlichen Institutionen innerhalb und außerhalb der Hochschulen im In- und Ausland.

(5) Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten der Gesellschaft werden veröffentlicht.”

Hauptsächlich befaßt sich die Arbeitgeberin mit sozialwissenschaftlicher Grundlagenforschung. Die Forschungsergebnisse werden einer breiten wissenschaftlichen, aber auch allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt durch Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen, auf Konferenzen, Kolloquien und in Kontakten mit Vertretern der Praxis sowie durch wissenschaftliche Beratungstätigkeit in verschiedenen Organisationen und Gremien.

Die Unkosten der Arbeitgeberin werden im wesentlichen durch Zuwendungen des Bundes und des Landes Berlin gedeckt.

Die Arbeitgeberin hat in der Vergangenheit verschiedene Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der ehemaligen DDR eingestellt. Sie schließt auch weiterhin Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die in der früheren DDR lebten. Einer Forderung ihrer Zuwendungsgeber folgend stellt die Arbeitgeberin, wenn sie sich für einen Bewerber entschlossen hat, vor dessen Einstellung einige Fragen aus der DDR-Vergangenheit, die inhaltlich weitgehend mit den Fragen übereinstimmen, die Bewerbern aus dem Beitrittsgebiet vor Einstellung in den öffentlichen Dienst des Bundes und des Landes Berlin gestellt werden. Die Fragen sind in einem schriftlichen Fragebogen zusammengestellt, werden mündlich von einer Mitarbeiterin der Arbeitgeberin gestellt, die Antworten werden von der Interviewerin eingetragen und die von ihr ausgefüllten Fragebogen dann zu den Personalakten genommen.

Es werden im wesentlichen folgende Fragen gestellt:

„Sind Sie für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/für das Amt für nationale Sicherheit oder für eine der Untergliederungen dieser Ämter oder vergleichbare Institutionen tätig gewesen?

Falls ja, in welcher Weise/Funktion?

Haben Sie finanzielle Zuwendungen von einer der genannten Stellen erhalten?

Haben Sie eine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit einer der genannten Stellen unterschrieben?

Falls ja, nähere Angaben:

Haben Sie Ihren Wehrdienst bei einer der genannten Stellen abgeleistet?

Falls ja, nähere Angaben über Zeitraum, Funktion, örtlichen Einsatz, Aufgaben:

Haben Sie vor dem 09.11.1989 herausgehobene Funktionen oder Mandate in einer der folgenden Organisationen innegehabt?

Falls ja, welche Funktionen haben Sie jeweils innegehabt (mit Angaben der Zeiträume)?

Frau/Herr

….

wird von Frau N. darauf hingewiesen, daß falsche Angaben die Kündigung des geplanten Anstellungsverhältnisses nach sich ziehen können.”

Zunächst hatte der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zu einem ähnlich ausgestalteten Fragebogen gebeten. Es haben verschiedene Verhandlungen zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat zu dieser Frage stattgefunden. Nachdem der Betriebsrat sich entschlossen hatte, die Zustimmung zu dem Fragebogen nicht zu erteilen, stellte die Arbeitgeberin die Fragen aus dem oben wiedergegebenen Fragebogen.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, die Befragung der Bewerber aufgrund des Fragebogens sei nach §§ 94, 95 BetrVG zustimmungsbedürftig.

Er hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die Befragung von Mitarbeitern aus den neuen Bundesländern, die ab 1. Januar 1992 eingestellt werden bzw. eingestellt werden sollen, nach Zugehörigkeit zum ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit der DDR und zur SED oder anderen Blockparteien entsprechend dem von der Senatsverwaltung für Inneres vorgelegten Zusatzbogen zum Personalfragebogen und die Aufzeichnung der Ergebnisse dieser Befragung und die Aufnahme der Befragungsergebnisse in die Personalakte der Mitarbeiter nach §§ 94, 95 BetrVG zustimmungspflichtig und rechtswidrig sind;
  2. der Arbeitgeberin aufzugeben, die schriftlich niedergelegten Ergebnisse der Befragungen nach Zugehörigkeit zum ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit der DDR und zur SED oder anderen Blockparteien aus den Personalakten der Mitarbeiter zu entfernen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Befragungen seien nicht zustimmungsbedürftig nach § 94 BetrVG, da es sich nicht um Personalfragebogen oder persönliche Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen handele. Mit § 94 BetrVG sollten Arbeitnehmer nur davor geschützt werden, selber schriftliche Angaben zu machen, denen Beweiswert zukommen könne. Die von ihr gestellten Fragen seien ebensowenig zustimmungsbedürftig wie Anforderungsprofile. Selbst wenn es sich um an und für sich zustimmungsbedürftige Personalfragebogen handeln sollte, würde ein Mitbestimmungsrecht entfallen, weil Art. 20 Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Abs. 5 des Einigungsvertrages ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bei einem Sachverhalt gebe, der dem entspreche, dessen Vorliegen die Arbeitgeberin mit ihren Fragen erfahren wolle. Zumindest aber scheide das Zustimmungserfordernis vorliegend aufgrund des Tendenzschutzes nach § 118 Abs. 1 BetrVG aus. Der Antrag des Betriebsrats sei so allgemein gestellt, daß darunter auch Wissenschaftler und damit Tendenzträger fielen. Ihrem Ansehen als wissenschaftliche Institution schade es aber ganz erheblich, wenn Wissenschaftler beschäftigt würden, bei denen sich herausstelle, daß sie früher an herausragender Stelle dem Unrechtsregime der DDR gedient hatten.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1) stattgegeben und den Antrag zu 2) abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein vom Arbeitgeber eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber nach wie vor sein Ziel, daß auch der Antrag zu 1) abgewiesen wird, während der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. Januar 1993 - 7 TaBV 5/92 - war aufzuheben, auf die Beschwerde des Arbeitgebers der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Juni 1992 - 70 BV 114/92 - abzuändern, soweit dem Antrag zu 1) stattgegeben worden ist, und auch der Antrag zu 1) abzuweisen.

I.

Rechtshängig ist nur noch der Antrag zu 1), da der Betriebsrat gegen die Abweisung des Antrags zu 2) durch das Arbeitsgericht schon keine Beschwerde eingelegt hat.

Der Antrag zu 1) ist zulässig.

1. Der Betriebsrat begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich eines Mitbestimmungsrechts hinsichtlich eines bestimmten Sachverhalts. Der Betriebsrat hat auch ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung des Beteiligungsrechts, weil zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat gerade über das Bestehen dieses von dem Betriebsrat in Anspruch genommenen Beteiligungsrechts Streit besteht. Die Entscheidung über diesen Antrag ist auch geeignet, den Streit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat beizulegen.

2. Der Antrag ist auch genügend bestimmt. In dem Antrag wird ein konkreter Lebenssachverhalt bezeichnet, für den der Betriebsrat ein Beteiligungsrecht in Anspruch nimmt. Der Antrag ist umfassend, weil ein Beteiligungsrecht hinsichtlich des Fragebogens für alle Arbeitnehmer in Anspruch genommen wird. Auch ein so weitgehender Globalantrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis. Er ist allerdings schon dann unbegründet, wenn nur bei einer der vom Antrag erfaßten Fallgestaltungen ein Beteiligungsrecht nicht besteht.

II.

Der Antrag ist nicht begründet.

1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Verfahrensweise der Arbeitgeberin bei der Befragung der Bewerber hinsichtlich ihrer DDR-Vergangenheit sei unter § 94 BetrVG einzuordnen, so daß grundsätzlich ein Zustimmungsrecht des Betriebsrats bestehe.

a) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin kann weder dem Wortlaut noch dem systematischen Zusammenhang von § 94 Abs. 1 und 2 BetrVG entnommen werden, daß eine schriftliche formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über u.a. die Eignung des Bewerbers nur zustimmungspflichtig ist, wenn dieser die Fragen auf dem Formular schriftlich beantwortet und das Formular unterschreibt. Für eine solche Auslegung gibt der Wortlaut von § 94 BetrVG nichts her. § 94 BetrVG definiert den Begriff des Personalfragebogens nicht, sondern setzt ihn voraus. Unter Personalfragebogen ist die formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über die persönlichen Verhältnisse, insbesondere Eignung, Kenntnisse und Fähigkeiten einer Person zu verstehen (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 94 Rz 3; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 94 Rz 3; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 94 Rz 6; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 94 Rz 8, alle m.w.N.).

Personalfragebogen und allgemeine Beurteilungsgrundsätze sind wichtige Instrumente der Personalplanung, denn durch sie will der Arbeitgeber möglichst viele Daten über die Person der Bewerber um einen Arbeitsplatz erhalten, um seine Personaleinsatzplanung erfolgreich durchzuführen (Dietz/Richardi, aaO, § 94 Rz 1). Dabei besteht die Gefahr, daß Fragen gestellt werden, deren Beantwortung tief in die verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitssphäre eingreift. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 94 BetrVG dient dem Zweck, diese Gefahren zu mindern. Es soll sichergestellt werden, „daß die Fragen auf die Gegenstände und den Umfang beschränkt bleiben, für die ein berechtigtes Auskunftsbedürfnis des Arbeitgebers besteht” (Begründung zum Reg.-Entwurf, BT-Drucks. VI/1786, S. 50). Die Verwendung von Personalfragebögen mag in erster Linie in der Weise geschehen, daß die befragte Person den Bogen selber ausfüllt und unterschreibt. Um einen Personalfragebogen handelt es sich aber auch dann, wenn auf andere Art und Weise Bewerber oder Arbeitnehmer standardisierte Fragen zu beantworten haben, insbesondere wenn es sich um eine schriftliche formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über die persönliche Eignung handelt. Nicht nur vom Schutzzweck des § 94 BetrVG, sondern auch vom Wortlaut sind Fragen aufgrund eines solchen Fragebogens nach § 94 Abs. 1 BetrVG zustimmungsbedürftig. Dementsprechend ist allgemeine Meinung, daß § 94 Abs. 1 BetrVG auch dann anwendbar ist, wenn die Fragen an Bewerber oder Arbeitnehmer anhand eines standardisierten Fragenkatalogs, einer „Checkliste”, vom Arbeitgeber mündlich gestellt und die Antworten vom Fragenden schriftlich festgehalten werden (Kraft, aaO, § 94 Rz 8; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 94 Rz 3; Dietz/Richardi, aaO, § 94 Rz 5; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 94 Rz 11; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 94 Rz 4; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO, § 94 Rz 3; Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, 1982, Rz 94; Weiss, BetrVG, 2. Aufl., § 94 Rz 7; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 238 IV 1 b, alle m.w.N.).

Die Auffassung der Arbeitgeberin, § 94 BetrVG wolle den Arbeitnehmer bzw. Bewerber nur vor der schriftlichen Beantwortung von Fragen schützen, geht am Schutzzweck von § 94 BetrVG vorbei. Es geht darum, dem Betriebsrat durch das Beteiligungsrecht die Möglichkeit zu geben, Fragen auszuschließen, die für das Arbeitsverhältnis keine Bedeutung haben oder zu sehr in die Privatsphäre des einzelnen Arbeitnehmers eingreifen. Die Vorschrift von § 94 Abs. 2 BetrVG, nach dem das Zustimmungsrecht auch entsprechend für persönliche Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen gilt, die allgemein für den Betrieb verwendet werden sollen, soll eine Umgehung des Beteiligungsrechts nach § 94 BetrVG vermeiden helfen. Es geht also nur um die Formulararbeitsverträge, die bezüglich der Fragen dem gleichen Zweck dienen wie formularmäßige Zusammenfassungen von Fragen über die persönlichen Verhältnisse (Personalfragebögen).

b) Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin es sich bei dem vorliegenden Fragenkatalog nicht um ein Anforderungsprofil handelt. In Anforderungsprofilen werden für einen bestimmten Arbeitsplatz die fachlichen, persönlichen oder sonstigen Anforderungen, die ein Stellenbewerber oder ein Stelleninhaber erfüllen soll, abstrakt festgelegt (BAGE 43, 26 = AP Nr. 2 zu § 95 BetrVG 1972 und Senatsbeschluß vom 23. Februar 1988 - 1 ABR 82/86 - AP Nr. 2 zu § 93 BetrVG 1972). Anforderungsprofile beziehen sich auf einen bestimmten Arbeitsplatz. Sie legen für einen bestimmten Stellentyp die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen fest. Demgegenüber sind Personalfragebögen nicht arbeitsplatzbezogen, sondern personenbezogen. Es mag sein, daß ein Arbeitgeber aufgrund bestimmter Anforderungsprofile bei der Einstellung nach entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten fragt. Hierum geht es aber vorliegend nicht. Der Arbeitgeber fragt alle Bewerber aus dem Beitrittsgebiet nach ihrer DDR-Vergangenheit.

2. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist das Beteiligungsrecht auch nicht aufgrund des Einigungsvertrages ausgeschlossen. Art. 20 Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III des Einigungsvertrages beschreibt Sachverhalte, u.a. die Tätigkeit „für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit”, die dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ein Recht zur außerordentlichen Kündigung geben, wenn ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Hieraus kann aber nicht entnommen werden, daß damit zugleich Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei privaten Arbeitgebern, insbesondere bei der Erstellung von Personalfragebögen, eingeschränkt werden sollen.

3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war der noch rechtshängige Antrag jedoch abzuweisen, weil der Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 BetrVG entgegensteht.

a) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Arbeitgeberin unmittelbar und überwiegend wissenschaftlichen Bestimmungen dient, damit ein Tendenzunternehmen ist, ebenso wie der Betrieb ein Tendenzbetrieb (vgl. zur Bedeutung der Aufnahme von Unternehmen und Betrieb in § 118 Abs. 1 BetrVG Weller, HwB-AR Tendenzschutz Rz 10 bis 12).

b) Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats werden durch § 118 Abs. 1 BetrVG nur insoweit ausgeschlossen, als die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes dem entgegensteht.

Der Senat hat die Eigenartsklausel dahin konkretisiert, daß ein Beteiligungsrecht nur immer dann eingeschränkt ist, wenn es sich um die Maßnahme gegenüber einem Tendenzträger handelt (ständige Rechtsprechung: zuletzt BAGE 40, 296 = AP Nr. 12 zu § 15 KSchG 1969; BAGE 53, 237 = AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972; Senatsbeschlüsse vom 13. Januar 1987 - 1 ABR 49/85 - AP Nr. 33 zu § 118 BetrVG 1972, vom 18. April 1989 - 1 ABR 2/88 - AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit und vom 13. Juni 1989 - 1 ABR 15/88 - AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit sowie BAGE 64, 103 = AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972).

Auch bei Tendenzträgern steht die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs der Ausübung von Mitbestimmungsrechten nur entgegen, wenn es sich um tendenzbezogene Maßnahmen handelt und wenn die Ausübung des Beteiligungsrechts die Tendenzverwirklichung ernstlich beeinträchtigen kann (BAG Urteil vom 7. November 1975 - 1 AZR 282/74 - AP Nr. 4 zu § 118 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 30. Januar 1979 - 1 ABR 78/76 - AP Nr. 11 zu § 118 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; BAGE 35, 278, 284 = AP Nr. 18 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II der Gründe und BAGE 40, 296 = AP Nr. 12 zu § 15 KSchG 1969; BAGE 43, 35, 41 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 b aa der Gründe; BAG Beschluß vom 10. April 1984 - 1 ABR 73/82 - AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979, zu B II 2 der Gründe; BAGE 50, 241, 245 = AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 13. Juni 1989 - 1 ABR 15/88 - AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAGE 64, 103 = AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972 sowie BAG Beschluß vom 11. Februar 1992 - 1 ABR 49/91 - AP Nr. 50 zu § 118 BetrVG 1972).

c) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß bei der Gestaltung der Personalfragebögen das Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 BetrVG im allgemeinen bei Tendenzträgern entfällt, soweit es um tendenzbezogene Fragen geht und daß die Ausübung des Beteiligungsrechts nach § 94 BetrVG die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung ernstlich beeinträchtigen kann (Dietz/Richardi, aaO, § 118 Rz 134; Hanau, BB 1973, 901, 905; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 118 Rz 34 und Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 118 Rz 36; a.A. Fabricius, GK-BetrVG, § 118 Rz 626 und für den Regelfall Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO, § 118 Rz 65, die allenfalls in Ausnahmefällen annehmen, daß die Eigenart des Unternehmens dem Beteiligungsrecht entgegenstehen kann). Die Frage einer politischen Partei oder einer Gewerkschaft nach einer entsprechenden Mitgliedschaft von Bewerbern für die Besetzung des Arbeitsplatzes eines Tendenzträgers unterliegt deshalb nicht der Mitbestimmung.

Zutreffend ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, daß für Fragebögen der vorstehenden Art das Zustimmungsrecht nach § 94 BetrVG nicht ausgeschlossen ist, soweit der Fragebogen Anwendung finden soll bei Bewerbern für Stellen in der Verwaltung bzw. untergeordneten Arbeitsplätzen des W (Sekretärinnen, Hausmeister, Gärtner), weil es sich hier nicht um Tendenzträger handelt. Die Arbeitgeberin hat die Zustimmung des Betriebsrats nach § 94 Abs. 1 BetrVG einzuholen, bevor sie den Fragebogen gegenüber den Bewerbern anwendet, die nicht die Aufgaben eines Tendenzträgers wahrnehmen sollen.

d) Gleichwohl war der Antrag insgesamt abzuweisen. Die Ausübung des Zustimmungsrechts nach § 94 Abs. 1 BetrVG ist geeignet, die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung ernstlich zu beeinträchtigen, soweit Wissenschaftler betroffen sind. Umfaßt aber ein sog. Globalantrag nur eine einzige Fallgestaltung, für die kein Beteiligungsrecht besteht, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats der Antrag insgesamt abzuweisen (vgl. z.B. BAG Beschluß vom 18. Oktober 1988 - 1 ABR 26/87 - AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 2 der Gründe).

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind die Fragen nach der Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit und ähnlichen Organisationen an Wissenschaftler aus der ehemaligen DDR vor deren Einstellung tendenzbezogen. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, nur wenn die bejahende Antwort automatisch zur Nichteinstellung eines Bewerbers führe, könne es sich um eine tendenzbezogene Frage handeln, die das Beteiligungsrecht ausschließe, hat der Senat nicht folgen können.

Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, bei den Wissenschaftlern handele es sich um Tendenzträger, da ihre Tätigkeit prägend für die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung des W sei. Gerade eine wissenschaftliche Einrichtung wie die Arbeitgeberin muß darauf bedacht sein, für ihre Tätigkeit nach jeder Richtung unvoreingenommene Personen zu gewinnen. Die Beschäftigung von Wissenschaftlern, die in herausgehobener Position an der Erhaltung des Unrechtsregimes der DDR mitgewirkt haben, sei es als Mitarbeiter der Staatssicherheit, sei es in herausgehobener Position in einer der Blockparteien, schadet in ganz erheblichem Maße dem Ansehen der Arbeitgeberin. Sie muß dann, wenn sie infolge Unkenntnis belastete Bewerber einstellt und dies bekannt wird, damit rechnen, daß die von ihr herausgegebenen wissenschaftlichen Beiträge an Wert verlieren, weniger gelesen werden und bei Symposien und Konferenzen ihren Repräsentanten Mißtrauen entgegengebracht wird. Deshalb ist sie darauf angewiesen, vor der Einstellung von wissenschaftlichen Mitarbeitern Fragen, wie die nach einer früheren Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit, zu stellen. Diese Fragen sind also tendenzbezogen. Die Ausübung des Beteiligungsrechts nach § 94 BetrVG ist hier auch geeignet, ernstlich die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung zu beeinträchtigen, weil auf diese Weise verhindert werden kann, daß gerade die Fragen nach einer belasteten Vergangenheit in der DDR gestellt werden, deren Beantwortung für das W von außerordentlicher Bedeutung ist. Nur wenn die Arbeitgeberin die Fragen stellen und bei entsprechenden Antworten auf eine Einstellung verzichten kann, ist sie in der Lage, Schaden für ihr Ansehen abzuwenden.

Es kann nicht darauf ankommen, ob die Beantwortung der Fragen automatisch zu einer Nichteinstellung führt. Entscheidend ist, daß die Ausübung des Zustimmungsrechts zum Ausschluß der Fragemöglichkeit nach einer Tätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit und herausgehobene Positionen in den Blockparteien führen kann. Weil damit der Arbeitgeberin eine Reaktionsmöglichkeit auf entsprechende Belastungen genommen wird, ist die Ausübung des Beteiligungsrechts auch geeignet, die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung ernstlich zu beeinträchtigen. Daß die Arbeitgeberin sich die Möglichkeit vorbehält, scheinbar belastete Personen aufgrund ihres besonderen Einzelschicksals dennoch einzustellen, spricht nicht dagegen.

Da vom Antrag des Betriebsrats alle Bewerber ohne Rücksicht auf eine Tendenzträgerschaft umfaßt werden, ist der Antrag nicht begründet. Dementsprechend war der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben, der Beschluß des Arbeitsgerichts abzuändern und auch der Antrag zu 1) abzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Weller, Dr. Rost, Schliemann, Weinmann, Rose

 

Fundstellen

Haufe-Index 60079

BB 1994, 75

DB 1994, 480-482 (LT1-2)

BuW 1994, 211 (K)

AiB 1994, 425-426 (LT1-2)

BetrVG, (1) (LT1-2)

ARST 1994, 83 (LT1)

CR 1994, 632-635 (LT1-2)

NZA 1994, 375

NZA 1994, 375-378 (LT1-2)

SAE 1995, 149-153 (LT1-2)

AP, (LT1-2)

AR-Blattei, ES 1570 Nr 50 (LT1-2)

AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 147 (LT1-2)

AfP 1994, 256

DSB 1994, Nr 5, 18-19 (ST)

EzA, (LT1-2)

NJ 1994, 192 (L)

RAnB 1994, 288 (L)

RDV 1994, 133-134 (LT1-2)

ZfPR 1994, 162 (L)

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