Leitsatz (amtlich)

1. Das Wahlverfahren bei der Betriebsratswahl einschließlich einer Vorabstimmung nach § 13 Abs. 2 BetrVG ist so durchzuführen, daß der Wähler seine Stimme unbeeinflußt durch die Art und die Mittel des Wahlverfahrens abgeben kann.

2. Der Grundsatz der hinsichtlich des Wahlverfahrens und der Art seiner Durchführung freien Wahl gilt für alle gesetzlich geregelten Wahlverfahren.

3. Werden Stimmzettel verwendet, bei denen die Wahl durch Ankreuzen eines Kreises zu erfolgen hat und ist einer der mehreren Kreise merklich stärker als der andere ausgedruckt, so stellt dies einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien Wahl dar.

Dieser Verstoß ist deswegen gegeben, weil der Wähler unbewußt gerade diesen Kreis ankreuzen kann, aber auch, weil der Wähler entweder einer von ihm in den stärkeren Ausdrucken dieses Kreises erblickten Wahlbeeinflussung folgen oder im Gegenteil sich ihr widersetzen will.

4. Es kommt nicht darauf an, ob der stärkere Ausdruck eines Kreises auf dem Wahlzettel beabsichtigt war und insbesondere der Wahlbeeinflussung dienen sollte. Entscheidend ist schon, ob dadurch eine Wahlbeeinflussung objektiv möglich ist.

 

Normenkette

BetrVG § 13 Abs. 2, §§ 18, 19 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 15.08.1968; Aktenzeichen 8 Ta BV 1/68)

ArbG Lörrach (Beschluss vom 02.05.1968; Aktenzeichen 2 BV 1/68)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. August 1968 – 8 Ta BV 1/68 – aufgehoben.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Lörrach vom 2. Mai 1968 – 2 BV 1/68 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

I. Für die am 20. März 1968 im Kaliwerk Buggingen der beteiligten Gewerkschaft Baden durchgeführte Betriebsratswahl fand am 31. Januar 1968 eine Vorabstimmung nach § 13 Abs. 2 BetrVG über die Durchführung jener Wahl als Gruppenwahl oder als Gemeinschaftswahl statt. An dieser Vorabstimmung, die ursprünglich für den 1. Februar 1968 vorgesehen war, beteiligten sich von den 106 wahlberechtigten Angestellten 99, von denen 55 für die Gemeinschaftswahl und 44 gegen diese stimmten. Von den wahlberechtigten 727 Arbeitern stimmten 348 für die Gemeinschaftswahl und 54 dagegen.

Für die Vorabstimmung waren gedruckte Stimmzettel von Wahlvorstand zur Verfügung gestellt und von den Abstimmungsberechtigten verwendet worden, die mit Ausnahme der Gruppenbezeichnung und der Farbe – grün für die Angestellten und weiß für die Arbeiter – gleich bedruckt waren und in denen als Abstimmungsdatum der 1. Februar 1968 vermerkt war. Unter die in den Stimmzetteln gestellte Frage, ob die Wahl als gemeinsame Wahl durchgeführt werden sollte, waren zwei Kreise, neben denen ein „ja” und ein „nein” gedruckt war, auf den Stimmzettel gesetzt. Der innere Durchmesser bei beiden Kreisen ist gleich. Der Kreis selbst ist jedoch bei dem Ja-Kreis etwa 1/3 bis 1/2 mm starker ausgedruckt als der Nein-Kreis und damit etwa doppelt so dick wie die Umrandung des Nein-Kreises. Wegen der Verlegung des Wahltages vom 1. Februar 1968 auf den 31. Januar 1968 wurden während der Abstimmung der Angestellten für einen Teil der Abstimmenden die gedruckten Stimmzettel handschriftlich dahin geändert, daß als Datum der 31. Januar 1968 angegeben wurde. Die Stimmzettel der drei Briefwähler und einiger weiterer Angestellter konnten beim Aufdecken des Irrtums nicht mehr berichtigt werden.

Die Antragstellerin focht am 29. März 1968 die in Gemeinschaftswahl durchgeführte Betriebsratswahl an. Zur Begründung machte sie geltend, es seien wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verletzt worden. Durch die Verwendung eines Stimmzettels, bei dem der Ja-Kreis merklich dicker als der Nein-Kreis ausgedruckt worden sei, seien wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren bereits bei der Vorabstimmung nach § 13 Abs. 2 BetrVG verletzt worden; es liege eine unzulässige Wahlbeeinflussung vor. Auch verstoße die Verwendung von handschriftlich geänderten Stimmzetteln neben unveränderten Stimmzetteln gegen die Grundsätze einer geheimen Wahl. Schließlich habe auch der Wahlvorstand zu Unrecht einen Wahlvorschlag „Liste 2” zurückgewiesen und einen daraufhin eingereichten Wahlvorschlag „Freie Wähler” zu Unrecht nicht zugelassen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

festzustellen, daß die Betriebsratswahl vom 20. März 1968 unwirksam ist.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen

und geltend gemacht, ein Anfechtungsgrund für die durchgeführte Betriebsratswahl sei nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 2. Mai 1968 festgestellt, daß die durchgeführte Betriebsratswahl unwirksam ist. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Landesarbeitsgericht durch den angefochtenen Beschluß unter Zulassung der Rechtsbeschwerde den erstinstanzlichen Beschluß aufschoben und den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl zurückgewiesen.

Mit der Rechtsbeschwerde beantragt die Antragstellerin,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Beschwerde gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.

Der Antragsgegner bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Nach § 18 BetrVG kann jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft binnen einer Frist von vierzehn Tagen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl des Betriebsrats beim Arbeitsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, daß durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte. Die Antragstellerin ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Sie ist daher zur Anfechtung berechtigt. Auch ist die Anfechtungsfrist dadurch gewahrt, daß die Anfechtung gegen die am 20. März 1968 durchgeführte Betriebsratswahl bereits am 29. März 1968 vorgenommen worden ist.

2. Die Antragsstellerin stützt ihre Anfechtung insbesondere darauf, daß bei der Vorabstimmung über die Durchführung der Betriebsratswahl als Gruppenwahl oder als Gemeinschaftswahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden sei, ohne daß der Verstoß das Ergebnis der Vorabstimmung nicht hätte berühren können.

Wenn ein solcher Verstoß bereits in dem Verfahren bei der Durchführung der Vorabstimmung nach § 13 Abs. 2 BetrVG gegeben ist, kann die Betriebsratswahl angefochten werden. Zu den Vorschriften über das Wahlverfahren bei der Wahl des Betriebsrats gehört auch die Vorschrift des § 13 Abs. 2 BetrVG, die bei dem Beschluß der Gruppen über, die Frage, ob in Gruppenwahl oder in Gemeinschaftswahl zu wählen ist, beachtet werden muß.

Nach § 13 Abs. 2 BetrVG „beschließen” die Gruppenangehörigen getrennt „die gemeinsame Wahl”. Ihnen ist die Entscheidung übertragen, ob der Betriebsrat in der grundsätzlich vorgesehenen Gruppenwahl oder, rechtlich ausnahmsweise, in Gemeinschaftswahl gewählt werden soll. Ihre Entscheidung ist dabei durch eine Wahl zu treffen; der jeweilige Beschluß der Gruppenangehörigen erfolgt in Abstimmungen. Die Vorabstimmung selbst stellt eine gesetzlich geregelte betriebsverfassungsrechtliche Wahl dar. Sie bildet mit der Betriebsratswahl ein einheitliches Ganzes. Wird, wie hier, die Gemeinschaftswahl beschlossen, beruht die entsprechend diesem Ergebnis durchgeführte Betriebsratswahl notwendig auf der Vorabstimmung, die nach § 13 Abs. 2 BetrVG erst die gemeinsame Wahl ermöglicht. Verbleibt es bei der Gruppenwahl, ist im übrigen die Vorabstimmung hierfür letztlich auch maßgebend. Die Möglichkeiten, in Gruppenwahl oder in Gemeinschaftswahl den Betriebsrat zu wählen, wurden zunächst zur Wahl gestellt und erst die Wahl entschied endgültig. Ist die Vorabstimmung unter Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das bei der Vorabstimmung einzubauende Wahlverfahren durchgeführt, krankt somit die ganze Betriebsratswahl an diesem Verstoß. Insbesondere kann diese eigentliche Betriebsratswahl in Gemeinschaftswahl, wie dies hier geschehen ist, rechtlich unangreifbar nur dann durchgeführt werden, wenn der nach § 13 Abs. 2 BetrVG dazu erforderliche jeweilige Beschluß der Angehörigen beider Gruppen ordnungsgemäß zustandegekommen ist, in dem Wahlverfahren nach § 13 Abs. 2 BetrVG also nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen ist, es sei denn, daß durch den Verstoß das Ergebnis der Vorabstimmung nicht geändert oder beeinflußt worden konnte.

Auch das Wahlrecht der Gruppenangehörigen nach § 13 Abs. 2 BetrVG steht unter dem Schutz der für alle Wahlen geltenden Grundsätze, die in einem demokratischen Rechtsstaat gesetzlich geregelt sind. Als gesetzliche Regelungen sind sie ein integrierender Bestandteil der Rechtsordnung des demokratischen Rechtsstaates. Zu jenen Grundsätzen gehört, daß der Wähler in freier Willensentschließung über die ihm zur Beantwortung gestellte Frage entscheiden kann. Zwar ist es den Wahlbewerbern und den Stellen, die an der Wahl bestimmter Wahlbewerber interessiert sind, unbenommen, die wahlberechtigten Arbeitnehmer durch Werbemaßnahmen, die allerdings ihrerseits nicht rechtlich zu beanstanden sein dürfen, dahin zu beeinflussen, daß sie ihre Stimme in einem bestimmten Sinne abgeben; jede Wahl führt zwangsläufig auch zu einem Wahlkampf und damit mindestens zu dem Versuch, die Stimmabgabe der Wahlberechtigten zu bestimmen. Die Stimmabgabe selbst bleibt jedoch frei. Wenn sonach auch eine bestimmte Wahlbeeinflussung durch die Wahlbewerber und die diesen nahestehenden Stollen und Personen zulässig ist, so muß doch das Wahlvorfahren selbst so ausgestaltet sein und von dem Wahlvorstand so durchgeführt werden, daß dabei nicht schon durch die Ausgestaltung des Wahlverfahrens und die dabei eingesetzten Mittel, insbesondere die den Wählern von dem Wahlvorstand zur Verfügung gestellten Stimmzettel, auf die Wahlberechtigten in einem bestimmten Sinne eingewirkt wird oder eingewirkt werden kann. Das Wahlverfahren und die Art seiner Durchführung müssen als die nähere rechtliche Ausgestaltung der in freier Entschließung der Wähler erfolgenden Wahl den Grundsatz der Neutralität wahren. Aufgabe des Wahlvorstandes als der Stelle, die über die ordnungsmäßige und in diesem Sinne unbeeinflußte Wahl zu wachen hat, ist es daher, das Wahlverfahren so einzuleiten und durchzuführen, daß eine Beeinflussung der Wähler durch die Form des Wahlverfahrens und die dabei eingesetzten Mittel nicht eintreten kann. Insbesondere hat der Wahlvorstand darüber zu wachen, daß die von ihm bereitgestellten Stimmzettel nicht durch ihren Inhalt und ihre äußere Aufmachung den Eindruck erwecken können, es werde den Wählern die Entscheidung in einem bestimmten Sinne nahegelegt.

3. Tatsächlich ist davon auszugehen, daß bei den für die Vorabstimmung vom Wahlvorstand bereitgestellten gedruckten Stimmzetteln einheitlich der Ja-Kreis in seiner Umrandung etwa 1/3 bis 1/2 mm stärker als der Nein-Kreis und damit etwa doppelt so dick wie der Nein-Kreis ausgedruckt war. Weiter ist davon auszugeben, daß dieser unterschiedliche Druck bei beiden Kreisen nicht etwa von dem Wahlvorstand bewußt veranlaßt worden ist, daß er vielmehr auf eine mangelhafte Ausführung des der Druckerei erteilten Auftrages zurückgeht.

Das Landesarbeitsgericht geht selbst in den Gründen seiner Entscheidung davon aus, daß der Stimmzettel nicht für die eine oder andere Abstimmungsmöglichkeit werben darf. Eine solche Werbung ist auch nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts dann gegeben, wenn bei der Vorwahl die Umrandung einer der beiden Kreise auffallend größer und dicker gedruckt ist. Gerade dies ist aber nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bei dem hier für die Vorabstimmung vom Wahlvorstand bereitgestellten und von den Wählern verwendeten Stimmzetteln gemäß den dieserhalb vorliegenden Gegebenheiten der Fall. Eine Druckanordnung wie hier kann zu einer Beeinflussung der Wähler führen. Eine solche Beeinflussung als Folge der Druckanordnung kann darin bestehen, daß uninteressierte Wähler unbewußt den stärker ausgedruckten Kreis ankreuzen, sie kann auch darin bestehen, daß Wähler den stärkeren Ausdruck des Ja-Kreises als Aufforderung, diesen Kreis anzukreuzen, ansehen und sich dieser Aufforderung entsprechend verhalten. Sie kann schließlich darin bestehen, daß die Wähler gerade deshalb, weil ihnen ihrer Ansicht nach mit dem stärkeren Ausdrucken des Ja-Kreises die Abstimmung im Sinne der Bejahung der gestellten Frage nahegelegt wird, aus einer Trotzreaktion gegen eine solche von ihnen als unangebracht angesehene Wahlbeeinflussung gerade im Gegenteil mit „nein” stimmen. Dadurch, daß der Ja-Kreis merklich dicker, nämlich etwa doppelt so stark wie der Nein-Kreis, ausgedruckt worden ist, kann es also zu einer Wahlbeeinflussung sowohl gegen wie für die Gemeinschaftswahl kommen.

Wenn das Landesarbeitsgericht ausführt, von den vier Landesarbeitsrichtern, die in den Sitzungen des Landesarbeitsgerichts mitgewirkt hätten, sei bei der Frage, was ihnen dort auffalle, erst nach längerem Blick auf die Stimmzettel wahrgenommen worden, daß der Ja-Kreis dicker gedruckt sei als der Nein-Kreis, so ist dabei einmal zu berücksichtigen, daß die Landesarbeitsrichter nicht in der Rolle des Wählers waren, also nicht sofort ihr Augenmerk auf die Stelle des Wahlzettels zu richten brauchten, auf die der Wähler sein Kreuz zu setzen hatte. Insbesondere aber steht diese Wertung des Landesarbeitsgerichts, das aus ihr ableitet, eine Wahlbeeinflussung sei nicht gegeben, mit der eigenen tatsächlichen Feststellung des Landesarbeitsgerichts in Widerspruch. Durch den merklich stärkeren Ausdruck des Ja-Kreises auf demselben Wahlzettel mußte dieser Umdruck den Wählern mehr in das Auge fallen als der Nein-Kreis.

Es kommt im Gegensatz zur Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts nicht darauf an, ob der Wahlvorstand oder eine andere Stelle mit der äußeren Form des Stimmzettels, dem stärkeren Ausdruck des Ja-Kreises, eine Wahlbeeinflussung vornehmen wollten oder nicht. Entscheidend ist allein, daß hierdurch eine Wahlbeeinflussung eintreten konnte. Auch die unbeabsichtigte, aber bereits durch die Art der Durchführung des Wahlverfahrens und durch die dabei eingesetzten Mittel mögliche Wahlbeeinflussung ist in diesem Sinne ein Verstoß gegen die Vorschriften über das Wahlverfahren. Das Wahlverfahren und die Art seiner Durchführung wahren im Hinblick auf die freie Entscheidung der Wähler den Grundsatz der Neutralität schon dann nicht, wenn ihre objektive Ausgestaltung dieserhalb Mängel ausweist. Dem steht die Regelung des § 19 Abs. 1, 2 BetrVG über den Schutz der eigentlichen Betriebsratswahl nicht entgegen. Danach darf nicht nur die Wahl des Betriebsrats nichtverhindert werden, kein Arbeitnehmer darf in der Ausübung des aktiven oder passiven Wahlrechts beschränkt werden und die Wahl darf nicht durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflußt werden. Vielmehr ist nach den allgemeinen Grundsätzen über jede Wahl in einem demokratischen Rechtsstaat, die gesetzlicher Regelung unterliegt, von den Wahlvorständen dafür Sorge zu tragen, daß die Wahlberechtigten in der Durchführung des Wahlverfahrens durch die dazu berufenen Stollen und die dabei eingesetzten technischen Mittel, wie es die einheitlich ausgegebenen Stimmzettel sind, sachlich nicht beeinflußt werden können. Anderenfalls wäre der Wahlschutz unvollständig, und wesentliche Wahlvorgänge blieben ungeschützt.

4. Den Landesarbeitsgericht ist auch nicht darin beizutreten, daß durch die Verwendung der unzulässigen Stimmzettel das Wahlergebnis nicht geändert wurde. Nach § 18 BetrVG ist grundsätzlich in jedem Falle eines Verstoßes gegen wesentliche Wahlvorschriften über das Wahlverfahren die Betriebsratswahl mit der Folge ihrer Unwirksamkeit anfechtbar. Nur dann, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden „konnte”, ist die Wahlanfechtung, zutreffender gesagt, ihr Erfolg, ausgeschlossen. Für die Durchführung einer Gemeinschaftswahl ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlich, daß die Mehrheit der Arbeitnehmer in jeder Gruppe sich an den in den Gruppen getrennt durchzuführenden Abstimmungen beteiligt, und weiterhin, daß die Mehrheit der Abstimmenden in jeder Gruppe für die Gemeinschaftswahl stimmt. Hier haben von den 106 wahlberechtigten Angestellten 99 an der Vorabstimmung teilgenommen. Von diesen 99 haben 55 für die Gemeinschaftswahl gestimmt. Es hat also sowohl die Mehrheit der wahlberechtigten Angestellten an der Wahl teilgenommen wie auch die Mehrheit der abstimmenden Angestellten für die Gemeinschaftswahl gestimmt. Wenn aber von den 55 abstimmenden Angestellten, die für die Gemeinschaftswahl gestimmt haben, nur sechs ihre Stimme im gegenteiligen Sinne abgegeben hätten, also für die Gruppenwahl gestimmt hätten, wäre die Durchführung der Betriebsratswahl in Gemeinschaftswahl nicht zulässig gewesen. Es ist nicht aus zuschließen, daß jedenfalls sechs der abstimmenden Angestellten durch die Form des Stimmzettels mit dem merklich etwa doppelt so dicken Ja-Kreis in ihrer Stimmabgabe insbesondere für die Gemeinschaftswahl beeinflußt worden sind. Ist das aber nicht auszuschließen, so kann auch jedenfalls deswegen nicht festgestellt werden, daß der vorliegende Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt haben konnte.

5. Im Hinblick darauf, daß die Betriebsratswahl schon wegen des Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren bei der Vorabstimmung nach § 13 Abs. 2 BetrVG auf Grund der Anfechtung unwirksam ist, braucht auf die weiteren Angriffe der Antragstellerin gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahl Verfahrens nicht eingegangen zu werden. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses war der erstinstanzliche Beschluß, der die Unwirksamkeit der durchgeführten Betriebsratswahl feststellt, wieder herzustellen.

 

Unterschriften

gez. Dr. Müller, Wendel, Dr. Schröder, Dr. Gerland, Dr. Erich Frey

 

Fundstellen

MDR 1969, 514

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