Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeldanspruch des Arbeitnehmers. Überwachung des Arbeitsbereiches durch eine Videokamera

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Der Arbeitgeber greift rechtswidrig und schuldhaft durch die Installation einer Videoanlage, die auf den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers gerichtet ist, in dessen Personlichkeitsrecht ein.

2.) Es genügt hierbei, dass die Videoanlage zumindest Teile des Arbeitsbereiches des betroffenen Arbeitnehmers überwachen kann.

 

Normenkette

BGB § 847; GG Art. 1-2; Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von DM 1.300,00 (i. W.: eintausenddreihundert Deutsche Mark) zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 1.300,00 festgesetzt

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld.

Der Kläger ist seit 1982 bei der Beklagten als Food-Controller im Lebensmittellager der Beklagten beschäftigt. Er erzielt ein Monatsbruttogehalt von … DM 4.400,– Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass zumindest vom 03.01.2000 bis einschließlich dem 29.02.2000 eine Videoanlage im Lebensmittellager installiert gewesen ist. Diese Videoanlage war auf den Ein- bzw. Ausgang des Lebensmittellagers hin ausgerichtet, konnte aber Teilbereiche des Lebensmittellagers einfangen bzw. entsprechende Beobachtungen ermöglichen. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Videoanlage nicht auf das Büro des Klägers bzw. dessen Schreibtisch gerichtet war. Nach dem von der Beklagten nicht widersprochenen Tatsachenvortrag des Klägers hat dieser Ende Februar, nachdem er von einem Mitarbeiter der Beklagten auf die Videoanlage und deren Installation im Lebensmittellager angesprochen worden war, in diese gewinkt, woraufhin im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang die Videoanlage abgebaut wurde.

Da die Installation der Videoanlage ohne Mitbestimmung des Betriebsrats stattgefunden hatte, der Kläger klageweise die Unterlassung dieser Installation gefordert hatte, haben die Parteien in der Güteverhandlung am 04.08.2000 einen Teilvergleich dahingehend abgeschlossen, dass eine Videoüberwachung im Arbeitsbereich des Klägers nicht ohne Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsverfahrens stattfinden wird. Wegen der Formulierung des Teilvergleichs wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.08.2000 (Bl. 11 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde wegen einer schwerwiegenden und nachhaltigen Persönlichkeitsrechtsverletzung ein Schmerzensgeldanspruch zu.

Der Kläger behauptet hierzu, dass für den Einsatz der Videokamera keine Erforderlichkeit gegeben gewesen sei. Außerdem sei es durch die Installation der Videokamera zu einer kontinuierlichen Überwachung des Klägers gekommen.

Der Kläger behauptet weiter, es sei betriebsbekannt gewesen, dass im Lebensmittellager eine Videokamera installiert gewesen sei.

Der Kläger behauptet weiter, er habe dies als Beschuldigung, Demütigung empfunden und sei hierdurch in permanente Angst versetzt worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass kein nachhaltiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers gegeben sei.

Hierzu behauptet die Beklagte, der Einsatz einer Videokamera sei schon deshalb erforderlich gewesen, weil es in der Vergangenheit zu Diebstählen im Lager gekommen sei.

Die Beklagte behauptet weiter, der Arbeitsplatz des Klägers sei nicht überwacht worden, weil dies außerhalb der Arbeitszeit des Klägers geschehen sei.

Die Beklagte behauptet weiter, es seien ausschließlich die Aus- und Eingänge von Personen, die die Eingangstür des Lagers genommen hätten, aufgezeichnet worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger die Höhe des Schmerzensgeldanspruches in das Ermessen des erkennenden Gerichts stellt. Dieser Antrag ist zulässig, obwohl § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einen bestimmten Klageantrag vorschreibt.

Das vom Kläger begehrte Schmerzensgeld ist eine billige Entschädigung in Geld für einen Schaden, der kein Vermögensschaden ist. Der Nichtvermögensschaden, so er denn eingetreten ist, besteht aus Verlust an Lebensfreude, den man in Geld nicht messen kann, also aus Schmerzen und Leiden. Behinderungen, Einstellungen und Wesensveränderungen. Kummer. Sorgen, Depressionen und andere psychische Belastungen. Welcher Geldbetrag billig ist, bestimmt nicht der Verletzte, sondern das erkennende Gericht. Deshalb darf der Verletzte ausnahmsweise unbeziffert klagen und die Höhe in das Ermessen des Gerichts stellen (BGH NJW 1965, S. 531; NJW 1969, S. 1427; NJW 1974, S. 1551; NJW 1984, S. 1809).

Die Klage ist begründet, soweit die Kammer dem Kläger ein Schmerzensgeld zugesprochen hat.

Die Klage is...

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