Die Generalklausel des § 12 Abs. 1 AGG verpflichtet den Arbeitgeber, konkrete geeignete Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligungen durch Arbeitskollegen oder Dritte, wie etwa Kunden, zu treffen.[1] Was "erforderlich" ist, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, nicht nach der subjektiven Einschätzung auf Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite. Welche Maßnahmen geboten sind, kann je nach der Größe des Betriebs unterschiedlich zu beurteilen sein. Die Verpflichtung kann aber immer nur so weit gehen, wie der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich zur Pflichterfüllung in diesem Bereich in der Lage ist.

Zu denken ist sowohl an organisatorische Maßnahmen als auch an eine Aufklärung über die Problematik der Benachteiligung. Eine "geeignete Maßnahme" sind auf jeden Fall entsprechende Schulungen der Beschäftigten. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten nämlich in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, so gilt dies als Erfüllung seiner allgemeinen Schutzpflichten.[2] Dabei kann die Schulung der Beschäftigten an den betrieblichen Erfordernissen ausgerichtet sein. Denkbar ist z. B.

  • die Durchführung von Seminaren für die Mitarbeiter der Personalabteilung,
  • die Organisation und Durchführung von Work-Shops mit Rollenspielen für diejenigen, die Bewerbungsgespräche führen,
  • das Einstellen eines E-Learning-Moduls in das Intranet,
  • die Bereitstellung von schriftlichen Unterlagen, Broschüren o. Ä.

Als weitere allgemeine Präventionsmaßnahmen[3] kommen in Betracht:

  • die Festlegung konkreter Verfahrensregeln für das Vorgehen im Fall der Benachteiligung, Belästigung und sexuellen Belästigung von Beschäftigten im Betrieb bzw. Unternehmen, insbesondere hinsichtlich der Behandlung der Beschwerden von Betroffenen und der Ahndung von Verstößen (z. B. durch Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung).

     
    Achtung

    Mitbestimmung prüfen

    Wenn der Arbeitgeber in einem Verhaltenskodex ("Ethic-Code") das Verhalten der Arbeitnehmer und die betriebliche Ordnung regeln will, hat der Betriebsrat zwar grundsätzlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen.[4]

    Gibt es jedoch bereits eine gesetzliche Regelung über den durch den Verhaltenskodex betroffenen Gegenstand, ist eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen. Dies gilt z. B. für die Bestimmungen der §§ 1, 3, 7 und 12 AGG, die das Verbot "unwillkommener sexueller Zudringlichkeiten oder Körperkontakte, Gesten und Aussagen sexuellen Inhalts" inhaltlich regeln. Nach der Auffassung des BAG enthalten die Bestimmungen des AGG insoweit eine abschließende gesetzliche Regelung.[5] Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, das Verbot durchzusetzen. Die Betriebspartner können diese Pflicht weder abmildern noch relativieren.

Präventionsmaßnahmen können auch sein:

  • Der Hinweis an Führungskräfte auf ihre Verantwortung für den Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung, Belästigung und sexueller Belästigung innerhalb ihres Arbeits- und Kompetenzbereichs,
  • die Unterweisung der Beschäftigten über die Problematik der Benachteiligung, Belästigung und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, den Inhalt des AGG und der ergänzenden innerbetrieblichen Regelungen sowie das Vorgehen im Fall konkreter Vorfälle (z. B. auf einer Betriebsversammlung),
  • die Einrichtung einer Beschwerdestelle nach § 13 AGG oder besonderer Beauftragter bzw. Vertrauenspersonen für die Entgegennahme und Behandlung der Beschwerden von Betroffenen[6]
  • die Gestaltung der Arbeitsumgebung und der Arbeitsbedingungen mit dem Ziel der Beseitigung solcher Umstände, die eine Benachteiligung, Belästigung und sexuelle Belästigung von Beschäftigten erleichtern bzw. begünstigen können (z. B. ausreichende Beleuchtung, breite Durchgänge, nach Geschlechtern getrennte abschließbare Umkleide- und Waschräume, besondere Parkplätze für weibliche Mitarbeiter, Notrufeinrichtungen für Arbeitsplätze, an denen Frauen außerhalb der Ruf- und Sichtweite zu anderen Mitarbeitern beschäftigt sind).
[1] Dem entsprach vor Inkrafttreten des AGG isoliert und speziell für die Fälle sexueller Belästigung am Arbeitsplatz § 2 Abs. 1 BeschSchG; dessen Schutz erstreckte sich ebenfalls nicht nur auf die Verhinderung bzw. Unterbindung von sexuellen Belästigungen eigener oder fremder Beschäftigter durch Mitglieder der eigenen Belegschaft, sondern umfasste auch die sexuelle Belästigung der eigenen Beschäftigten durch Dritte, die nicht im Betrieb bzw. Unternehmen beschäftigt sind (z. B. Mitarbeiter anderer Unternehmen, Lieferanten, Kunden).
[2] So ausdrücklich § 12 Abs. 2 Satz 2 AGG. Damit wäre dann auch eine Haftung wegen eines Organisationsverschuldens ausgeschlossen.
[6] Zur Beschwerdestelle nach § 13 AGG vgl. Abschn. 4.6; sowie BAG, Beschluss v. 21.7.2009, 1 ABR 42/08.

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