Wirtschaftspsychologie: Weiterbildung für Personaler

So mancher Mythos geistert durch die HR-Abteilungen - gerade wenn es um psychologisches Wissen geht. Professor Uwe P. Kanning klärt über die Fakten auf. Heute zeigt er, wie sich Personaler weiterbilden - und warum diese Weiterbildung durchaus verbesserungsbedürftig ist.

Wer schon häufiger an Weiterbildungsveranstaltungen für Personaler teilgenommen hat, kennt das klassische Szenario: Ein paar Dutzend Fachvertreter finden sich einen Tag lang in einem Hotel oder einer Bildungseinrichtung ein, um der Reihe nach die Vorträge erfahrener Kollegen anzuhören und zwischen den Vorträgen ihre Eindrücke zu diskutieren.

HR-Veranstaltungen: Ein Mix aus Praxis und Beratung

Die Referenten repräsentieren eine bunte Mischung der immer gleichen Personengruppen: Vertreter mittelständischer Unternehmen berichten aus ihrer Berufspraxis und geben Beispiele dafür, wie sie in ihrem Haus übliche Aufgaben und neue Herausforderungen bewältigen. Vertreter besonders großer Unternehmen übernehmen die Funktion von Vorbildern. Auch sie berichten letztlich aus dem Alltag, dürfen dies aber unter dem Label "Best Practice" machen – warum weiß niemand so recht – wahrscheinlich nur deshalb, weil sie Vertreter großer Unternehmen sind.

Garniert wird das Ganze bisweilen mit smarten Personalberatern. Ihnen fällt die wichtige Aufgabe zu, einfache Lösungen für komplexe Probleme feil zu bieten und dies zu einem erstaunlich fairen Preis. Alles, was sie hierzu benötigen, ist ein sicheres Auftreten, reichlich Berufserfahrung und viele schöne Folien.

Zufriedenheit mit Weiterbildung hängt an Aktualität

Ohne Zweifel finden die Zuhörer hier zahlreiche Anregungen, haben die Gelegenheit, bestehende Methoden zu hinterfragen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Der Input der Referenten wird dabei auf Plausibilität und Umsetzbarkeit hin überprüft. Ist beides gegeben, so macht sich Zufriedenheit breit. Als besonders gelungen gilt eine Veranstaltung, wenn all die Themen angesprochen wurden, die gerade en vogue sind – Employer Branding, Change Management, Diversity oder was auch immer. "Neu" gilt dabei als Synonym für "gut".

Gute Erfahrung statt empirische Belege

Wer sich nun die Frage stellt, warum die Referenten eigentlich nie empirische Belege für die präsentierten Problemlösungen vorlegen, gibt sich als Outsider zu erkennen. In der Szene erwartet kaum jemand empirische Belege, weil man Zahlen nicht traut oder schlichtweg auch gar nicht weiß, dass sich der Nutzen einer Maßnahme wissenschaftlich hinterfragen lässt. An die Stelle der Belege tritt daher die immer wieder zu hörende Formel "Wir haben gute Erfahrungen damit gesammelt.". Leider gibt es viele Gründe dafür, warum man auch mit unwirksamen Methoden "gute Erfahrungen" sammeln kann - vielleicht ist das auch bei Ihnen so:

  • Sie fühlen sich mit einer Methode ideologisch so verbunden, dass schon allein bei dem bloßen Gedanken an mangelnde Wirksamkeit ewige Verdammnis droht.
  • Sie haben bislang so viel Zeit, Geld und Mühe in eine Methode investiert, dass Sie lieber gar nicht wissen möchten, ob sich all dies wirklich gelohnt hat.
  • Sie glauben, den Nutzen einer Maßnahme allein per Augenschein erfassen zu können und unterschätzen dabei die Fragilität der menschlichen Urteilsbildung. Nichts ist so überzeugend wie der Selbstbetrug.
  • Sie wählen eine Evaluationsmethode, die keine schlechten Ergebnisse produzieren kann. Beispielsweise befragen Sie die Teilnehmer eines Seminars nur danach, ob es ihnen gefallen hat, überprüfen aber nicht, ob das Seminar im Berufsalltag eine Wirkung entfaltet.
  • Sie evaluieren nichts, weil Sie als Anbieter einer Methode schon mit der bloßen Illusion der Wirksamkeit sehr gutes Geld verdienen. Viele Menschen geben sich mit dem Glauben zufrieden, obwohl sie doch wissen könnten.

Personaler stecken viel Zeit in ihre Weiterbildung

All dies erscheint umso reformbedürftiger, je wichtiger die Weiterbildung für Personaler ist. Eine bislang noch nicht veröffentlichte Studie zeigt, dass von 199 befragten Personalern 97 Prozent sich weiterbilden. Pro Monat investieren sie durchschnittlich fast zehn Stunden in die Lektüre von Fachliteratur und fast fünf Stunden in den Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen.

Dies ist ohne Zweifel beachtlich. Bei fast 26 Prozent ihrer alltäglichen Aufgaben greifen sie nach eigener Einschätzung auf Inhalte zurück, die sie in der Weiterbildung erworben haben. Die Weiterbildung hat damit einen ähnlich hohen Stellenwert wie ein zuvor absolviertes Studium (28 Prozent). Nur das im Berufsalltag erworbene Wissen erscheint deutlich wichtiger. Es wird bei fast 60 Prozent der alltäglichen Arbeitsaufgaben zum Einsatz gebracht.

Praktiker werden den Wissenschaftlern meist vorgezogen

Zu den wichtigsten Weiterbildungsthemen zählen HR-Strategien, Führung, Kommunikation und Konfliktmanagement. Leider wird auf wissenschaftlichen Input kein großer Wert gelegt. Befragt nach den Kriterien, die bei der Auswahl ihrer Fachlektüre eine Rolle spielen, geben fast 46 Prozent an, es sei ihnen wichtig, dass die Autoren von Journal-Artikeln aus der Praxis stammen. Nur etwa 25 Prozent wertschätzen Autoren aus der Wissenschaft. Bei Fachbüchern ist es ein wenig ausgewogener (47 zu 32 Prozent).

Vielleicht lernt HR vom Gesundheitswesen

Es muss wohl noch viel Zeit ins Land ziehen, bis sich etwas ändert und auf Veranstaltungen, die bisweilen den Charakter von Selbsthilfegruppen oder Verkaufsmessen haben, die kritische Reflexion empirischer Daten selbstverständlich wird. Früher oder später kann es gelingen. Das Gesundheitswesen lebt es uns vor. Hier ist es inzwischen undenkbar, dass Pharmavertreter ein neues Medikament allein mit dem Argument guter Erfahrung anpreisen. Leider hat das in der Medizin ein paar hundert Jahre gedauert.


Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen & Personalentwicklung.

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