Welche Weiterbildungen für HR jetzt gefragt sind
Laut einer Studie von Yougov im Auftrag von Stepstone Insider halten 80 Prozent der Entscheiderinnen und Entscheider aus dem HR-Bereich Weiterbildungen für wichtig. Eigentlich sollten sie demnach als gutes Vorbild für ihre Mitarbeitenden vorangehen. Das ist aber nicht immer der Fall: Nur ein Viertel von ihnen bildet sich tatsächlich regelmäßig weiter. 37 der Befragten haben 2024 sogar weniger als einen Tag in Weiterbildung investiert, 16 Prozent nicht einmal eine Minute. Dabei brauchen Personalabteilungen eigentlich selbst die Kompetenzen, die sie in ihrer Belegschaft fördern sollen. Digitalisierung, neue Arbeitsmodelle und Künstliche Intelligenz (KI) verändern nämlich auch ihre eigenen Rollenprofile radikal.
HR: Wandel vom operativen Dienstleister zum strategischen Partner
Die Zeiten, in denen HR lediglich operative Prozesse wie Lohnabrechnung oder Stellenanzeigen steuerte, sind vorbei; in vielen Unternehmen rückt die Funktion näher an die Unternehmensstrategie. Heute beschäftigt sich HR mit Themen, die strategische, politische und gesellschaftliche Relevanz haben können – von der Gestaltung nachhaltiger Arbeitskulturen bis zur Begleitung digitaler Transformationen. Ergebnisorientierung sowie das Beraten, Befähigen und Voranbringen des Geschäfts gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung. Dafür braucht es HR-Teams, die technologieaffin sind, Datenanalysen verstehen, kontinuierliches Lernen fördern und in komplexen Umfeldern wirksam agieren können.
Auch Nicolas Bogs, Professor für Strategische Führung an der Hochschule Fresenius und selbst Personalberater, beobachtet eine Verschiebung der gefragten Kompetenzen: "Die Verrechtlichung nimmt im HR-Bereich weiter massiv zu. Personalverantwortliche müssen nicht nur Themen wie Arbeitsverträge, Abmahnungen und Kündigungen beherrschen. Es kommen immer neue Themen und Gesetze hinzu, zum Beispiel die Arbeitszeiterfassungspflicht, die Datenschutzgrundverordnung, das Antidiskriminierungsrecht, das Entgelttransparenzgesetz, Mitbestimmung bei KI-Tools und das Lieferkettengesetz." Gleichzeitig brauche es echte Digitalkompetenz – von People Analytics über digitale Personalakten bis hin zum Einsatz von KI. Zudem sei Businessorientierung gefragt: "HR muss die Sprache des Managements sprechen, also mit Zahlen, KPIs und Dashboards sicher und wertschöpfend umgehen können."
Für Walter Jochmann, Managing Director im Bereich HR and Organisation Transformation und Partner bei Kienbaum, ist Business Acumen (deutsch: "Geschäftssinn") – also ein gutes Verständnis des Geschäftsmodells, der Produkte, der relevanten Märkte und Schlüsselkunden – für HR-Führungskräfte zentral. "Darauf aufbauend braucht es eine ausgeprägte Strategiekompetenz, um die Unternehmensstrategie zu verstehen, gemeinschaftlich weiterzuentwickeln und daraus eine konsistente HR- beziehungsweise People-Strategie abzuleiten." Hinzu kämen ein gutes IT- und Technologieverständnis sowie eine ausgeprägte Beratungskompetenz: "Sie umfasst strategisches Business Partnering, klassisches wie agiles Projektmanagement, die Entwicklung von Konzepten sowie das Mentoring von Führungskräften." HR-Führungskräfte sollten einen transformationalen und coachenden Leadership-Ansatz verfolgen, um sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende wirksam zu unterstützen. Jochmanns Beobachtung nach fehlt es allerdings vielen HR-Führungskräften an Mut zur Transformation des eigenen Bereichs – obwohl sie Veränderungsprozesse in allen anderen Unternehmensbereichen begleiten. Zudem sieht er gerade in essenziellen Bereichen wie Business Acumen und dem Umgang mit digitalen Tools teils große Kompetenzlücken.
Weiterbildungen für HR: Transformations- und Digitalthemen dominieren
Die inhaltlichen Verschiebungen zeigen sich auch im Weiterbildungsmarkt. "Vor einigen Jahren standen vor allem operative HR-Themen wie Lohn- und Gehaltsabrechnung, klassische Recruiting-Instrumente oder Arbeitsrecht im Mittelpunkt unserer Weiterbildungen", sagt Eva Babilon, Bereichsleiterin des Produktmanagements von Qualifizierungsangeboten, Seminaren und Trainings bei der Haufe Akademie. Heute seien Angebote zu strategischem Denken, Business Acumen, Organisationsentwicklung, Mitarbeiterbindung und Kulturarbeit besonders gefragt. "HR muss Personalthemen eng mit der Unternehmensstrategie verzahnen können", so Babilon. Hinzu kämen KI-Themen sowie Diversity, Equity and Inclusion. Auch arbeitsrechtliche Expertise bleibe ein Muss, während Change- und Transformationsfähigkeit – etwa im Umgang mit agilen Methoden und New-Work-Konzepten – an Bedeutung gewinne. "Besonders stark steigt zudem die Nachfrage nach digitalen Datenkompetenzen wie People Analytics und Recruiting-Analysen", berichtet Babilon. Der kompetente Umgang mit Daten sei unverzichtbar, um Personalentscheidungen auf eine solide Basis zu stellen.
Auch Elke Wailand, Leiterin Seminare und Trainings beim Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw), beobachtet den Wandel: "Früher standen fachlich-operative Themen im Vordergrund – heute geht es um Führungskultur, Kommunikation, Digitalisierung und Automatisierung." Neben digitalen Kompetenzen gewännen insbesondere soziale Fähigkeiten wie Konfliktlösungskompetenz und Kommunikationsstärke an Bedeutung. Laut Eva Babilon von der Haufe Akademie sind zudem je nach Unternehmensgröße unterschiedliche Schwerpunkte gefragt: Während Konzerne stark in strategische und digitale Themen investieren, suchen Mittelständler eher praxisnahe Tools und Arbeitsrecht, Startups dagegen agilere HR-Ansätze und Employer Branding.
Weiterbildung muss flexibel sein
Laut der bereits erwähnten Studie ist für fast die Hälfte der HR-Verantwortlichen fehlende Zeit im Arbeitsalltag die größte Hürde für Weiterbildungen. Anbieter reagieren darauf mit flexibleren Formaten. "Das Gros unserer Teilnehmenden will Angebote, die sich flexibel in den Berufsalltag integrieren lassen", berichtet Nicolas Bogs von der Hochschule Fresenius. "Viele wollen von unterwegs oder abends von zu Hause aus teilnehmen können." Weiterbildungen müssen deshalb berufsbegleitend funktionieren und modular aufgebaut sein – idealerweise so, dass einzelne Bausteine, wie Zertifikatskurse mit ECTS-Punkten, später auch zu einem größeren Abschluss zusammenwachsen können.
Auch bei der Haufe Akademie zeigt sich ein klarer Trend zu flexiblem Lernen. "Besonders beliebt sind Formate, die Präsenzphasen mit digitalen Lerneinheiten kombinieren und dabei gut in den Alltag integrierbar sind", sagt Eva Babilon. Auch Microlearning in Form von kurzen, prägnanten Modulen, sei beliebt – gerade für Personen, die sich punktuell Wissen aneignen wollen. Zertifikatsprogramme seien insbesondere bei denjenigen nachgefragt, die ihre Karriereperspektiven ausbauen oder eine neue Rolle professionell vorbereiten möchten. Beim bbw kommen laut Elke Wailand ebenfalls kurze, knackige Lerneinheiten und Blended-Learning-Formate gut an. Präsenz bleibe aber wichtig, wenn Austausch und Vernetzung im Vordergrund stünden.
Ein Blick in die Zukunft von HR
In Hinblick auf die nächsten Jahre sieht alles danach aus, dass die Erwartungen an HR weiter steigen werden. In großen Unternehmen zeichnet sich bereits ab, dass HR künftig noch enger mit dem Kerngeschäft verzahnt sein wird. Durch den zunehmenden Einsatz von Technologie und Automatisierung werden administrative Aufgaben weiter abnehmen und damit Freiräume für strategische und beratende Tätigkeiten entstehen. Künftig wird es noch stärker darum gehen, mit agilen Arbeitsweisen schnell auf Veränderungen reagieren zu können und Datenanalysen gezielt zur Entscheidungsfindung zu nutzen. Ein gutes Verständnis für neue Technologien steht auch laut Walter Jochmann von Kienbaum im Vordergrund: Er weist darauf hin, dass KI künftig alle HR-Prozesse und Jobrollen durchdringen wird. "HR-Verantwortliche müssen sich darauf einstellen, dass Künstliche Intelligenz nicht nur die eigene Funktion verändert, sondern auch die Rollen und Aufgaben der gesamten Belegschaft." Zudem müsse HR künftig noch stärker als Beraterin und Impulsgeber für das Business auftreten: "Mit klarer Haltung, fundierter Analyse und Gestaltungskompetenz. Personalabteilungen gestalten künftig auch Innovations- und Veränderungsprozesse mit." Eng damit verbunden sei die Verantwortung für eine tragfähige Corporate AI Governance, also der Rahmen, wie Unternehmen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wirksam, verantwortungsvoll und strategisch steuern.
Eva Babilon prognostiziert für die Zukunft von HR-Weiterbildungen ähnliche Themenfelder wie die Bereiche, die bereits in den Weiterbildungen der Haufe Akademie stark nachgefragt werden: Digitalisierung, KI und People Analytics, Leadership und Transformation sowie Nachhaltigkeit und New Work. "Themen wie Employer Branding, Purpose und Mitarbeiterbindung werden im War for Talent entscheidend sein." Auch die Fähigkeit, Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien ins HR-Management zu integrieren, werde in den nächsten Jahren noch wichtiger. Darüber hinaus bleibe Arbeitsrecht ein Dauerbrenner.
Auch Nicolas Bogs hat eine klare Empfehlung für HR-Verantwortliche, die sich für die Zukunft rüsten wollen: "Mach dir die ganze KI-Welt zum Freund. Sie wird nicht gehen, sie wird bleiben." Doch ihr Einsatz müsse organisiert und gesteuert werden. "Wenn man dafür nicht nur die Offenheit, sondern auch kein Verständnis hat, dann wird es schwierig." Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor für HR-Abteilungen ist laut Bogs eine "brutale Vernetzung" in alle angrenzenden Bereiche hinein – damit sie wissen, wer die richtigen Partner sind, was die richtigen Tools sind und welche Themen dort eine Rolle spielen.
HR sollte bei Weiterbildungen mit gutem Beispiel vorangehen
Was aber, wenn HR-Verantwortliche tatsächlich nur wenige Tage pro Jahr für Weiterbildung freischaufeln können? Elke Wailand empfiehlt, diese Zeit in den Ausbau zwischenmenschlicher Kompetenzen zu investieren: "Kommunikation ist das, was HR täglich braucht – sei es im Austausch mit Mitarbeitenden, Führungskräften oder der Geschäftsleitung. Denn wer nicht überzeugt, baut auf wackligem Fundament – ganz gleich, wie solide die Fachkompetenz sein mag." Walter Jochmann rät zu einem strukturierten Vorgehen: "Den Anfang sollte eine persönliche Standortbestimmung in Form eines 360-Grad-Feedbacks oder eines General-Management-Audits machen. Auf dieser Basis lässt sich eine individuelle Learning Journey ableiten, die vor allem auf digitale Inhalte und den konkreten Transfer in den Arbeitsalltag setzt." Er rät außerdem zur Teilnahme an kompakten IT- oder Digital-Workshop oder einer passenden Konferenz, um aktuelle Entwicklungen gezielt aufzugreifen und in die eigene Praxis zu übertragen. Zudem helfe die Vernetzung im Rahmen von HR-Berufsverbänden oder regionalen Austausch-Formaten.
Nicolas Bogs betont, dass Lernen auch für HR ein lebenslanger Prozess sein sollte: "Weiterbildung ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Ein Grundrauschen an kontinuierlichem Lernen ist das, was HR wirklich zukunftsfähig macht." Wer sich gerade zwischen zwei Jobs befinde, sollte diese Zeit unbedingt für eine berufliche Weiterqualifizierung nutzen. Für HR-Verantwortliche, die im Job stehen, seien kleine Lern-Häppchen das Mittel der Wahl – und zwar so, wie sie in die berufliche und private Welt am besten hineinpassen. Ob das abends oder am Wochenende sei, ob online oder in Präsenz, hänge von der individuellen Situation und Präferenz ab. Doch für Bogs steht fest: "HR muss das ganze Thema der persönlichen Aus- und Weiterbildung zum Teil ihrer DNA machen." Oft würden diejenigen, die sich für Aus- und Weiterbildung im Unternehmen mit Herzblut und Professionalität einsetzen, sich dabei selbst nicht ausreichend berücksichtigen. "Ihnen würde es guttun, wenn sie das, was sie für andere vorantreiben, auch für sich selbst machen würden." Mit der Weiterbildung von HR-Verantwortlichen verhält es sich demnach ein bisschen wie mit der Sauerstoffmaske im Flugzeug: Nur wer die eigene Zukunftsfähigkeit gesichert hat, kann auch die der Belegschaft stärken.
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