Was kostet Recruiting? Leere Stühle sind richtig teuer

Recruiting kostet Geld, keine Frage. Doch mehr und mehr wird den Arbeitgebern klar, dass Investitionen ins Recruiting wichtig und richtig sind. Christoph Athanas geht der Frage nach, was Recruiting kostet und wie diese Kosten zielführend beschrieben werden können.

„Best things in life are free“ lautet ein bekanntes Sprichwort. Wer sich streng daran hält, wird Recruiting wohl nicht zu den „best things“ zählen, wohl aber zu den „important things“. Die Bedeutung eines funktionierenden Recruitings für die Zukunftsfähigkeit von Organisationen ist hinlänglich diskutiert und nachgewiesen worden. So haben die Boston Consulting Group (BCG) und die World Federation of People Management Associations (WFPMA) in der Studie „From Capability to Profitability“ von 2012 belegt, dass Unternehmen ein im Durchschnitt dreieinhalbfach höheres Umsatzwachstum und einen zweifach höheren Ertrag gegenüber Vergleichsunternehmen erzielen, wenn ihre Personalbeschaffung exzellent arbeitet.

Recruiting: Kosten und Nutzen

Die Betrachtung der Recruiting-Kosten ändert sich derzeit in vielen Organisationen. Die Perspektive verschiebt sich weg von der Vorgabe „Recruiting soll möglichst günstig sein“ hin zur Argumentation „Recruiting soll möglichst leistungsfähig sein“. Die Unternehmen sind bereit, für entsprechende Leistung Geld auszugeben.

Dass das Recruiting immer stärker unter Leistungsaspekten betrachtet wird, hat viel mit dem latenten Fachkräftemangel und den veränderten Erwartungen seitens der Bewerber zu tun. Noch vor weniger als zehn Jahren erhielten die Arbeitgeber auf eine Stellenanzeige ausreichend Bewerbungen und konnten sich die Kandidaten mehr oder weniger aussuchen. In solcher Situation waren mit Recruiting verbundene Kosten eher ein lästiges Übel und Investitionen in diesen Bereich oft gering.

Inzwischen fordern knappe Bewerberzahlen und anspruchsvollere Kandidaten von Arbeitgebern schon aus deren Eigeninteresse höhere Budgets. Auch die Digitalisierung führt im Recruiting zu Veränderungen, an denen mittelfristig kein Arbeitgeber mehr vorbeikommt. Diese müssen in Tools und Know-how investieren. Dazu kommt, dass nicht wenige Organisationen – Unternehmen ebenso wie Behörden – eine gefährliche demografische Welle vor sich her schieben. In diesen Organisationen werden in wenigen Jahren überdurchschnittlich viele Mitarbeiter das Rentenalter erreichen. Hier wird neben dem internen Wissenstransfer ein erfolgreiches Recruiting zur Überlebensstrategie. In solchen Fällen sind Investitionen in eine leistungsstarke Personalbeschaffung nicht nur dringlich, sondern auch strategisch unter den allerersten Prioritäten zu sehen.

Vom Kosten- zum Investitionsdenken

Die Aussage „Recruiting kann doch jeder“ haben die meisten schon einmal gehört. Hinter dieser abschätzigen Floskel steckt das alte Kostendenken, wonach Recruiting günstig zu sein und trotzdem zu funktionieren hatte. Bis heute wirkt dieser Glaubenssatz nach, wenn Positionen im Recruiting überdurchschnittlich oft mit Berufseinsteigern besetzt werden. Die geringeren Gehaltsforderungen von Einsteigern oder Young Professionals spielen dabei natürlich eine Rolle.

Allerdings ändert sich das allmählich. Zwar werden weiterhin Recruiter-Stellen häufig mit Menschen besetzt, die eher am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen, doch immer mehr Arbeitgeber verstehen, dass sie in die Recruiting-Funktion und die Köpfe investieren müssen. Die zunehmende Zahl an Seminaren, Zertifikatskursen und Online-Weiterbildungen zu allen möglichen Recruiting-Spezialisierungen ist ein klarer Indikator hierfür. Genauso deutet die Zunahme an gut besuchten Konferenzen und Events rund ums Thema Personalgewinnung auf ein Umdenken der Unternehmen hin.

Dies darf als Hinweis darauf gewertet werden, dass im Recruiting das Kostendenken einem Investitionsdenken weicht. Allerdings fehlen in den meisten Unternehmen eine klare Strategie und eine ausreichende Einschätzung, welche Wirkungen final erzielt werden. Darüber hinaus werden die Investitionsentscheidungen zu häufig an Stellen getroffen, die die Auswirkungen nicht richtig einschätzen können oder die eine reine Innensicht auf die Prozesse haben. Das führt gerade bei den wichtigen Themen „Karrierewebseite“ und „Bewerbermanagementsystem“ zu ungeeigneten Lösungen, weil sie nicht ausreichend kandidatenorientiert sind oder Arbeitsprozesse der Recruiter nicht zu Ende denken. Nur zu investieren reicht nicht aus, um den Recruiting-Erfolg zu erhöhen. Wichtig ist die finale Wirksamkeit der Maßnahmen.

Was kostet es, nicht zu rekrutieren?

Um herauszufinden, welcher finanzielle Aufwand für die Besetzung einer Position sinnvoll und vertretbar ist, können Unternehmen ermitteln, was es kostet, eine Position nicht zu besetzen. Die Kennzahl „Cost of Vacancy“ drückt aus, welche Kosten entstehen, wenn eine Stelle unbesetzt bleibt. Der US-amerikanische HR-Experte und Professor für Management Dr. John Sullivan schlägt zur Einschätzung der „Cost of Vacancy“ einige hilfreiche Annahmen vor, die hier exemplarisch dargestellt werden sollen. Ausgangspunkt ist das Bruttojahresgehalt der Position. Dieses wird durch die jährlichen Arbeitstage geteilt und mit der durchschnittlichen Time-to-Fill multipliziert – der Anzahl an Tagen, die üblicherweise nötig sind, um eine Position zu besetzen.

Da davon auszugehen ist, dass es in jedem Unternehmen unterschiedlich wertschöpfende Stellen gibt, können weitere Faktoren in die Berechnung mit aufgenommen werden. Diese drücken dann zum Beispiel aus, dass einzelne Stellen einen deutlich höheren Wertbeitrag leisten. Das Spiel solcher Faktoren ist im Grunde offen und bewegt sich ohne eine genaue Analyse der einzelnen Deckungsbeiträge immer im Annahmebereich. Dennoch hilft diese Verfeinerung, eine bessere Einschätzung zur „Cost of Vacancy“ einzelner Stellen zu erhalten.

So kann eine Stelle mit einem Bruttojahresgehalt von 60.000 Euro und einer Besetzungsdauer von 90 Tagen zu einem fehlenden Wertbeitrag von 21.600 Euro führen. Wird dieser Stelle ein höherer Wertschöpfungsfaktor zugewiesen, beläuft sich der fehlende Wertbeitrag sogar auf 43.200 Euro für den gesamten Zeitraum beziehungsweise auf 480 Euro pro Tag.

Das kosten die einzelnen Recruiting-Maßnahmen

Je nach den gewählten Recruiting-Maßnahmen fallen für die Stellenbesetzung unterschiedliche Kosten an. Eine Online-Stellenanzeige mit 30-tägiger Schaltungsdauer kostet bei den großen überregionalen Jobbörsen in der Regel zwischen 700 und 1.300 Euro. Bei Abnahme von Mengenkontingenten können diese Preise erheblich sinken. Doch oft reicht eine Anzeige nicht aus und es werden Pakete mit zwei, drei oder mehr Online-Jobbörsen geschaltet. Das erhöht die Kosten wiederum. Bei dieser Form der Anzeigenschaltung ist nicht garantiert, dass genügend Interessenten in den 30 Tagen auf die Anzeige schauen und sich bewerben. Bezahlen müssen die Unternehmen dennoch.

Eine andere Strategie ist, Stellenanzeigen oder Social Media Ads nach dem CPC-Verfahren (Cost-per-Click) zu schalten. Hierbei wird nur der einzelne Klick auf die Anzeige bezahlt. Sehr gezielt eingesetzt können so schon mit recht geringen Ansprachekosten Bewerbungen generiert werden. Streuverluste fallen finanziell nicht ins Gewicht. Allerdings gilt auch hier: Bei Investitionen müssen Unternehmen den Recruiting-Prozess zu Ende denken, damit sich der gewünschte Erfolg einstellt. Bei einer punktuellen Social-Ad-Kampagne sind neben den Anzeigen die Landing Page beziehungsweise die Karrierewebseite mit entscheidend. Bieten diese keine aussagekräftigen Informationen und komfortablen Bewerbungsmöglichkeiten, kann auch mit einer CPC-Kampagne viel Geld unsinnig ausgegeben werden.

Eine weitere Maßnahme ist der Einsatz von Headhuntern. Diese verlangen zwischen 23 und 35 Prozent des Bruttojahreseinkommens der Zielposition. Gehen wir von einem Honorar in Höhe von 25 Prozent aus, betragen die Kosten bei dem oben genannten Beispiel 15.000 Euro. Dafür bekommt das Unternehmen vorselektierte Kandidaten. Allerdings fällt es auch Headhuntern immer schwerer, passende Kandidaten zu präsentieren. Eine Erfolg versprechende und meist kostengünstigere Alternative stellen Mitarbeiterempfehlungen dar, selbst wenn für eine erfolgreiche Empfehlung eine Prämie in Höhe von beispielsweise 1.500 Euro gezahlt wird.

Kosten für Personal, Software und vieles mehr

Bei aller Vielfalt an Möglichkeiten und ihren unterschiedlichen Einstiegskosten bleibt festzuhalten: Nicht die Kosten einer Recruiting-Maßnahme oder Anzeige sind entscheidend, sondern die Anzahl und Qualität an Bewerbungen.

Zusätzlich gibt es jede Menge weitere Kosten, die im Recruiting eine Rolle spielen. Eine gewichtige Größe sind die Personalkosten: Direkt fallen die Personalkosten der Recruiter an und indirekt die Kosten der Mitarbeiter aus den Fachbereichen, die Bewerbungen sichten und Interviews führen. Dazu kommen Kosten für Personalmarketinginhalte wie Fotos und Webdesign und natürlich Beträge für die Nutzung von Tools, Profilen in Business und Social Networks, Active Sourcing, Teilnahme an Karrieremessen und Lizenzgebühren für Recruiting-Software und Test. Es ist sinnvoll, alle diese Kosten gemeinsam zu betrachten und sie auf die jeweilige besetzte Stelle herunterzubrechen. Das ist die sogenannte „Cost per Hire“.

Wer eine Orientierung sucht, wie die eigene Organisation aufgestellt ist, kann rund 5.000 Euro als Grenzwert für die Besetzung von Fachkräftepositionen heranziehen. Nach einer Forsa-Befragung im Auftrag von Xing E-Recruiting aus dem Jahr 2018 waren 55 Prozent der befragten Arbeitgeber in der Lage, eine Fachkräfteposition für diesen Betrag oder weniger zu besetzen.


Dieser Artikel ist in voller Länge und mit Beispielrechnungen im Personalmagazin 12/2019 erschienen. Lesen Sie die gesamte Ausgabe auch in der Personalmagazin-App

Schlagworte zum Thema:  Recruiting, KPI (Key Performance Indicator)