Viel Schatten und etwas Licht auf dem Ausbildungsmarkt
Die meisten betriebliche Ausbildungen beginnen am 1. September. Doch auch in diesem Jahr bleiben wieder zahlreiche Plätze in den Unternehmen leer und damit setzt sich ein besorgniserregender Trend fort. 47 Prozent der Ausbildungsbetriebe gaben gegenüber der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) an, dass sie 2022 nicht alle Lehrstellen füllen konnten – so viele wie noch nie und doppelt so viele wie vor zehn Jahren.
Zu wenige Bewerbungen, zu wenig Berufsorientierung
Hauptursache dafür ist laut DIHK, dass keine geeigneten Bewerbungen vorlagen. Mehr als jeder dritte Betrieb, der nicht alle Plätze besetzen konnte, habe nicht eine einzige Bewerbung erhalten.
Hierzu tragen laut Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der DIHK, zwei Entwicklungen bei: Heute gibt es rund 100.000 weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger als noch vor zehn Jahren. Zudem glaubten zu viele Jugendliche, dass der Weg zum beruflichen Erfolg nur durch ein Studium zu erreichen sei. Es gebe zudem eine zunehmende Verunsicherung bei der Berufswahl durch eine mangelnde Berufsorientierung. Dercks betonte die Bedeutung von Betriebspraktika während der Schulzeit. Auf Schülerpraktika folgten häufig Bewerbungen. Es gebe an Schulen aber wenig stringente Formen für eine Berufsorientierung.
Viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt
Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit von Juli sind aktuell noch 228.000 Ausbildungsstellen unbesetzt.
Schon im Jahr 2022 waren die Bewerberzahlen für Ausbildungsstellen um 12.000 gegenüber dem vorherigen Jahr zurückgegangen: 422.000 junge Menschen bewarben sich auf 546.000 gemeldete Berufsausbildungsstellen (23.000 mehr als im Vorjahr).
Die Zahlen für 2023 gibt die Bundesagentur für Arbeit erst im Herbst bekannt. Aber es gibt laut DIHK einen kleinen Lichtblick: Bis Ende Juli wurden im Bereich der Industrie- und Handelskammern knapp 207.000 neue Ausbildungsverträge unterschrieben – 3,7 Prozent mehr als im gleichen Monat des Jahrs 2022. Es bestehen gute Aussichten, dass im laufenden Jahr mehr Betriebe und Azubis zueinander finden als 2022. "Das ist ein Silberstreif am Horizont, aber noch lange keine Entspannung", so Achim Dercks.
Gastronomie und Einzelhandel stark betroffen
Die Lage ist nicht in allen Branchen gleich. Laut DIHK melden Betriebe im Gastgewerbe seit Jahren die größten Herausforderungen bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Die Ausbildung neuer Fachkräfte im Gastgewerbe sei aber dringend notwendig. In der Pandemie habe sich eine Vielzahl von Fachkräften in anderen Branchen neu orientiert und sei dauerhaft verloren gegangen.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga verweist aber auf ein Bewerberplus bis Ende Juli von 10,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dazu Dehoga-Geschäftsführerin Sandra Warden: "Wir sind zuversichtlich, dass die Branche am Ende des Jahres weiter aufgeholt haben wird."
Im Einzelhandel ist die Lage angespannt. Laut dem Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE, Stefan Genth werde es immer schwerer, das große Angebot, das sich durch die Renteneintritte erhöhe, zu besetzen. Es kämen schlichtweg weniger Bewerber auf den Markt als früher, so Genth.
Lieber studieren oder schnell Geld verdienen
Der Weg in die Ausbildung ist für junge Menschen nicht mehr zwingend, beschreibt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Lage: Während über 55 Prozent eines Jahrgangs zunächst ein Studium beginnen, gibt es auf der anderen Seite eine wachsende Personengruppe, die ohne Abschluss oder Ausbildung auf den Arbeitsmarkt geht. In vielen Helferberufen würden aktuell Kräfte gesucht und mit überdurchschnittlich gestiegenen Löhnen gelockt. Aktuell gibt es schon 2,6 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren in Deutschland, die keinen Berufsabschluss haben.
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