Digitale HR-Prozesse: Unzufriedenheit trotz Erfolgen

In einer Benchmarking-Studie hat das Personal­magazin in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim und der Hochschule Rhein-Main den Status quo der Digitalisierung der HR-Funktion untersucht. Die Studie offenbart, dass zwar viele Unter­nehmen entsprechende Aktivitäten gestartet und zum Teil auch erfolg­reich umgesetzt haben, dass es aber in der Breite eine hohe Unzu­friedenheit mit dem gegenwärtigen Stand gibt.

Dass der Einsatz leistungsfähiger Technologie im Wettbewerb um Kunden, Mitarbeitende und Kapitalgeber ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, kann getrost als Binsenweisheit bezeichnet werden. Viele Unternehmen arbeiten daran, neue Technologien einzusetzen, um die eigenen Ziele (besser) zu erreichen beziehungsweise im Wettbewerb nicht abgehängt zu werden.

Kaum Studien zur digitalen Transformation von HR

Dementsprechend ist natürlich auch die Personalfunktion (HR) von der Digitalisierung betroffen. Zum einen muss HR die digitale Transformation des Unternehmens mitgestalten, weil die Veränderungen einen tiefgreifenden Einfluss auf die in den Unternehmen tätigen Menschen haben. Zum anderen muss HR natürlich auch die eigene Funktion auf die Anforderungen des Unternehmens beziehungsweise der Menschen im Unternehmen ausrichten und die entsprechenden Potenziale des digitalen Zeitalters nutzen. 

Während es zum ersten Aspekt, der digitalen Transformation des Unternehmens, eine Vielzahl an Studien gibt, zeigt sich im Hinblick auf den zweiten Aufgabenbereich, die digitale Transformation von HR, ein gewisser Mangel an Informationen zum Status quo der Umsetzung. Diesem Mangel an Transparenz soll mit der vorliegenden Studie entgegengetreten werden. Die Studienbefunde sollen aufzeigen, welche Relevanz die Digitalisierung für HR hat, inwieweit eine Digitalisierung in HR bisher stattgefunden hat, was bereits wie stark digitalisiert wurde, welche neueren Technologien eingesetzt werden, welche Erfolge damit bisher erzielt wurden und was eine erfolgreiche HR-Digitalisierung unterstützt beziehungsweise behindert.

Tipp: Der komplette Studienbericht kann unter folgendem Link abgerufen werden: www.haufe.de/Digitalisierungsstudie-HR

Digitale HR-Prozesse: Hohes Potenzial noch nicht genutzt

Die in der Einleitung angesprochene hohe Bedeutung der Digitalisierung wird auch von den allermeisten Studienteilnehmenden so erkannt. Dies gilt für das Unternehmen insgesamt und in vergleichbarer Weise für HR. Wie in der Abbildung 1 ersichtlich, sieht mehr als die Hälfte der Befragten ein sehr hohes Potenzial, durch Digitalisierung die spezifischen HR-Ziele besser zu erreichen. Weitere 29 Prozent sehen ein hohes Potenzial. 

Die bisherigen Digitalisierungsaktivitäten haben erfreulicherweise auch zu einer besseren Erreichung der HR-Ziele beigetragen. Dies gilt in besonderem Maße für die großen Unternehmen mit über 10.000 Mitarbeitenden. Der in Abbildung 1 dargestellte Vergleich macht aber deutlich, dass die identifizierten Potenziale auf Basis der aktuellen Umsetzung noch nicht gehoben sind. Und dies gilt für alle Unternehmensgrößen.

Dementsprechend sind die befragten Personaler auch meist (noch) nicht zufrieden. Nur zehn Prozent geben an, voll zufrieden mit der bisherigen Digitalisierung in HR zu sein (vergleiche Abbildung 1). Mit einem Mittelwert von 2,7 ist die Zufriedenheit mit dem Status quo im Durchschnitt eher gering. Mögliche Gründe hierfür lassen sich auf Basis der Studienbefunde ableiten.

Abbildung 1: HR-Digitalisierung – Potenzial, Umsetzung und Zufriedenheit

Fehlende Digitalisierungsstrategie

Ein gewichtiger Grund für die geringe durchschnittliche Zufriedenheit offenbart sich bei der Betrachtung der HR-Digitalisierungsstrategie. Denn damit nicht einfach "irgendetwas Digitales" gemacht wird beziehungsweise damit die verschiedenen Digitalisierungsaktivitäten stimmig sind und in eine gemeinsame Richtung laufen, braucht es eine entsprechende Zielausrichtung und Digitalisierungsstrategie. 

Die Studienbefunde zeigen aber, dass dies aktuell noch nicht flächendeckend der Fall ist. Weniger als die Hälfte der Teilnehmenden (45 Prozent) stimmt der Aussage (zumindest eher) zu, dass es eine definierte HR-Digitalisierungsstrategie gibt. Gerade im Vergleich mit der erkannten Relevanz ergibt sich hier eine klare Lücke (Durchschnittswert 3,2 versus 4,1 bei der Relevanz der Digitalisierung für HR). Dabei zeigt sich auch ein Zusammenhang zur Zielerreichung: Unternehmen, die (voll) zustimmen, eine definierte HR-Digitalstrategie zu haben, weisen einen deutlich höheren Digitalisierungsgrad und auch einen deutlich größeren Zielerreichungswert auf.  

Auffällig ist auch ein relativ klarer Zusammenhang zwischen HR-Digitalisierungsstrategie und Unternehmensgröße. Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden haben eher selten eine definierte HR-Digitalstrategie (Durchschnitt 2,3), bei 50 bis 1.000 Mitarbeitenden (Durchschnitt 2,9) und 1.000 bis 10.000 Mitarbeitenden (Durchschnitt 3,3) ist dies häufiger der Fall; bei Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitenden ist relativ häufig (Durchschnitt 3,9) eine ausgearbeitete HR-Digitalstrategie vorhanden. Bei Großunternehmen mit über 100.000 Mitarbeitenden ist eine definierte HR-Digitalstrategie üblich (Durchschnitt 4,3 beziehungsweise 82 Prozent Zustimmungsrate). 

Positiv ist der Befund, dass relativ viele Unternehmen, die eine HR-Digitalisierungsstrategie definiert haben, auch eine entsprechende Road Map aufgesetzt haben. Denn selbst die "ausgefeilteste" Strategie würde ja wirkungslos bleiben, wenn sie nicht auch entsprechend in die Umsetzung geht. Problematisch ist aber, dass die HR-Digitalstrategie häufiger nicht mit der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens abgestimmt ist. 

Oberflächliche Umsetzung digitaler Technologien

Ein weiterer Grund für die geringe Zufriedenheit mit dem Status quo dürfte darin liegen, dass zwar einiges an Digitalisierung stattgefunden hat, dass aber etliche Personalbereiche bisher nur "an der Oberfläche kratzen" und die tiefergehenden, transformativen Potenziale digitaler Technologien noch nicht realisiert – oder gar noch nicht erkannt – haben. 

Wie die in Abbildung 2 dargestellten Studienbefunde zeigen, ist die Zustimmungs- beziehungsweise Umsetzungsrate im Prinzip umso niedriger, je tiefgreifender die abgefragte Veränderung ist beziehungsweise wäre. Demnach zeigt sich die größte Zustimmung bei der digitalen Speicherung und Bearbeitung von Daten, die vorher analog vorlagen. Vier von fünf der analysierten Personalfunktionen machen dies – zumindest teilweise. Deutlich seltener werden diese Daten dann auch genutzt, um daten- beziehungsweise evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen.

Abbildung 2: Elemente der HR-Digitalisierung

Sehr häufig werden digitale Kommunikationskanäle und -plattformen genutzt. In der externen Kommunikation liegt dies sicherlich an der hohen Relevanz von Social Media gerade im Personalmarketing und Recruiting. Intern hat die Covid-19-Pandemie dazu geführt, dass in kurzer Zeit aus "technischem Schnickschnack, den man nicht braucht", notwendige Hilfsmittel zur Aufrechterhaltung des Alltags wurden.

Nur bei etwas mehr als der Hälfte der erfassten Personalfunktionen werden die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt, um aktuellen, ehemaligen und potenziell zukünftigen Mitarbeitenden neue HR-Produkte und -Services und einen dadurch bedingten Mehrwert zu bieten. Hier besteht für die Zukunft sicherlich noch ein hohes Optimierungspotenzial.

Digitalisierung von HR-Prozessen: Optimierung statt Neukonzeption

Im Hinblick auf die HR-Prozesse geben 78 Prozent der Befragten an, dass neue Technologien genutzt werden, um bestehende HR-Prozesse zu automatisieren und zu vereinfachen. Deutlich weniger als die Hälfte (43 Prozent beziehungsweise 17 Prozent volle Zustimmung) ist bisher so weit gegangen, digitale Technologien zu nutzen, um die tradierten HR-Prozesse – etwa im Hinblick auf eine Optimierung der Employee Experience – neu zu konzipieren und aufzusetzen. Gemäß dem mittlerweile berühmten Bonmot, dass aus "Scheißprozessen" durch Digitalisierung lediglich "digitale Scheißprozesse" werden, ist daher von einigen fehlgeleiteten Digitalisierungsaktivitäten auszugehen.

Den Schritt, vor dem Hintergrund der geänderten Rahmenbedingungen und Möglichkeiten die Personalfunktion komplett neu aufzustellen, sind bisher 30 Prozent (beziehungsweise elf Prozent volle Zustimmung) gegangen: Einerseits die geringste Zustimmungsrate, andererseits sind demnach immerhin drei von zehn Unternehmen dabei, die Personalfunktion komplett neu zu gestalten.

In Summe muss aber konstatiert werden, dass die Digitalisierung scheinbar derzeit oft (noch?) lediglich als Ansatz zur Optimierung des IST benutzt und zu selten als Chance verstanden wird, das Alte ganz NEU zu denken und aufzusetzen.

Geringe Durchdringung der HR-Prozesse

Die gemessene Unzufriedenheit dürfte auch daran liegen, dass sich die HR-Digitalisierungsaktivitäten bisher zumindest nicht in allen HR-Funktionen in gleichem Maße niederschlagen. Auf der Analyseskala von sehr niedriger (1) bis sehr hoher (5) Digitalisierung befinden sich derzeit nur die Recruiting- und die Personalverwaltungsprozesse beim Durchschnittswert in der oberen Hälfte, das heißt im Bereich einer eher hohen Digitalisierung (vergleiche Abbildung 5). Bei allen anderen HR-Funktionen liegt der Mittelwert unter 3,0.

Digitalisierungsbarometer

Natürlich ist "digital" nicht immer beziehungsweise zwingend besser. Digitalisierung ist ein Mittel der Zielerreichung und nicht das wirkliche Ziel. Deshalb sollte es nicht angestrebt werden, in allen HR-Funktionen einen möglichst hohen Digitalisierungsgrad zu erreichen. Vielmehr müssen selbstverständlich die jeweiligen Spezifika beachtet werden. Daher ist es sinnvoll, dass unterschiedliche HR-Funktionen in unterschiedlichem Maße digitalisiert sind beziehungsweise werden. Aber der Grad der aktuellen Digitalisierung offenbart in einigen HR-Bereichen mit klaren technologischen Optimierungspotenzialen noch deutliche Baustellen.

Digitalisierungsgrad: Recruiting liegt vorne, noch Potenzial bei HR-Services

Erwartungsgemäß ist das Recruiting die am stärksten digitalisierte Personalfunktion. Immerhin 53 Prozent bewerten den Digitalisierungsgrad als hoch oder sehr hoch (Durchschnitt 3,5). Die immer schwierigeren Arbeitsmarktbedingungen und die von digitalen Consumer-Plattformen getriebenen Erwartungen von potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten haben bei vielen Unternehmen dazu geführt, dass der Recruiting-Prozess in den letzten Jahren durch den Einsatz von Social Media, Mobile Media, Bewerbermanagementsystemen, Search Engine Optimization (SEO), Performance Marketing, Chatbots, Matching-Technologien und Ähnlichem in relativ starkem Maße digitalisiert wurde. 

Etwas überraschend ist es, dass der Digitalisierungsgrad im Bereich Personalverwaltung und -service nur bei durchschnittlich 3,2 und damit auf dem Level von HR insgesamt liegt. Denn dieser Bereich ist aufgrund von oft vielzahligen standardisierten Prozessabläufen für eine ausgeprägte Digitalisierung prädestiniert. Technologieansätze wie zum Beispiel die digitale Personalakte, Robotic Process Automation (RPA) oder Self Service Apps sind mittlerweile relativ ausgereift und bieten hier eigentlich interessante Möglichkeiten.

Geringer Digitalisierungsgrad in Personalentwicklung und Personalplanung

Ein im Vergleich zu den vorhandenen Potenzialen überraschend niedriger Digitalisierungsgrad findet sich auch in der Personalentwicklung. Vor dem Hintergrund von geänderten Kompetenzen, meist großen Entwicklungsbedarfen, vielfältigen technologischen Möglichkeiten und einem insbesondere durch die Covid-19-Pandemie veränderten Arbeitsumfeld wundert es etwas, dass sich nur gut ein Viertel (26 Prozent) der PE-Funktionen im "grünen Bereich" (hoher oder sehr hoher Digitalisierungsgrad) sieht. 

Der geringe Digitalisierungsgrad in den HR-Funktionen Personalcontrolling und strategische Personalplanung deutet darauf hin, dass die Potenziale von People-Analytics-Ansätzen derzeit noch von relativ wenigen Unternehmen beziehungsweise in relativ geringem Umfang genutzt werden. Dies passt zu der im vorherigen Abschnitt festgestellten Erkenntnis, dass Personaldaten zwar mittlerweile in ausgeprägtem Maße digital gespeichert, aber nur selten für daten- beziehungsweise evidenzbasierte Entscheidungen genutzt werden. 

Wie zu erwarten, ist der Digitalisierungsgrad bei den ganz großen Unternehmen (> 100.000 Mitarbeitende) in allen HR-Funktionen am höchsten und bei den ganz kleinen Unternehmen (< 50 Mitarbeitende) am niedrigsten. Dazwischen lässt sich kein ganz klares Bild ausmachen. Extrem ist der Unterschied im Bereich Performance Management (Durchschnitt 3,5 bei Großunternehmen versus 2,4 im Mittelstand und 2,1 bei Kleinstunternehmen).

Unzureichende Rahmenbedingungen

Wichtig für eine erfolgreiche HR-Digitalisierung ist beziehungsweise wäre auch das Vorhandensein entsprechender Rahmenbedingungen. Es braucht insbesondere

  • zugängliche, hochwertige und genutzte Daten, 
  • kompetente, anpassungsfähige und nach Weiterentwicklung strebende Menschen, 
  • vernetzte, innovative und agile Organisationsansätze sowie 
  • zielführende und transparente Steuerungskennzahlen. 

Sind diese Bedingungen gegeben, wirken sie als Enabler einer erfolgreichen HR-Digitalisierung. Sind sie nicht vorhanden, wirken sie als Veränderungsbarrieren. Wie aus Abbildung 3 ersichtlich, bewegt sich der Umsetzungsmittelwert der im Rahmen der Studie untersuchten 14 Digitalisierungs-Enabler zwischen sehr schwachen 1,9 und ordentlichen 3,6. 

Abbildung 3: Status quo der Enabler der HR-Digitalisierung

Relativ am besten sieht es noch im Hinblick auf die notwendigen Datenressourcen aus. Etwas mehr als die Hälfte der Studienunternehmen (56 Prozent) verfügt (eher) über die notwendige Infrastruktur, um Daten zu speichern und zur Verfügung zu stellen (Durchschnitt 3,6). Schlechter sieht es im Hinblick auf die darin enthaltenen Daten aus. Nur 40 Prozent berichten von einer (eher) hohen Datenverfügbarkeit und -qualität in HR (Durchschnitt 3,1). Ähnlich (41 Prozent) ist der Anteil der Unternehmen, die in HR (zumindest eher) über die Kompetenzen verfügen, die Daten zu analysieren und die Analyseergebnisse zu interpretieren (Durchschnitt 3,2). 

Vergleichbar sieht es bei den kultur- beziehungsweise kompetenzbezogenen Enablern aus. Erfreulicherweise attestieren immerhin 55 Prozent der Befragten den HR-Mitarbeitenden ein "Growth Mindset", das heißt, sie stimmen (eher) zu, dass die Menschen in HR den Status quo immer wieder infrage stellen und danach streben, sich ständig weiterzuentwickeln (Durchschnitt 3,5). Einen ähnlichen Durchschnittswert (Durchschnitt 3,4) erreicht die Kompetenz, das notwendige Digitalwissen schnell zu erlernen. Knapp die Hälfte der Befragten sieht dies als (eher) zutreffend an. Dagegen stimmt nur noch gut ein Drittel der Befragten zu, dass man sich in HR schnell auf geänderte Anforderungen einstellen kann (Durchschnitt 2,9).

Digitalisierung von HR-Prozessen im "Blindflug"

Nochmal etwas schlechter als bei den kompetenzbezogenen sieht es bei den organisatorischen Rahmenbedingungen aus. Zumindest 55 Prozent der befragten Personaler (insbesondere aus großen Unternehmen) geben an, (eher) eng mit der IT zusammenzuarbeiten (Durchschnitt 3,5), was in der Regel eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der HR-Digitalisierung ist. Obwohl es keine neue Erkenntnis sein sollte, dass Personal eine Querschnitts- und Servicefunktion im Unternehmen ist und Optimierungen der HR-Prozesse und -Leistungen dementsprechend oft ein bereichs- beziehungsweise abteilungsübergreifendes Vorgehen benötigen, berichtet weniger als die Hälfte der Befragten von einer (eher) hohen Vernetzung von HR mit anderen Unternehmensbereichen (Durchschnitt 3,3). Nur 37 Prozent nutzen agile Formen der Zusammenarbeit in HR (Durchschnitt 2,9). Und lediglich 23 Prozent geben an, eigenständige, autonom agierende Teams etabliert zu haben, in denen auch mal mit neuen Dingen und Ansätzen experimentiert wird (Durchschnitt 2,3). Gerade bei den mittelgroßen Unternehmen fehlen diese Erfolgsfaktoren für Agilität häufig.

Ausgesprochen schwach ist die Begleitung der Digitalisierung durch adäquate Steuerungskennzahlen. Weniger als jedes dritte Unternehmen nutzt traditionelle Kennzahlen, um den HR-Digitalisierungserfolg zu messen (Durchschnitt 2,6). Und gar nur 17 Prozent der HR-Funktionen nutzen spezifische Digitalkennzahlen wie zum Beispiel Click-Raten, Verweildauern oder Conversion Rates (Durchschnitt 2,1). Der Nutzen und die Kosten der Digitalisierungsaktivitäten werden nur von ganz wenigen der untersuchten HR-Funktionen gemessen (Durchschnitt je 1,9). Bei einer Betrachtung der Unternehmensgrößen fällt auf: Umso größer das Unternehmen, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass gemessen wird. Die Mehrheit der KMUs scheint die HR-Digitalisierung im "Blindflug" anzugehen und darauf zu vertrauen, dass die Digitalisierungsaktivitäten schon zur Erreichung der HR-Ziele beitragen werden.

Barrieren bei der Digitalisierung: Personalmangel und fehlende Priorisierung

Bei der direkten Frage nach Barrieren einer erfolgreichen HR-Digitalisierung werden allen voran mangelnde personelle Ressourcen (75 Prozent stimmen dem (eher) zu, Durchschnitt 4,0) und mangelnde Zeit (69 Prozent, Durchschnitt 3,9) genannt. Anscheinend gibt es zu wenige Mitarbeitende in HR, die für Digitalisierungsinitiativen Zeit und auch die entsprechenden Kompetenzen haben. Dies passt dazu, dass man im Gespräch mit Personalern immer wieder als Begründung beziehungsweise Entschuldigung für eine ausbleibende beziehungsweise stockende HR-Digitalisierung hört, dass die vorhandenen Personen mit dem HR-Tagesgeschäft und sonstigen HR-Projekten bereits so stark ausgelastet seien, dass keine Zeit bleibe, sich auch noch darum zu kümmern.

Betrachtet man die anderen häufiger genannten Barrieren, lässt sich aber auch eine etwas andere Interpretation des Kernproblems ableiten. An Platz drei der größten Barrieren liegt die fehlende strategische Priorisierung (45 Prozent, Durchschnitt 3,1). Gerade wenn die Ressourcen knapp sind, muss die HR-Abteilung auch bereit sein, andere Dinge wegzulassen oder zumindest weniger Aufwand hineinzustecken, um sich entsprechend um Digitalisierungsthemen zu kümmern. Dies fällt anscheinend vielen Personalerinnen und Personalern beziehungsweise HR-Verantwortlichen schwer. 

Ein wesentlicher Grund für die mangelnde strategische Priorisierung ist vermutlich die – nur leicht weniger oft als Barriere genannte – fehlende oder unklare Zieldefinition (43 Prozent, Durchschnitt 3,0). Ohne Ziele ist eine Priorisierung natürlich schwierig. Und ohne Ziele ist eine erfolgreiche HR-Digitalisierung kaum denkbar. Problematisch ist der Befund, dass diese Barrieren sehr häufig von operativen HR-Mitarbeitenden und -Führungskräften genannt werden, aber deutlich seltener von Geschäftsführern und Personalleitern. Hier stellt sich die – aus den Studiendaten nicht zu beantwortende – Frage, ob primär ein Führungsentscheidungs- oder ein Kommunikationsproblem vorliegt.

Im Gegensatz zur öffentlichen Diskussion spielen ausgeprägte Datenschutzbedenken und der Betriebsrat keine so dominante Rolle. Insbesondere der immer wieder zu hörende Vorwurf, dass der Betriebsrat mit entsprechenden Bedenken die Digitalisierung ausbremsen würde, lässt sich aus den Studienergebnissen in der Breite der Unternehmen nicht bestätigen. Auffällig ist aber, dass die Themen Datenschutz und Betriebsrat mit zunehmender Unternehmensgröße immer stärker an Relevanz gewinnen. 

Zögerlicher Technologieeinsatz bei HR-Prozessen

Eine weitere Ursache für die geringe Zufriedenheit mit der bisherigen HR-Digitalisierung könnte auch die Zurückhaltung beim Einsatz neuartiger Technologien sein. Natürlich ist es nicht nötig und auch gar nicht sinnvoll, auf jeden Trend aufzuspringen und jedwede neue Technologie unreflektiert zu nutzen. Vielmehr sollte nur das genutzt werden, was (am besten) der Erreichung der HR-Ziele dient und auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Von daher sind eine kritische Reflexion der Technologiereife und eine bewusste Priorisierung im Zuge knapper Ressourcen sinnvoll und empfehlenswert. Gleichzeitig besteht die Gefahr abgehängt zu werden, wenn man zu defensiv agiert.

Bei einer Betrachtung der "neueren" Technologien, die zumindest rudimentär in HR im Einsatz sind, liegen wenig überraschend Social-Media-Plattformen an der Spitze. Führend ist klar die Nutzung von externen Plattformen wie Facebook, Instagram, Linkedin oder Xing. Dies korrespondiert sicherlich mit dem relativ hohen Digitalisierungsgrad im Recruiting. Auf Platz zwei folgen interne Social-Media-Plattformen (dann oft Social Collaboration genannt), wie Teams, Zoom, Yammer, Jira oder Slack. Diese Technologien haben nicht zuletzt im Zuge der Covid-19-Pandemie massiv an Relevanz gewonnen. Dahinter folgen die digitale Personalakte und Cloud-Lösungen. Auch Employee beziehungsweise Manager Self Service Apps sind bei der Mehrheit der befragten Unternehmen im Einsatz, insbesondere bei den ganz großen. Und auch bei den Human- Capital- beziehungsweise Experience-Management-Systemen, wie beispielsweise SAP SuccessFactors, Oracle und Workday, zeigt sich eine klare Abhängigkeit von der Unternehmensgröße: Während die großen Unternehmen sehr häufig über ein solches System verfügen, ist es bei kleinen Unternehmen selten.

Dass diese mittlerweile als etabliert zu bezeichnenden Technologieansätze die Liste anführen, war sicherlich auch so zu erwarten. Durchaus überraschend ist eher, dass jeweils ein großer Anteil der Personalerinnen und Personaler auch im Jahr 2022 nur von einem rudimentären Einsatz spricht. Der Anteil der HR-Bereiche, die die Technologien "richtig" im Einsatz haben, ist immer relativ gering.

Wenig überraschend werden Technologien wie Blockchain, Sprachsteuerung, Virtual/Augmented Reality bisher nur von wenigen Unternehmen in der HR-Funktion eingesetzt beziehungsweise ausprobiert. Diese drei Technologien sind auch diejenigen, bei denen der größte Anteil der Befragten (jeweils über 60 Prozent) angibt, dass sie "mittelfristig nicht relevant" seien und daher aktuell gar nicht weiter betrachtet werden.

Dass relativ wenige HR-Funktionen angeben, aktuell Ansätze der künstlichen Intelligenz (KI) zu nutzen (14 Prozent), verwundert nicht. Zwar wurde über KI in den letzten Jahren sehr viel geredet und die Potenziale sind groß, aber vieles ist noch nicht in der breiten Nutzung angekommen. Durchaus überraschend sind es aber auch nur weitere 13 Prozent, die einen Einsatz planen. 39 Prozent halten KI mittelfristig für nicht relevant und haben es daher noch nicht einmal "auf dem Radar".

Bei einer Betrachtung der Technologien, die derzeit "in Planung" beziehungsweise zumindest "auf dem Radar" sind, stehen – neben KI – noch Learning-Experience-Plattformen und Data Analytics Tools, Process Mining Tools, Matching Tools und Feedback Apps ganz oben. Es dominieren aber jeweils die Unternehmen, die erst einmal abwarten wollen. 

Fazit zur Digitalisierung von HR-Prozessen

Die Personaler sehen in der Digitalisierung einen großen Hebel, um die HR-Ziele im eigenen Unternehmen (besser) zu erreichen. Und sie sehen auch sich selbst im Driver's Seat: 83 Prozent der Studienteilnehmer sehen die HR-Abteilung selbst als Treiber der Veränderung. Trotz der erkennbaren Digitalisierungsaktivitäten und der angegebenen Digitalisierungserfolge zeigt sich aber eine relativ geringe Zufriedenheit mit dem bisher Erreichten. Die vorgestellten Studienbefunde offenbaren Gründe für diese Unzufriedenheit und liefern Ansatzpunkte für die zukünftige Optimierung. 

Es ist aber natürlich nicht so, dass die verschiedenen Unternehmen alle gleich aufgestellt sind. Der Blick auf einzelne Unternehmen zeigt wenig überraschend, dass es durchaus sehr große Unterschiede zwischen den verschiedenen HR-Abteilungen gibt. Neben Digitalisierungsvorreitern gibt es auch Unternehmen, die bisher relativ wenig im Hinblick auf die Digitalisierung von HR unternommen beziehungsweise erreicht haben. Und dies gilt für alle Größenklassen – auch wenn die großen Unternehmen oft weiter sind als die KMUs.


Über die Studie:

Die "Benchmarking-Studie zum Digitalisierungsgrad von HR" basiert auf einer Online-Befragung im Zeitraum Juni bis August 2022. Initiiert wurde die Studie von Reiner Straub und Matthias Haller vom Personalmagazin. Das Erhebungsinstrument wurde von Professor Torsten Biemann (Universität Mannheim) und Professor Thorsten Petry (Hochschule RheinMain) konzipiert, in einem Pre-Test mit verschiedenen Personalmanagern und -experten getestet und auf Basis der Rückmeldungen optimiert.

An der Studie teilgenommen haben 345 Unternehmensvertreter, davon neun Prozent aus Geschäftsführung/Vorstand, 41 Prozent Personalleiter und -leiterinnen, 21 Prozent HR-Führungskräfte und 28 Prozent HR-Mitarbeitende. Die Unternehmen decken die gesamte Breite der deutschen Wirtschaft ab. Am häufigsten ist das verarbeitende Gewerbe vertreten (94 Nennungen), danach folgt die Informations- und Kommunikationsbranche (55 Nennungen). Auch alle Unternehmensgrößen sind vertreten. Fünf Prozent der Teilnehmerunternehmen haben unter 50 Mitarbeitende, knapp die Hälfte (47 Prozent) liegt im Bereich 50 bis 1.000 Mitarbeitende, 26 Prozent haben 1.000 bis 10.000 Mitarbeitende und 22 Prozent der Teilnehmer stammen aus Großunternehmen mit über 10.000 Mitarbeitenden.  

Ein besonderer Mehrwert der Studie besteht darin, dass die Studienteilnehmenden einen individuellen Zugang zu einem Bench­marking-Dashboard der Universität Mannheim erhalten. Dort werden jeweils die eigenen Angaben im Vergleich zu den Personalfunktionen in den anderen Unternehmen dargestellt – dabei kann als Vergleichsmaßstab auch eine spezifische Branche und/oder Größenklasse ausgewählt werden. Das Dashboard bietet den Studienteilnehmenden so die Möglichkeit, tiefer und spezifischer in die Studienbefunde einzutauchen, als dies in dem generischen Studienbericht beziehungsweise diesem Beitrag erfolgen kann. Voraussetzung für einen solchen individuellen Dashboard-Zugang war entweder die Nutzung eines individuellen Fragebogenlinks oder die freiwillige Angabe der eigenen E-Mail bei der Nutzung des generischen Links.

Der komplette Studienbericht kann unter folgendem Link abgerufen werden: www.haufe.de/Digitalisierungsstudie-HR

Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 12/2022. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.