Selbstwertmanagement im Berufsalltag

Wieso erkennen Kolleginnen und Kollegen ihre eigenen Fehler oft nicht an? Warum suchen Führungskräfte den Fehler so selten bei sich selbst? Der Kolumnist und Wirtschaftspsychologe Uwe P. Kanning erklärt das mit Selbstüberschätzung und zeigt, aus welchen Strategien des Selbstwertmanagements dies resultiert.

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie wenige Führungskräfte Selbstkritik üben? Nein, nicht die im Führungsseminar antrainierten Floskeln, sondern ernst gemeinte Kritik. Wie viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen zweifeln an der eigenen Fachkompetenz, selbst wenn sie offensichtlich einen Bock nach dem anderen schießen? Warum streben Leute, die schon mit ihren derzeitigen Aufgaben überfordert sind, höhere Positionen an?

Die Antwort auf diese und viele ähnlich gelagerte Fragen lautet: Selbstwertmanagement.

Von positivem Selbstkonzept zur Selbstüberschätzung

Seit Jahrzehnten zeigt die psychologische Forschung, dass Menschen im Allgemeinen danach streben, ein positives Selbstkonzept aufzubauen und versuchen, dieses gegen Angriffe von außen zu verteidigen. Mehr noch, die meisten Menschen sind in dieser Disziplin überaus erfolgreich und produzieren dadurch ein behagliches Gefühl der Selbstüberschätzung.

Hierzu setzen sie verschiedene Strategien ein, mit deren Hilfe sie ihre Wahrnehmung der Realität immer geschickt so einpendeln, dass sie selbst im besten Licht glänzen (und andere in den Schatten gedrängt werden). Dies geschieht keineswegs bewusst oder reflektiert. Das Ganze läuft eher wie ein Reflex in einem überaus vitalen Organismus ab.

Überblick: Verschiedene Strategien des Selbstwertmanagements

Schauen wir uns doch einmal einige der schönsten Strategien des Selbstwertmanagements an:

False uniqueness: Zeigt man selbst ein positives Verhalten, so erscheint dies der handelnden Person einzigartig. Denken wir hier etwa an eine Führungskraft, die hin und wieder mal die Arbeitsbelastung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Blick nimmt. Im Selbstbild erscheint ihr dies als Ausdruck eines ebenso erstklassigen wie außergewöhnlichen Führungsverhaltens. Selbst wenn vielleicht nicht mal die Mehrheit der Führungskräfte auf die Arbeitsbelastung Rücksicht nehmen würde – de facto ist die Zahl unbekannt –, wäre dies dennoch nicht erstklassig, sondern sollte eigentlich selbstverständlich sein.

False Consensus: Eigenes Fehlverhalten wird als übliche Vorgehensweise erlebt, denn wenn alle einen bestimmten Fehler machen, erscheint die eigene Missetat weniger schlimm. Denken wir hier an einen Personaler, der immer noch einfache Vorstellungsgespräche führt, obwohl sich damit die berufliche Leistung um ein Vielfaches schlechter prognostizieren lässt als mit einem hochstrukturierten Einstellungsinterview. Vor sich selbst kann er den Fehler immer damit kleinreden, dass die anderen doch auch nicht professioneller handeln. Schade, dass ein Fehler nicht besser wird, wenn viele ihn begehen.

Self Handicapping: Wer schon im Vorhinein weiß, dass er an einer Aufgabe scheitern wird, legt sich selbst möglichst viele Steine in den Weg, damit er nachher behaupten kann, die ungünstigen Umstände hätten ihn an einer guten Lösung der Aufgabe gehindert. Stellen wir uns eine Mitarbeiterin vor, die auf einer Veranstaltung einen Vortrag zu einem schwierigen Thema halten muss. Bis zum Vortragstermin bleiben noch drei Tage und in dieser Zeit wäre die Aufgabe für eine fähige Kollegin gut zu bewältigen. Unsere Protagonistin nutzt die verfügbare Zeit jedoch nicht, sondern erledigt möglichst viele Aufgaben, die schon lange liegengeblieben sind. Fällt das Feedback zu seinem Vortrag anschließend negativ aus, kann er sich damit entschuldigen, dass er sich angesichts der Arbeitsüberlastung leider nicht gründlich auf den Vortrag vorbereiten konnte. Selbstverständlich spiegelt die Leistung im Vortrag daher nicht ihre tatsächlichen Fähigkeiten wider.

Hindsight Bias: Im Nachhinein glaubt man etwas gewusst zu haben, obwohl dies gar nicht stimmt. Nehmen wir einmal an, eine neu eingestellte Mitarbeiterin wird nach nur zehn Monaten wieder entlassen. Die verantwortliche Person, die seinerzeit die Einstellungsentscheidung getroffen hat, könnte dies als Hinweis auf die schlechte Qualität ihres Auswahlverfahrens deuten und anschließend aus eigenen Fehlern lernen. Wahrscheinlich hat sie die Entscheidung weitgehend aus dem Bauch getroffen – ein vielfach belegter Fehler der Personalauswahl. Dem Hindsight Bias folgend glaubt sie allerdings, schon damals ein ungutes Gefühl bei der Einstellung gehabt zu haben. In der Konsequenz muss sie sich selbst und ihre Methoden also keineswegs hinterfragen. Im Gegenteil, in Zukunft sollte sie noch stärker als bisher ihren Gefühlen folgen. Dass sie damit noch mehr Fehler generiert, kann sie selbst nicht erkennen.

Selektive Gewichtung: Jeder von uns kann manche Sachen gut und andere weniger gut. Selbstwertdienlich ist es, wenn wir die Dinge als wichtig ansehen, in denen wir selbst eine besondere Expertise besitzen. Wird die Personalauswahl von einer Juristin geleitet, so erscheint ihr der gesamte Auswahlprozess vor allem einer Frage der rechtskonformen Abwicklung zu sein. Hätte sie BWL studiert, würde sie den ökonomischen Nutzen der eingesetzten Verfahren in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Beide könnten sich sicher sein, ihren Job hervorragend zu erledigen, obwohl sie jeweils völlig anders an die Sache herangehen.

So kann jeder mit sich selbst rundum zufrieden sein. Dumm nur, dass die anderen die eigene Genialität oft einfach nicht erkennen wollen...


Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" hinein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend, wie Sie gute von schlechten Testverfahren unterscheiden warum Manager scheitern, wie ein Akzent die Bewertung von Bewerbern beeinflusst oder wie "smart" gesetzte Ziele für eine Leistungssteigerung sein müssen.

Schlagworte zum Thema:  Leadership, Personalarbeit