Der US-Konzern Dayforce gehört zu den wachstumsstärksten Anbietern im nordamerikanischen HCM-Markt. Jetzt drängt das Unternehmen mit einer Full-Suite-Strategie und eigener deutscher Payroll nach Europa. Tobias Goers, Country Manager DACH, erklärt, warum sich Dayforce gerade bei Unternehmen mit vielen gewerblichen Mitarbeitenden Chancen ausrechnet – und weshalb der Anbieter sich als "New Work für Blue Collar" versteht.
Ein Anbieter auf Wachstumskurs
Dayforce wuchs in den zurückliegenden drei Jahren jeweils zweistellig – und zwar in allen wichtigen Regionen. Der weltweite Umsatz stieg in dieser Zeit von 1,25 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 auf 1,76 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024. Den größten Teil seines Umsatzes macht das Softwareunternehmen in seinem Heimatmarkt, den USA (66 Prozent), gefolgt von Kanada (21 Prozent). Australien trägt knapp fünf Prozent bei und wird seit 2024 erstmals als eigener Kernmarkt geführt. Unter der Bezeichnung "Andere" läuft derzeit das Europageschäft, das sich auf das UK, Deutschland, Österreich und die Schweiz konzentriert.
Als Wertung möchte Tobias Goers, Country Manager DACH bei Dayforce, das allerdings nicht verstanden wissen. Im Gegenteil: Er betont die strategische Bedeutung des europäischen Marktes, insbesondere des deutschsprachigen Raums, für die Wachstumsstrategie des US-Anbieters. Das Unternehmen ist seit 2019 außerhalb Nordamerikas aktiv und beschäftigt inzwischen 1.700 seiner weltweit 9.600 Mitarbeitenden in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (Region EMEA) – davon etwa 100 in Deutschland. Die Zahl dürfte grob gesprochen das Entwicklungsstadium des hiesigen Marktes widerspiegeln: im Aufbau.
Goers, der den Markt und die Player aus langjähriger Erfahrung kennt, will helfen, in Deutschland Fuß zu fassen. Mit beruflichen Stationen bei ADP, Atoss, Pulsserver und zuletzt Workday, hat er sich, wie er selbst sagt, von den Softwarespezialisten hin zu den Generalisten gearbeitet. Als solcher sieht sich auch Dayforce, das sich als HCM-Suite-Anbieter im Markt positioniert. Der Kern der Lösung umfasst Stammdatenverwaltung, Talent Management, Workforce Management sowie Payroll – wobei letztere eine Eigenentwicklung für den deutschen Markt darstellt. Das ist bemerkenswert. Schließlich gilt die Payroll aufgrund ihrer Komplexität als hohe Einstiegshürde für neue Wettbewerber.
Der Anspruch: Eine Suite mit deutscher Payroll
Goers weiß das, sieht aber gerade darin die Chance, eine strategische Lücke im Markt zu nutzen. "Es gibt zurzeit keinen HCM-Full-Suite-Anbieter, der HCM Core, Talent, Workforce Management und auch noch eine Entgeltabrechnung anbietet", sagt er. Gerade in Deutschland sieht er eine steigende Nachfrage nach integrierten Payroll-Lösungen: "Die Kunden wünschen sich einen Anbieter, der alles aus einer Hand bieten kann". Aus diesem Grund hätte man sich entschieden, eine solche selbst zu entwickeln und nicht durch einen Zukauf oder Schnittstellen zu einem Drittanbieter abzubilden. Ob dieser Ansatz gelingt, muss sich noch zeigen.
Die Lösung sei gerade erst an den Start gegangen, verrät Goers. Für eine Zwischenbilanz sei es also noch zu früh. Ob der gehobene deutsche Mittelstand, auf den Dayforce abzielt, ausgerechnet einem US-Anbieter bei diesem sensiblen Thema das Vertrauen schenkt, bleibt offen. "Unsere Lösung wird in Deutschland für den deutschen Markt entwickelt", verspricht Goers. Eine Payroll sei eine Never-Ending-Story, darüber sei man sich beim Cloud-Anbieter im Klaren. Seinen langen Atem wird das Unternehmen dennoch erst unter Beweis stellen müssen.
Workforce Management als Kernkompetenz
Dabei liegt die Kernkompetenz das Softwareanbieters nach eigenen Angaben in einer anderen Disziplin: dem Workforce Management. "Wir kommen historisch betrachtet aus der Schichtplanung und Zeiterfassung", sagt Goers. Deshalb habe das Unternehmen im US-Markt bis heute einen Fokus auf Unternehmen mit einem hohen Anteil gewerblicher Beschäftigter. Payroll und HCM kamen erst später hinzu. Man haben die schwierigen Themen zuerst entwickelt, sagt Goers. "Die Schlammzone" nennt der ehemalige Berufsoffizier der Bundeswehr das und sieht darin eine Stärke.
Auch in Deutschland könne Dayforce bei sogenannten Blue-Collar-Unternehmen punkten, prognostiziert Goers. Entscheidend dafür sei die Mobilnutzung der Softwarelösung per App. Diese ermögliche eine hohe Nutzungsrate unter gewerblichen Beschäftigten, die keinen Zugang zu einem Firmen-PC oder Laptop haben.
Integration statt Insellösungen
Dayforce sieht sich sowohl als Alternative als auch als Ergänzung zu etablierten HCM-Systemen. Im Gartner Quadrant rangiert der Anbieter neben Enterprise-Lösungen wie Workday, Oracle und SAP. Darin spiegelt sich das Standing im US-Markt. Dabei könne Dayforce sowohl als Primärsystem als auch komplementär eingesetzt werden: "Wenn der HR-Core vorhanden ist, können wir Workforce Management und Global Payroll ergänzen", verspricht Goers. Das Ziel sei klar: keine überladene ERP-Welt, sondern eine spezialisierte HCM-Suite mit starkem Fokus auf Workforce Management und Payroll.
Auf der Referenzliste seiner Kunden stehen Unternehmen wie die Kaffeekette Costa, der Snowboardhersteller Burton oder die NBA-Franchise der Minnesota Timberwolves. Für Deutschland nennt Goers Mercedes-Benz Retail und Henkel. Global werden über die Systeme des Anbieters nach eigenen Angaben rund sieben Millionen Nutzer verwaltet. Das entspricht 7.000 Kunden. Nur ein kleiner Bruchteil kommt derzeit aus der DACH-Region.
KI-Agenten: Automatisierung mit menschlichem Kontrollpunkt
Als zentralen Wachstumstreiber sieht Goers die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in seine Software. Wie auch andere Softwarehersteller setzt Dayforce große Hoffnung in die Entwicklung sogenannter KI-Agenten, die Prozesse wie Abwesenheitsbuchung oder Schichtplanung künftig autonom ausführen sollen. Die finale Entscheidung läge aber weiterhin beim Menschen, betont Goers.
Dayforce setzt auf die Dienste von Microsoft Azure. "Andere Anbieter haben einen One-to-Many-Approach. Wir sind da konservativer: Jeder Kunde hat seine eigene Instanz und die AI lernt nur von diesen Daten." Das reduziere Risiken – und steigere Vertrauen, auch im deutschen Markt, wo Datenschutzbedenken gegenüber US-Anbietern verbreitet sind.
Übernahme soll Innovation beschleunigen
Im August 2025 wurde bekannt, dass Dayforce vom Private-Equity-Investor Thoma Bravo übernommen wurde, der sich auf Unternehmen aus Technologie- und Softwareentwicklung spezialisiert hat. Der Deal wird im ersten Quartal 2026 abgeschlossen sein. Für Goers eröffnet das neue Spielräume: "Durch die Übernahme haben wir neue Möglichkeiten, Innovationen voranzutreiben." Zum Jahresende 2025 geht Dayforce, das bis ins Jahr 2024 als Ceridian firmierte, von der Börse. Die neue Eigentümerstruktur bedeutet für Goers vor allem Planbarkeit und die Chance, die Plattform schneller weiterzuentwickeln.
Markteintritt in DACH: Momentum statt Masse
Um hierzulande durchstarten zu können, wird das US-Unternehmen jedoch noch deutlich in seine Markenbekanntheit investieren müssen. Dayforce ist zwar bereits seit 2020 auf dem deutschen Markt aktiv, zunächst aber "eher leise" und erst seit zwei Jahren zunehmend strukturiert, wie Goers berichtet. Doch er ist überzeugt, mit seinem Versprechen einer spezialisierten Suite beim deutschen Mittelstand Gehör zu finden.
Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.