Mit einem globalen Umsatz von knapp fünf Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 zählt UKG zu den Schwergewichten im internationalen HR-Tech-Markt. Bekannt ist der Softwareanbieter aus Lowell im US-Bundesstaat Massachusetts vor allem durch seine Workforce-Management-Lösungen, darunter Zeiterfassung und Schichtplanung.
Der Blick des Riesen richtet sich nun auf Europa. Denn dort sieht das Unternehmen große Wachstumschancen. "Die globale Expansion hat für uns höchste Priorität", sagt Benedikt Lell. In den USA hatte der Softwareanbieter in den für ihn relevanten Branchen teilweise so hohe Marktanteile, dass Wachstumsmöglichkeiten zwangsläufig auch in anderen Regionen gesucht werden müssten, behauptet Lell.
Das Hauptgeschäft liegt in Nordamerika
Geschäftszahlen für Europa oder Deutschland gibt das Privatunternehmen nicht heraus. Der Umsatz im Wirtschaftsraum EMEA, zu dem neben Europa auch der Nahe Osten und Afrika gehören, dürfte Schätzungen zufolge im einstelligen Prozentbereich liegen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Das Hauptgeschäft des US-Anbieters, der nach eigenen Angaben 80.000 Kunden in 150 Ländern hat, liegt tatsächlich in Nordamerika. Dort arbeitet auch der Großteil der rund 14.000 Beschäftigen weltweit.
In Nordamerika hat sich UKG auf Kunden aus der Fertigungsindustrie, dem Gesundheitswesen, dem Einzelhandel, dem öffentlichen Sektor und der Dienstleistungs- und Vertriebsbranche spezialisiert. Die Autobranche, wo besonders viele Beschäftige im Schichtbetrieb arbeiten, zählt zu einer der größten Kundengruppen des Softwareanbieters.
In Deutschland, das einen der europäischen Kernmärkte für den Anbieter darstellt, schielt UKG bei Großkunden ebenso auf Unternehmen mit vielen Schichtarbeitenden. Im Fokus stehen dabei der gehobene Mittelstand und globale multinationale Konzerne. Im sogenannten Enterprise-Segment liefert der Anbieter einzelne oder mehrere Modullösungen, die in die gängigen HCM-Suiten wie SAP, Workday oder Oracle integriert werden können. Aus diesem Geschäft resultiert aktuell der größere Teil des Umsatzes im Raum EMEA. UKG tritt dabei unter seinem Markennamen auf.
Zeiterfassung und Planung als Anknüpfungspunkt für KMU
CEO Jennifer Morgan, die kurzzeitig als Co-CEO bei SAP die Geschicke lenkte, verfolgt bei UKG eine klare Mission: Den Softwarekonzern als global relevante Plattform für HR-Prozesse zu etablieren. Dazu adressiert der Anbieter hierzulande verstärkt ein zweites Segment: kleinere und mittelständische Unternehmen. Sie machen die überwiegende Mehrheit der Betriebe in Deutschland aus. Bei diesen Kunden setzt das US-Unternehmen auf eine schlanke Suite-Lösungen namens UKG Ready, die auch als White-Label-Produkt über Vertriebspartner wie Haufe vermarktet wird. Anknüpfungspunkt für Neukunden sei in vielen Fällen die Zeiterfassung und Planung, sagt Lell. Wie viele Kunden derzeit mit der Suite arbeiten, lässt er offen. Die Anzahl dürfte in Europa nach Einschätzung von Marktexperten im vierstelligen Bereich liegen. Dass die KMU-Suite die Entreprise-Lösungen als Hauptumsatzbringer mittelfristig ablösen könnte, ist bislang schwer vorstellbar. Denn in den Spezialanwendungen steckt die Kernkompetenz des Anbieters.
Der Spezialisierung auf Branchen wie Produktion, Handel, Logistik und Gesundheitswesen ist es zu verdanken, dass der Anbieter über einen Datenpool von zehn Milliarden geplanten Schichten jährlich verfügt. Das weltweit größte Datenset zu Frontline-Mitarbeitenden, wie Lell behauptet. Dieses Wissen fließe direkt in KI-gestützte Lösungen ein – etwa bei der automatisierten Schichtplanung oder kurzfristigen Vertretungsausfällen. "Viele Unternehmen wissen gar nicht, was heute schon alles möglich ist", sagt Lell. So könnten beim kurzfristigen Ausfall eines Mitarbeitenden durch den Einsatz von KI-Agenten innerhalb von Sekunden Ersatzkräfte vorgeschlagen und benachrichtigt werden – auf Basis von Historie, Verfügbarkeit, erforderlichen Fähigkeiten, Zertifizierungen und sozialen Faktoren.
UKG setze bei Zeitwirtschaft, Schichtplanung, strategischer Personalplanung und Payroll, die allerdings über lokale Partner im Land abgewickelt wird, auf operative Exzellenz, sagt Lell. Heißt, der Anbieter möchte Unternehmen helfen, ihre Administration effizienter zu machen, also Kosten zu senken. Damit dürfte das Unternehmen in der aktuellen wirtschaftlichen und arbeitsmarktlichen Lage einen Nerv treffen. HR möchte zwar gestalten, findet sich aber immer häufiger in der Rolle des Kostentreibers wieder. Gleichzeitig fehlen in vielen Unternehmen Fachkräfte, was zu betrieblichen Engpässen führt und Produktivität kostet. Lösungen, die Effizienzgewinne versprechen, werden somit attraktiver. Davon könnte UKG profitieren.
Strategische Personalplanung auf Basis von Szenarien
Gleichzeitig setzt der Cloud-Anbieter auf das Zukunftsfeld strategische Personalplanung auf Basis von Szenarien. Die Mehrzahl der Konzerne dürfte dieses Thema inzwischen auf dem Radar haben, eine brauchbare Strategie haben aber längst nicht alle. Das mag auch daran liegen, dass Prognosen im schlechtesten Fall Kaffeesatzleserei gleichen. "Natürlich kann niemand exakt sagen, welche Skills man in fünf Jahren braucht. Aber es ist ein Fehler, deshalb keine Szenarienplanung durchführen, um die Auswirkungen verschiedener Trends auf das Geschäftsmodell zu verstehen", warnt Lell.
Als weiteres Wachstumsfeld setzt UKG auf das Thema Payroll, genauer gesagt auf eine globale Transparenz über Gehaltsprozesse. Dies sei insbesondere für international oder global agierende Unternehmen unerlässlich. "Wir können Unternehmen innerhalb weniger Wochen einen Überblick über all ihre Payrollprozesse geben, ohne ihre bestehende Payrollstruktur komplett migrieren zu müssen", verspricht Lell.
Es sind also eher die Brot-und-Butter-Themen des Personalmanagements, auf die UKG setzt. Dazu passt die pragmatische Sichtweise von Lell. Anders als viele Softwareanbieter derzeit geht er mit dem Schlagwort Künstliche Intelligenz deutlich sparsamer um. "Wir machen nicht bei jedem Agenten-Rennen mit", behauptet er. Stattdessen investiere das Unternehmen in Agenten, die den Mitarbeitenden und Führungskräften der Kunden helfen sollen - basierend auf mehr als 2.500 verschiedenen KI-Modellen. Für vielversprechend hält er Ansätze wie eine Sprachsteuerung, die gewerblichen Mitarbeitenden die Nutzung der Software erleichtern soll.
Zur Serie: Im "Marktgespräch HR Tech" spricht die Haufe Online Redaktion in regelmäßigen Abständen mit Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen etablierter Softwarehäuser sowie aufstrebender Startups und beleuchtet dabei die Entwicklungen und Trends im Markt für HR-Software.