Kolumne Leadership

Führung braucht Auftrag und Akzeptanz


Kolumne Leadership: Führung braucht Auftrag und Akzeptanz

Führen und Folgen sind die Grundlage gelingender Zusammenarbeit. Doch ihre Voraussetzungen unterliegen dem Wandel. Unser Kolumnist Randolf Jessl beleuchtet diesmal die Frage: Warum teilen wir Arbeit, aber selten Führung?

Heute möchte ich mich einer vermeintlichen Detailfrage rund um Shared Leadership widmen. In meinen Seminaren, Workshops und Projekten kommt immer wieder die Frage auf: Ist Führung teilen dann nichts anderes als Arbeit teilen? Die Antwort hierauf birgt eine wichtige Erkenntnis.

Denn Führung zu teilen ist etwas grundlegend anderes, als Arbeit zu teilen. Zwar stimmt es: Führung ist auch Arbeit, quasi ein Bündel von Tätigkeiten. Das sind zum Beispiel Aufgaben wie Budgets aufstellen und überwachen, Fachfragen klären und entscheiden, Menschen fördern und ihnen die Richtung weisen, Konflikte lösen, Entscheidungen herbeiführen oder treffen, die eigene Einheit in Meetings, bei Vorgesetzten oder auf externen Konferenzen vertreten.

Wer führt, muss dazu autorisiert sein

All diese Aufgaben können auch von anderen als der offiziellen Führungskraft erledigt werden. Formale Stellvertreter können sie übernehmen oder externe Profis können dafür eingespannt werden. Aber natürlich können sich auch Mitarbeitende, die dazu von der Führungskraft autorisiert werden, darum kümmern. Immer geht es dann um zweierlei:

  • Wer in das Führungshandeln einsteigt, das eigentlich von der formalen Führungskraft erwartet wird, muss von der Führungskraft dazu ermächtigt und befähigt werden.
  • Die Führungskraft kann sich unter keinen Umständen aus der Verantwortung dafür ziehen, was in ihrem Auftrag hier geschieht.

Daraus folgt: Führung kann von formalen Führungskräften nicht delegiert, sondern eigentlich nur geteilt werden. Das ergibt sich aus der formalen Verantwortung der disziplinarischen Führungskraft, aber auch aus dem Führungsanspruch an die Person, die eine formale Führungsstelle bekleidet. Ich gestehe, dass auch ich das im Rahmen dieser Kolumne schon unscharf formuliert habe.

Arbeit ist Dienst an der Sache, Führung ist Dienst an der Gruppe

Woran aber liegt es, dass sich Führung teilen, aber nicht delegieren lässt – und sie sich damit von Arbeit unterscheidet, bei der beides keinen Unterschied macht? Die Antwort liegt in der Natur des Sachverhalts. Denn Arbeit ist Dienst an einer Aufgabe und Verantwortung für das eigene Handeln – Führung hingegen ist Dienst an einer Gruppe und Verantwortung für gemeinsames Handeln.

Wird in Gruppen Arbeit verteilt, wirft das oft weniger knifflige Fragen auf, als wenn Führungskräfte oder Gruppen untereinander Führung teilen. Sich Arbeit zu teilen, bedeutet zu klären: Wer macht was bis wann, wer ist wofür geeignet, wer braucht was von wem. Hier gilt es, die Klippe zu nehmen, dass Arbeit möglichst gerecht und unter den gegebenen Umständen (Skills, Zeit, Neigung) angemessen verteilt wird.

Wer führt, soll Einfluss auf andere nehmen

Wird Führung geteilt, geht es um mehr. Wer ins Führungshandeln einbezogen wird, muss zwangsläufig Einfluss auf andere nehmen: Die Person kann und soll anweisen, darf in ihrem Bereich das letzte Wort beanspruchen und so weiter. Vor sich hinwursteln, bis das Ergebnis steht, gelingt hier nicht. Man braucht die Akzeptanz derjenigen, die mitziehen sollen.

Aus diesem Grund muss der Prozess, in dem Führung geteilt wird, wesentlich klarer und bewusster gestaltet werden, als wenn es darum geht, Arbeit aufzuteilen. Es gilt

  • klar zu benennen, worauf sich der Führungsanspruch der benannten Person bezieht
  • sicherzustellen, dass diese Person auch akzeptiert wird und
  • dafür zu sorgen, dass die Person, die mit ins Führungshandeln einsteigen soll, auch über alle Informationen, Befugnisse und Kompetenzen verfügt, die sie braucht.

Aus diesem Grunde wird neben dem, was die Person in der Sache kann, auch mehr Augenmerk darauf gelegt werden müssen, wie sie in Gruppen agiert, wie sie bei den Kollegen ankommt, ob sie "mit Menschen kann". Die Latte für Personen, die Arbeit zugeteilt bekommen haben, liegt hier niedriger.

Weiterhin muss der Prozess, wie diese Person ihren Führungsauftrag erhält, sehr transparent gestaltet werden. Mal eben zwischen Tür und Angel verabreden, "dass Du Dich künftig bitte stärker um die Teamdynamik bei uns kümmerst", funktioniert so nicht.

Wie Chefs andere ins Führungshandeln einbeziehen

Wer ins Führungshandeln einsteigt, muss volle Billigung und Unterstützung der formalen Führungskraft haben. Diese sollte allen Beteiligten klarmachen, dass sie aus guten Gründen ihre Führung teilen will und die Person, um die es geht, als dafür geeignet betrachtet. Da aber auch die freiwillige Kooperation der Gruppe gebraucht wird, sollte auch die Gruppe bei der Ernennung und Auswahl der Person beteiligt sein.

Ob das als Wahl, als Akklamation oder als simple Absicherung in gemeinsamer Runde ("Ist es ok für Euch, wenn ich diesen Auftrag übernehme, und seid Ihr bereit, mich dabei zu unterstützen?") geschieht, ist dabei zweitrangig und stark kultur- und kontextabhängig.

Aus der Praxis: Entwicklungsgespräche teilen

Auf jeden Fall hat sich in mehreren Projekten gezeigt, dass Führung, die auf diese Art geteilt wird, die formale Führungskraft entlastet, die Führungsintensität erhöht und von Gruppen gerne angenommen, ja manchmal sogar selbst gefordert wird. Letzteres war der Fall bei einem Softwarehaus, in dem Mitarbeitende sich selbst der Teamleitung als Co-Lead in Entwicklungsfragen anboten. Mit 27 Teammitgliedern, die im 6-Wochen-Rhythmus Entwicklungsgespräche absolvierten, war die Teamleitung schnell an ihr Limit gekommen.

Die Lösung: Der Teamleiter teilt nun bereits seit einem Jahr die Entwicklungsgespräche mit drei Kolleginnen, die sich dazu bereit erklärt hatten und dafür von der Gruppe anerkannt werden. Und dabei ist unser kleines Detail das entscheidende: Er delegiert das nicht, sondern er teilt.

Nach wie vor führt auch der Teamleiter mit 5 Personen aus dem Team regelmäßig die Gespräche. Er gleicht sich davor und danach mit seinen drei Co-Leads ab. Die vier so genannten People Leads kommen dadurch zu besseren Lösungen, als wenn der Teamleiter diese Führungsaufgabe allein am Rande der Erschöpfung zu schultern versuchte. Manchmal machen vermeintliche Kleinigkeiten den entscheidenden Unterschied.


Randolf Jessl ist Inhaber der  Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority. Er berät, trainiert und coacht Menschen und Organisationen an der Schnittstelle von Führung, Kommunikation und Veränderungsanliegen. Zusammen mit Prof. Dr. Thomas Wilhelm hat er bei Haufe das Buch " Shared Leadership" veröffentlicht.


Schlagworte zum Thema:  Leadership , Mitarbeiterführung
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