Kolumne Leadership

Veränderung bewirken: was funktioniert


Kolumne: So bewirken Sie Veränderung

Führen und Folgen sind die Grundlage gelingender Zusammenarbeit. Doch ihre Voraussetzungen unterliegen dem Wandel. Unser Kolumnist Randolf Jessl beleuchtet diesmal die Frage: Wie bewegt man andere zu Verhaltensänderungen?

Führung adelt. Wer führt, ist wer. Dabei gibt es recht unterschiedliche Intensitäten und Herausforderungen beim Führen. In der Praxis beobachte ich drei:

  1. Der Frühstücksdirektor: Es läuft ohnehin im Team oder der Organisation, und man präsidiert oder managt ein wenig. Ein Traumjob auch für ungelenke Führungskräfte.
  2. Die Supervisorin: Die Menschen sind unsicher und unerfahren und brauchen Anleitung. Eine Fleißarbeit für fähige und erfahrene Führungskräfte.
  3. Der Change Agent: Die Menschen sind festgefahren in Gewohnheiten, sollen aber ihr Verhalten ändern. Ein Himmelfahrtskommando – egal für wen.

Menschen sind Gewohnheitstiere. Und streng genommen gilt: Niemand kann das Verhalten eines anderen ändern. Nur die Betroffenen selbst können ihr Verhalten ändern. Trotzdem gibt es Interventionen, die eine Verhaltensänderung anstoßen können und sollen.

Die Wirksamkeit solcher Interventionen zu erfassen war das Anliegen von Forscherinnen und Forschern des Social Action Labs an der University of Pennsylvania. Unter Leitung von Dolores Albarracín hat das Team die Studie "Determinants of behaviour and their efficacy as targets of behavioural change interventions" in Nature Reviews Psychology (2024) veröffentlicht.

Die Metastudie zu den Metaanalysen

Das Forscherteam hat sensationelle 147 Meta-Analysen ausgewertet – also Übersichtsarbeiten, die selbst schon hunderte Einzelstudien bündeln. Ziel war, systematisch zu prüfen:

  1. Welche Faktoren (Determinanten) beeinflussen Verhalten? Unterschieden wird zwischen individuellen Faktoren (Wissen, Einstellungen, Fähigkeiten, Gewohnheiten) und sozial-strukturellen Faktoren (Normen, Anreize, Ressourcenzugang, institutionelles Vertrauen).
  2. Welche Interventionen wirken über diese Faktoren tatsächlich auf Verhalten? Also nicht nur: "Hängt etwas statistisch zusammen?", sondern: "Ist die Intervention wirklich Auslöser der Verhaltensänderung?"

Wer Verhalten ändern will, muss an der Umgebung ansetzen

Die Ergebnisse sind ernüchternd und erhellend zugleich:

  • Wissen allein bewirkt sehr wenig. Aufklärung, ins Gewissen reden oder Informationsvermittlung verändern Verhalten kaum.
  • Gewohnheiten ausbilden und spezifische Fähigkeiten vermitteln bewirkt bereits mehr. Wer Skills trainiert oder neue Routinen etabliert, verändert Verhalten nachhaltiger.
  • Sozial-strukturelle Hebel wie Anreize setzen, Barrieren abbauen, Unterstützung oder Zugang zu Ressourcen bieten, haben einen relativ starken Effekt.

Kurz gesagt: Wer Verhalten ändern will, sollte nicht allein am Kopf ansetzen, sondern auch an der Umgebung, den teils unbewussten und eingeübten Routinen und den sozialen Kontexten. Es ist letztlich der kluge Mix aus individuellen und sozial-strukturellen Interventionen, der den Erfolg bringt.

Was folgt daraus für Führung und Zusammenarbeit?

Für die Praxis in Unternehmen lassen sich drei Lehren ziehen:

  1. Vom Wissen zum Können: Informationskampagnen reichen nicht. Wirkliche Veränderung entsteht, wenn Führungskräfte Training, Übung und Feedback ermöglichen – damit aus Wissen neue Fähigkeiten und Gewohnheiten werden.
  2. Strukturen und Prozesse gestalten: Verhalten ändert sich leichter, wenn die Organisation es einfach macht. Tools, Standards, klare Verantwortlichkeiten und der Abbau von Barrieren sorgen dafür, dass sich erwünschtes Verhalten einschleift.
  3. Soziale Dynamik nutzen: Menschen orientieren sich an Normen, Vorbildern und ihrem Umfeld. Führungskräfte sollten gewünschtes Verhalten deshalb sichtbar vorleben, Role Models fördern und durch Erinnerung, Monitoring und Begleitung auf der Veränderungsreise für Stabilität sorgen.

Fazit: Aristoteles hatte Recht

Und im Grunde beweist diese Studie damit, was bereits Aristoteles wusste: Wer mutiger werden soll, muss mutiger handeln. Das gelingt nicht allein dadurch, dass man dieser Person Mut macht. Nicht allein indem man ihr die Risiken abzuschätzen hilft. Sondern indem man zum Beispiel mit dieser Person ins Schwimmbad geht, ihr das Schwimmen beibringt und sie Stück für Stück ihre Grenzen verschieben lässt: vom Beckenrand springen, vom Startblock, vom Einer, vom Fünfer und so weiter. 

Prüfen Sie selbst, ob Sie als Change Agent in der Führungsrolle schon Schwimmlehrerin oder immer noch grummelnder Bademeister im Liegestuhl sind.


Randolf Jessl ist Inhaber der  Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority. Er berät, trainiert und coacht Menschen und Organisationen an der Schnittstelle von Führung, Kommunikation und Veränderungsanliegen. Zusammen mit Prof. Dr. Thomas Wilhelm hat er bei Haufe das Buch " Shared Leadership" veröffentlicht.

Schlagworte zum Thema:  Leadership , Mitarbeiterführung
0 Kommentare
Das Eingabefeld enthält noch keinen Text oder nicht erlaubte Sonderzeichen. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe, um den Kommentar veröffentlichen zu können.
Noch keine Kommentare - teilen Sie Ihre Sicht und starten Sie die Diskussion