Interview mit Rewe zum Recruiting in der Corona-Krise

Der Einzelhandel ist von der Corona-Krise in besonderer Weise betroffen: Die Märkte suchen dringend Mitarbeiter zur Verstärkung. Wie sich die aktuelle Situation auf das Recruiting von Rewe auswirkt und welche Tools unterstützen können, erläutern Petra Steffens und Christopher Gandaa.

Haufe Online-Redaktion: Wie hat sich Ihr Mitarbeiterbedarf durch die Corona-Pandemie verändert?

Petra Steffens: Wir spüren einen erhöhten Bedarf in der Logistik und in den Märkten. Allerdings besteht die Schwierigkeit darin, dass sich dieser Bedarf sehr schnell ändert. Wir müssen sehr kurzfristig und sehr schnell reagieren. Aktuell ist es eine große Herausforderung, aus dem Vertrieb und aus den Märkten – wir haben mehr als 5.500 Märkte – die Rückmeldung zu erhalten, welche Personen gerade benötigt werden.

Haufe Online-Redaktion: Ist Ihr Recruiting zentral oder dezentral organisiert?

Christopher Gandaa: Das Recruiting wird von der Zentrale aus gesteuert, wir haben auch eine sehr gute Infrastruktur dafür. Aber es besteht auch die Möglichkeit, in die Märkte zu gehen und sich direkt zu bewerben. Die Märkte sind unsere besten "Verkaufsstationen" für Jobs und wir nutzen diesen Recruitingkanal normalerweise sehr gern. Aber im Moment würden wir diesen Kanal lieber etwas reduzieren, damit die Märkte sich auf ihr eigentliches Kerngeschäft konzentrieren können: die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. Deshalb versuchen wir, die Führungskräfte vor Ort ein Stück weit zu entlasten.

Viele Bewerbungen erfolgen in den Märkten vor Ort

Haufe Online-Redaktion: Wie stark sind die Bewerbungen in den vergangenen Wochen angewachsen?

Steffens: Die Resonanz ist enorm. Wir haben natürlich gewisse Maßnahmen ergriffen, unter anderem Pressemitteilungen herausgegeben. Darüber hinaus führt die Situation in vielen Produktionsbetrieben und der Gastronomie dazu, dass viele Menschen Existenzängste haben und nach neuen Jobs Ausschau halten. Die Bewerbungen bei uns sind exponentiell angestiegen. Allein die Bewerbungen, die online oder per E-Mail bei uns in der Zentrale eingehen, haben um ein Zigfaches zugenommen. Zusätzlich kommen wie gesagt sehr viele Menschen in die Märkte, um sich vor Ort zu bewerben.

Haufe Online-Redaktion: Wie wichtig ist Schnelligkeit in Ihrem Recruiting?

Gandaa: Schnelligkeit ist sehr wichtig. Aber auf der anderen Seite geht es immer noch um die Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber – ganz gleich, welche Aufgabe sie im Markt später vorwiegend haben werden. Die Beschäftigten müssen wissen, wohin sie die Waren verräumen müssen, wie sie mit Lebensmitteln umgehen und wie sie die Auslage attraktiv für die Kunden gestalten. Gleichzeitig ist im Moment wenig Zeit für die Einarbeitung vorhanden. Wer neu in einer Stelle anfängt, hat normalerweise viele Fragen. Diesen Spagat gilt es auch zu bewältigen. Wir müssen die guten Leute finden, die Vorerfahrung haben und mit wenig Worten eingewiesen werden können und die ein Kundenverständnis mitbringen.

Sprachgesteuerte Bewerbung mit dem Smartphone

Haufe Online-Redaktion: Welche Tools unterstützen Sie dabei, die hohe Anzahl an Bewerbungen zu bewältigen?

Steffens: Wir nutzen ein Bewerbermanagementsystem, an das auch die Märkte angeschlossen sind und sich Bewerbungen ansehen können. Wir nehmen die Bewerbungen über viele verschiedene Kanäle entgegen, persönlich in den Märkten, per Online-Formular, via E-Mail oder als Papierbewerbungen, die wir digitalisieren und dann dem Bewerbermanagementsystem zuführen. Vor kurzem haben wir auch die Bewerbung per Sprachfunktion getestet.

Haufe Online-Redaktion: Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? Wie genau funktioniert die sprachgesteuerte Bewerbung?

Steffens: Hierzu hatten wir schon vor geraumer Zeit ein Pilotprojekt zusammen mit Better Heads. Wir probierten die Bewerbung über ein sprachgesteuertes Interview erstmals auf zwei Messen aus. Bei den Bewerbern gab es eine positive Resonanz. Anschließend haben wir das Tool in einige Stellenanzeigen eingebunden, um es zu testen. Es funktioniert ganz einfach: Der Bewerber oder die Bewerberin klickt auf einen Button in der Stellenausschreibung und wird direkt zu einem Chat weitergeleitet. Der große Vorteil ist, dass sich der Bewerber keine App herunterladen und keine Software installieren muss. Wir haben im Vorfeld Fragen festgelegt, die der Bewerber über die Sprachfunktion seines Handys beantwortet. Das Ganze wird im Hintergrund durch die Software erfasst und daraus wird ein Textprotokoll erzeugt, das den Recruitern zur Verfügung gestellt wird. 

Haufe Online-Redaktion: Sie erhalten also keine Audio-Datei, sondern die Antworten in schriftlicher Form?

Gandaa: Das Dokument ist ähnlich wie ein CV angelegt, zeigt die Erfahrungen und Funktionen an, sodass die Recruiter einen ersten Überblick erhalten. Auf diese Weise zeigt sich schnell, ob das ein interessanter Kandidat oder eine interessante Kandidatin ist oder nicht, und die Bewerbung geht in die entsprechenden Kanäle der Bewerberauswahl.

Schnelligkeit zählt – mehr denn je

Haufe Online-Redaktion: Welche Erfahrungen machten Sie bei Ihren Tests: Wie steht es um die Qualität der Bewerbungen?

Gandaa: Ein Anhaltspunkt für eine gute Qualität ist, dass wir eine erhöhte Einstellungsquote bei denjenigen verzeichnen, die sich über dieses Verfahren beworben haben – verglichen mit den anderen Bewerbungskanälen. Das deutet darauf hin, dass wir mit dem Sprach-Chat die richtige Zielgruppe ansprechen und dass die Bewerbung einfach funktioniert. Wichtig ist, wie vorhin schon angesprochen, das Thema Schnelligkeit: Die Daten sind schnell erfassbar. Das, was an Formalien noch fehlt, können die Recruiter nachfragen. Dann ist die Bewerbung schon auf dem Weg in den Markt und der Marktleiter oder die Marktleiterin kann damit weiterarbeiten.

Haufe Online-Redaktion: Die Tests sind mittlerweile abgeschlossen. Wie geht es jetzt weiter?

Steffens: Die Tests sind erfolgreich gelaufen. Wir wollen das Tool von Better Head nun als zusätzlichen Bewerbungskanal einsetzen, lassen aber alle anderen Kanäle offen. Jeder kann sich bei uns persönlich, online, per E-Mail oder Papier bewerben – wie es für ihn am besten ist. Better Head soll ein weiterer Kanal sein für diejenigen Personen, die sich ungern schriftlich bewerben oder gerade keine Unterlagen zur Hand haben. So kann sich ein Kraftfahrer, der gerade unterwegs ist, in der Pause per Sprache vom Handy aus bewerben. Die Vorteile für Stellensuchende liegen darin, dass sie sich in dem Moment, in dem sie die Stellenanzeige sehen, bewerben können. Sie müssen nicht erst ihre Bewerbungsunterlagen zusammensuchen und hochladen, sondern können spontan agieren und später bei Bedarf einen Lebenslauf oder ein Zeugnis nachreichen.

Gandaa: Die sprachgesteuerte Bewerbung ist für uns eine niedrigschwellige Ergänzung zu den anderen Bewerbungskanälen, um es den Kandidaten so einfach wie möglich zu machen. Deshalb wird diese jetzt nach und nach bei ausgewählten Stellen umgesetzt. Aber das Tool ist kein Personalmarketing-Instrument. Es dient dazu, den Bewerbungsvorgang zu vereinfachen. Für das Personalmarketing sind weitere Maßnahmen angedacht.

HR-Kollegen unterstützen beim Recruiting

Haufe Online-Redaktion: Müssen Sie Ihr Recruiting-Team aufstocken, um die stark angestiegenen Bewerberzahlen zu bewältigen?

Gandaa: Wir stocken nicht auf, aber wir ergänzen unser Team mit HR-Kollegen, um die extrem angestiegene Bewerbungseingänge bearbeiten zu können. Auch die Anzahl der telefonischen Anfragen hat stark zugenommen. Wir wollen Bewerbungen und Bewerber-Anfragen zeitnah und gut beantworten. Deshalb haben wir im HR-Umfeld nachgefragt, ob uns Kollegen unterstützen können. Das funktioniert sehr gut.


Zu den Personen: Petra Steffens ist Sachgebietsleiterin CoE Recruiting Center bei der Rewe Group. Christopher Gandaa ist Abteilungsleiter HR-Services Recruiting bei der Rewe Group.


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