IAB-Studie: Flüchtlinge haben bessere Ausbildung als gedacht

Nach vielen Spekulationen zum Bildungsstand von Flüchtlingen liegt nun erstmals eine umfassende Studie vor. Demnach sind die Zuwanderer besser ausgebildet als vermutet und teilen mehrheitlich demokratische Wertvorstellungen. Bislang haben die meisten von ihnen aber nur gering qualifizierte Jobs.

Wie gut oder schlecht steht es um die Bildung der Flüchtlinge, die in den vergangenen drei Jahren nach Deutschland gekommen sind? Diese Frage beschäftigte bereits im vergangenen Jahr die Gemüter. Allerhand wurde damals prognostiziert: Während manche Bildungsexperten warnten, zwei Drittel der Flüchtlinge könnten nicht lesen und schreiben und nur zehn Prozent seien Akademiker, legte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schon vor einem guten Jahr eine optimistischere Prognose vor: Die jungen, meist männlichen Flüchtlinge seien in der Regel gut gebildet, hieß es damals.

Die Statistiker vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) dämpften jedoch zunächst die Erwartungen: Im Spätsommer 2015, während der großen Einwanderungswelle, sei noch kaum abzuschätzen gewesen, über welche Bildungsabschlüsse die ankommenden Asylbewerber verfügen, hieß es in einer IW-Meldung vom September vergangenen Jahrs.

Erst arbeiten, dann in Bildung investieren

Nun gibt eine repräsentative Befragung von mehr als 2.300 geflüchteten Menschen über 18 Jahren, die gemeinsam vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) durchgeführt wurde, Aufschluss über den tatsächlichen Bildungsstand der neu ins Land Gekommenen.

58 Prozent der erwachsenen Geflüchteten haben demnach in ihren Herkunftsländern zehn Jahre und mehr in Schule, Ausbildung und Studium verbracht, im Vergleich zu 88 Prozent bei der deutschen Wohnbevölkerung. 37 Prozent der Geflüchteten besuchten eine weiterführende Schule, 31 Prozent eine Mittelschule, zehn Prozent nur eine Grundschule und neun Prozent gar keine Schule. 31 Prozent waren auf Hochschulen oder beruflichen Bildungseinrichtungen, 19 Prozent erreichten einen Abschluss. Zudem konnten viele Geflüchtete berufliche Fähigkeiten durch Berufserfahrung erwerben: 73 Prozent der Geflüchteten waren vor dem Zuzug nach Deutschland erwerbstätig, im Durchschnitt 6,4 Jahre.

46 Prozent der erwachsenen Geflüchteten streben noch einen allgemeinbildenden Schulabschluss in Deutschland an, 66 Prozent einen beruflichen Abschluss. "Allerdings wäre es voreilig, aus den Bildungsvorhaben Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, in welchem Umfang die Geflüchteten tatsächlich Bildungseinrichtungen in Deutschland besuchen und Abschlüsse erwerben werden", relativieren die Studienautoren. Viele Geflüchtete wollten zunächst arbeiten und erst später in Bildung und Ausbildung investieren.

Die Mehrheit unterstützt die Demokratie

Nicht nur über den Bildungsstand, auch über die Wertvorstellungen der Geflüchteten gibt die Studie Aufschluss. Demnach weisen diese viele Gemeinsamkeiten mit der deutschen Bevölkerung auf. So unterstützen 96 Prozent der befragten Geflüchteten die Aussage, dass "man ein demokratisches System haben sollte". 92 Prozent sagen, dass "gleiche Rechte von Männern und Frauen" ein Bestandteil von Demokratien sind.

Bei der Aussage "Wenn eine Frau mehr Geld verdient als ihr Partner, führt dies zwangsläufig zu Problemen" zeigen sich jedoch Unterschiede: Während 29 Prozent der Geflüchteten zustimmen, sind es bei der deutschen Vergleichsgruppe 18 Prozent.

Häufigste Fluchtursache: Angst vor Konflikten und Kriegen

Als Fluchtursachen nennen die Befragten in der jetzt vorliegenden Studie mit großem Abstand am häufigsten die Angst vor gewaltsamen Konflikten und Krieg (70 Prozent). Andere wichtige politische Motive sind Verfolgung (44 Prozent), Diskriminierung (38 Prozent) und Zwangsrekrutierung (36 Prozent). Ebenfalls häufig werden schlechte persönliche Lebensbedingungen (39 Prozent) und die wirtschaftliche Situation im Herkunftsland (32 Prozent) angegeben.

Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Iran nennen besonders häufig Krieg und Verfolgung als Fluchtursachen, Geflüchtete aus Eritrea Zwangsrekrutierung. Demgegenüber berichten Geflüchtete aus den Westbalkan-Staaten vielfach von prekären persönlichen Lebensbedingungen, der schlechten wirtschaftlichen Situation in den Herkunftsländern und Diskriminierung.

Bislang arbeiten Flüchtlinge in weniger qualifizierten Jobs

Zwischen September 2015 und September 2016 sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit etwa 50.000 Flüchtlinge in Arbeit gekommen. 30.000 von ihnen sind bislang sozialversicherungspflichtig beschäftigt. "Das sind überwiegend Helfertätigkeiten sowie Beschäftigungen in der Logistik, der Lagereibranche und der Landwirtschaft", sagte BA-Chef Weise zur Veröffentlichung der Studie. Einige Flüchtlinge hätten sich auch selbstständig gemacht. Zugleich seien im selben Zeitraum rund 100.000 Schutzsuchende arbeitslos gemeldet gewesen.

Der BAMF-Chef warnte zugleich davor, auf die mutmaßliche Entspannung der Lage mit einem Personalabbau beim Bundesamt zu reagieren, das er noch bis zum Jahresende leiten wird. Vielmehr sollte der BAMF-Personalbestand von derzeit 6.300 Stellen erst einmal für die nächste Zeit beibehalten werden, "damit wir in Ruhe unsere Arbeit machen und die Verfahrensweisen überprüfen können".

Da vielen Flüchtlingen nur ein Schutzstatus auf Zeit gewährt wurde, brauche es zudem ausreichend Personal für die regelmäßigen Überprüfungen.

dpa
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