Dirk Sliwka: "Vier Gründe für hohe Gehälter"

Vergütung muss marktgerecht sein und auch motivieren. Doch gerade Top-Managementgehälter stehen immer wieder in der Kritik, diese Kriterien nicht zu erfüllen. Warum aber allein hohe Gehälter noch kein Beweis für eine schlechte Vergütungspolitik sind, erklärt Professor Dirk Sliwka.

personalmagazin: Der Zusammenhang zwischen Geld und Motivation wird oft bestritten. Was sagt die Forschung?

Dirk Sliwka: Der Begriff „Motivation" ist nicht präzise abgegrenzt. Darum muss man die Wirkungen auseinanderhalten: Nahezu alle Evidenz spricht dafür, dass Geld Menschen dazu bringen kann, ihre Handlungen anders auszurichten - und das, wenn das Anreizsystem gut gestaltet ist, durchaus auch stärker an den Zielen des Unternehmens. Das heißt aber nicht automatisch, dass Mitarbeiter dann ihre Aufgaben von sich aus lieber ausführen.

personalmagazin: Die Debatte um hohe Managergehälter hat sich gerade an den 17 Millionen Euro für VW-Chef Martin Winterkorn neu entfacht. Ist eine derart hohe Summe noch ein Anreiz oder gibt es hier eine Obergrenze?

Sliwka: Die Begründung für hohe Managergehälter ist in erster Linie nicht das Setzen von Anreizen, sondern Rekrutierung und Bindung. Das Talent, Betriebe gut zu führen, ist knapp, und hohe Gehälter können durchaus ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage nach knappen Managementtalenten sein.

personalmagazin: Sind denn 17 Millionen Euro noch marktgerecht?

Sliwka: VW hat gerade einen Rekordgewinn ausgewiesen, die Performance scheint also zu stimmen. Die Höhe ist ökonomisch generell dann eher angemessen, wenn sie ein Marktergebnis ist. Das heißt, wenn Unternehmen verhindern, dass fähige Top-Manager in andere Unternehmen wechseln. Zudem geht ein höheres Gehalt für einen Manager ja nicht auf Kosten der Gehälter der Arbeitnehmer - sondern reduziert den Gewinn der Aktionäre - und der war ja bei VW erheblich. In der öffentlichen Diskussion wird dieses Argument oft vernachlässigt.

personalmagazin: Welche Rolle spielt die Gerechtigkeit in der Vergütung?

Sliwka: Sie spielt eine sehr große Rolle. Insbesondere dann, wenn sich die Mitarbeiter untereinander vergleichen können. Mittlerweile gibt es dafür zahlreiche Belege. Wenn ein Mitarbeiter erfährt, dass er weniger als der Durchschnitt seiner Kollegen in der gleichen Funktion verdient, reduziert sich seine Zufriedenheit und Motivation substanziell. Je weiter die Vergleichsperson von der eigenen Tätigkeit entfernt ist, desto weniger stark ist dieser Effekt jedoch vermutlich ausgeprägt.

personalmagazin: Gerecht erscheint vielen, die Gehälter zu deckeln. Ist das aus wissenschaftlicher Sicht eine gute Idee?

Sliwka: Eine Gefahr ist dann natürlich, dass Unternehmen sehr gute Leute verlieren können, die in andere Länder abwandern. In Bereichen, in denen dieser Wettbewerb nicht vorherrscht, wäre der Effekt wahrscheinlich nicht so dramatisch, wie er manchmal dargestellt wird. Der Wettbewerb um die guten Köpfe nimmt aber global zu. Dann ist die Deckelung keine clevere Lösung, da sie Marktprozesse behindert und Wettbewerbsnachteile schafft. Wesentlich sinnvoller wäre, die Progression der Einkommenssteuer zu erhöhen oder Top-Verdiener stärker an den Sozialversicherungskosten zu beteiligen.

personalmagazin: Es gibt also drei Gründe für hohe Gehälter: Mitarbeiterbindung, Marktgerechtigkeit, Leistungsanreiz.

Sliwka: Einen weiteren gibt es noch: Wenn sich die Gehälter frei im Markt entwickeln können, kommen tendenziell eher die stärksten Talente an Positionen, wo sie den größtmöglichen Einfluss auf den Wohlstand von Unternehmen und somit der Gesellschaft insgesamt entfalten können.

Prof. Dr. Dirk Sliwka ist Lehrstuhlinhaber für ABWL und Personalwirtschaftslehre an der Universität zu Köln. Anreizsysteme zählen zu seinen Forschungsschwerpunkten.

Das Interview führte Kristina Enderle da Silva (Redaktion Personalmagazin).