Coronavirus: Aktives Krisenmanagement bei Entsendung

Das Coronavirus breitet sich in China epidemieartig aus. Was deutsche Unternehmen jetzt tun müssen, die Mitarbeiter nach China entsandt haben oder in Kontakt mit chinesischen Firmen stehen, erklärt Entsendungsexperte Omer Dotou.

Haufe Online Redaktion: Die Sorge vor Ansteckung mit dem Coronavirus steigt, besonders Mitarbeiter, die sich aktuell in China aufhalten, scheinen gefährdet. Müssen Unternehmen ihre in China eingesetzten Mitarbeiter zurückholen?

Omer Dotou: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Antwort ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Klar ist, dass Personaler und Travel Manager nun aktives Krisenmanagement betreiben sollten. Gemäß ihrer Fürsorgepflicht sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Lage in China weiterhin zu beobachten und dann aktiv zu werden, wenn die Mitarbeiter geschützt werden müssen. Wenn dies bedeutet, China zu verlassen, müssen Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter nach Hause gebracht werden. Das ist allerdings derzeit nicht so einfach, denn momentan gibt es keine Linienflugzeuge aus China heraus.

Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die vertraglichen Konstellationen, unter denen ein Mitarbeiter in China eingesetzt ist. Während im Entsendevertrag meistens besondere Regelungen zur vorzeitigen Beendigung in Notfallsituationen geregelt sind, sieht es bei einer Versetzung durch lokale Anstellung des Mitarbeiters bei einer chinesischen Gesellschaft anders aus.

Coronavirus: Rückholung von Mitarbeitern aus China  

Haufe Online Redaktion: Das heißt, das deutsche Unternehmen kann in diesen Fällen gar nicht alleine über die Rückholung bestimmen?

Dotou: Genau, die Entscheidung den Mitarbeiter zurück nach Deutschland zu holen, liegt in diesem Fall nicht allein bei der deutschen Gesellschaft. Fehlt darüber hinaus die zumindest rumpfartige arbeitsrechtliche Bindung an die deutsche Gesellschaft, da im Vorfeld keine Ruhensvereinbarung geschlossen wurde, gestaltet sich der Rückholung arbeitsrechtlich noch schwieriger.

Auch stellt sich die Frage, ob der Auslandseinsatz vorzeitig endet oder die Möglichkeit besteht, das chinesische Projekt zumindest vorübergehend aus Deutschland heraus zu betreuen. Nicht unbedeutend ist hierbei die nicht abschätzbare zeitliche Komponente. Handelt es sich um eine lediglich vorübergehende Rückkehr oder eine dauerhafte Unterbrechung beziehungsweise Beendigung? Aktuell lässt sich diese Frage nicht mit Sicherheit beantworten.

Haufe Online Redaktion: Was können Unternehmen in solchen Fällen tun?

Dotou: Wir empfehlen den Verantwortlichen, sich dringend mit dem Assistance-Dienstleister ihres Auslandsversicherers in Verbindung setzen oder an die Botschaft vor Ort zu wenden, um eine Rückholung zu organisieren. Hier gilt es allerdings, zu prüfen, inwieweit die Assistance-Versicherer bei Ausbruch beziehungsweise Gefahr von Seuchen tatsächlich Leistungen erbringen.

Click to tweet

Haufe Online Redaktion: Was passiert mit den Mitarbeitern, wenn eine Rückholung organisiert werden kann?

Dotou: Sehr wahrscheinlich ist, dass diese ab der Ankunft am Flughafen zunächst unter Quarantäne gestellt werden, so wie es bei den zurückgekehrten Mitarbeitern von Webasto der Fall ist. Eine Möglichkeit, die viele Firmen nutzen, ist beispielsweise die Anweisung an Mitarbeiter, im Homeoffice zu arbeiten, um eine Ansteckungsgefahr zu vermeiden. Personaler sollten unbedingt im regelmäßigen Kontakt und Austausch mit Mitarbeitern in China bleiben und weiterhin die Verbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus verfolgen.

Dienstreisen nach China können trotz Coronavirus nicht ohne Weiteres verweigert werden

Haufe Online Redaktion: Können Mitarbeiter sich nun weigern, Dienstreisen nach China oder in angrenzende Regionen wie Shanghai oder Hongkong anzutreten?

Dotou: Sofern eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung eines Arbeitnehmers bei einer Dienstreise zu erwarten ist, dürfen Arbeitnehmer sich weigern, eine Dienstreise in betroffene Gebiete anzutreten, ohne dass sie arbeitsrechtliche Sanktionen zu befürchten haben. Das bestimmt § 106 der Gewerbeordnung. Aktuell hat das Auswärtige Amt für die Provinz Hubei und das gesamte Staatsgebiet der Volksrepublik China — also auch Shanghai — eine Teil-Reisewarnung ausgesprochen, auf die man sich berufen könnte. Hongkong und Macao sind davon ausgenommen.

Bei Mitarbeitereinsätzen in Hongkong und Macao oder in an China angrenzenden Ländern gestaltet sich die Sachlage also schwieriger. Hier besteht zumindest für den Moment keine Gefahr für die Gesundheit im Sinne der deutschen Rechtsprechung und auch das Auswärtige Amt hat für diese Orte keine Reisewarnung ausgesprochen. Andererseits sagen Seuchenexperten, dass ein Höhepunkt der Epidemie erst im März oder April zu erwarten sein wird. Wachsamkeit ist also an der Tagesordnung.

Click to tweet

Was man nicht außer Acht lassen darf: Unternehmen haben gegenüber Geschäfts- und Kooperationspartnern in China und den angrenzenden Regionen vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Das macht es in der Praxis nicht leicht, Dienstreisen einfach abzusagen. Wir empfehlen, Geschäftsreisen dahingehend zu prüfen, inwieweit man von der vertraglichen Erfüllungspflicht bei Seuchengefahren zurücktreten kann.

Übrigens geht es inzwischen nicht nur um Dienstreisen nach China, sondern auch in andere Länder. So haben etwa die USA ein vorübergehendes Einreiseverbot für Personen verhängt, die das Virus übertragen könnten. Das dürfte all jene betreffen, die etwa erst kürzlich zu geschäftlichen Zwecken in China waren.

Chinesische Regierung darf deutsche Unternehmen vorübergehend schließen

Haufe Online Redaktion: Die Unternehmen in den betroffenen chinesischen Provinzen haben derzeit das Problem, dass sie ihre Betriebe vorübergehend schließen müssen – teilweise durch eine Verlängerung der chinesischen Neujahrsferien. Gilt das auch für ausländische Firmen?

Dotou: Ja, und zwar auf Anweisung der Regierung. Die örtlichen Behörden sind gemäß Artikel 42 des Gesetzes zur Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten der Volksrepublik China dazu berechtigt, derartige Schließungen anzuordnen. Unternehmen wiederum sind gezwungen, die behördlichen Anforderungen zu erfüllen. Falls ein Arbeitgeber sich nicht daran hält und Mitarbeiter in irgendeiner Form zu Schaden kommen, haftet er zivilrechtlich und es drohen empfindliche Strafzahlungen.

Die zuständigen Behörden sind sogar befugt, Unternehmen die Geschäftslizenz zu entziehen, sollten sie sich weigern, Maßnahmen zur Viruskontrolle und Virusprävention umzusetzen. Verantwortliche im Unternehmen können gemäß dem Strafrecht der Volksrepublik China sogar strafrechtlich belangt werden und ins Gefängnis kommen.

Nach derzeitigem Stand müssen die Betriebe bis einschließlich 9. Februar geschlossen bleiben. Sollte ein Unternehmen aus besonderem Anlass bereits vor dem 10. Februar 2020 den Geschäftsbetrieb weiterführen müssen, ist es verpflichtet, im Vorfeld die Genehmigung der zuständigen Virenkontroll-Behörde einzuholen.

Haufe Online Redaktion: Wie sollten Unternehmen sich jetzt weiter verhalten?

Dotou: Wir empfehlen im Rahmen des Krisenmanagements in ständigem Austausch mit Botschaften und Assisteuren zu bleiben, die entsandten Mitarbeiter in China, Shanghai, Hongkong und Singapur transparent auf dem Laufenden zu halten und vor allem den Auslandskrankenversicherungsschutz auf Leistung in Bezug auf Seuchengefahr zu überprüfen. Nicht jede Auslandskrankenversicherung für Dienstreisen und Entsendungen deckt Erkrankungen in diesem Zusammenhang ab. Das gilt übrigens auch für private Policen wie Risikolebensversicherungen.

Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen bringt die Rückholaktion auch immense organisatorische und finanzielle Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel muss, vor allem für langfristig in China eingesetzte Mitarbeiter, die ihren Wohnsitz in Deutschland aufgegeben haben, eine angemessene Unterkunft für Mitarbeiter und Familie bereitgestellt werden. 

Sollte sich die Rückkehr nach Deutschland weitergehend nicht mehr nur vorübergehend gestalten, stellt sich die Frage welche melde- sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Pflichten damit einhergehen. Nicht zu vergessen sind ebenfalls die möglichen Auswirkungen der Abwesenheit in China auf die bestehende chinesische Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. 


Das könnte Sie auch interessieren:

Coronavirus: Handlungshilfen für Personaler

Top-Thema Arbeitsschutz: Bereiten Sie Ihr Unternehmen auf die Pandemie vor