1 Einführung

Der auch für das Arbeitsrecht maßgebliche Begriff der Verjährung meint den Ablauf einer bestimmten Zeitspanne (der Verjährungsfrist), der dem Schuldner gemäß § 214 Abs. 1 BGB das Recht gibt, die Leistung zu verweigern.[1] Die Verjährung bezieht sich nur auf einzelne Ansprüche eines Rechtsverhältnisses. Als sog. "Einrede der Verjährung" muss sie vom Schuldner geltend gemacht werden. Dies kann auch noch im laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren erfolgen.[2] Die Verjährung führt dabei nicht zum vollkommenen Anspruchsverlust – der Anspruch kann z. B. im Fall einer Gegenforderung zur Aufrechnung gestellt werden. Prozessual führt die Erhebung der Einrede der Verjährung dazu, dass eine zunächst begründete Klage unbegründet wird.[3] Die Voraussetzungen der Verjährung, insbesondere Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist, muss der sich auf die Verjährungseinrede berufende Schuldner darlegen und beweisen. Dabei kann er Ansprüche des Gläubigers teilweise befriedigen, sich i.Ü. aber auf die Verjährung berufen.[4]

Nicht erfasst von der Verjährung werden der Bestand des (Arbeits-)Vertrags insgesamt oder Gestaltungsrechte wie die Kündigung des Arbeitsvertrags. Die Verjährung ist zu unterscheiden von Ausschlussfristen sowie der Verwirkung von Ansprüchen. Ausschlussfristen führen zum umfassenden Verlust des Anspruchs, ihr Eingreifen ist vor Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Verwirkung versagt dem Anspruchsinhaber bereits vor Ablauf von Verjährungsfristen lediglich die Ausübung seines Rechts, welches jedoch bestehen bleibt. Auch sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Schließlich kann die Berufung auf die Verjährung rechtsmissbräuchlich sein. Verwirkung und Rechtsmissbrauch spielen jedoch in der arbeitsrechtlichen Praxis keine größere Rolle.

Die Verjährungsfristen sind im BGB unterschiedlich lang ausgestaltet. Dabei geht das Verjährungsrecht der §§ 194 ff. BGB von einer umfassenden, auch im Arbeitsrecht geltenden allgemeinen (Regel-)Verjährungsfrist von 3 Jahren aus.[5] Von den verschiedenen Ausnahmen zu dieser Regelverjährung haben nur einige wenige arbeitsrechtliche Bedeutung (dazu unten).

Allerdings ist die Bedeutung der Verjährung im Arbeitsrecht aufgrund der weithin gebräuchlichen individual- und kollektivrechtlichen Ausschlussfristen insgesamt sehr viel geringer als in anderen Vertragsbeziehungen.

[1] Vgl. BAG, Vorlagebeschluss v. 29.9.2020, 9 AZR 266/20 (A); BAG, Urteil v. 16.12.2014, 9 AZR 431/13.
[2] BAG, Urteil v. 19.12.2018, 10 AZR 233/18: ausnahmsweise auch in der Revisionsinstanz, wenn der Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen wird.
[3] BAG, Vorlagebeschluss v. 29.9.2020, 9 AZR 266/20 (A); BGH, Urteil v. 27.1.2020, VIII ZR 58/09.

2 Verjährungsfristen

Die allgemeine Verjährungsfrist von 3 Jahren nach § 195 BGB gilt für alle arbeitsrechtlichen Ansprüche. Ihr unterliegen grundsätzlich alle vertraglichen und außervertraglichen Ansprüche sowohl des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers. Die Verjährung nach § 195 BGB setzt unter zwei Voraussetzungen ein:

1. Der Anspruch ist wirksam entstanden.[1]

2. Der Inhaber des Anspruchs hat von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis bzw. grob fahrlässig keine Kenntnis erlangt.[2]

Erfasst werden insbesondere:

  • Entgeltansprüche einschließlich der Entgeltfortzahlung nach dem EFZG,
  • Annahmeverzugslohnansprüche,
  • Abfindungsansprüche bei Verlust des Arbeitsplatzes,
  • Betriebsrentenansprüche,
  • Gratifikationen, Provisionen, Gewinn- und Umsatzbeteiligungen, sonstige Sonderzahlungen,
  • Aufwendungs- und Auslagenersatzansprüche sowie Ersatz von Vorstellungskosten,
  • Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers, z. B. bei Gehaltsüberzahlungen, Vorschussrückerstattungen etc.,
  • Sozialplanansprüche,
  • Zeugnisansprüche.

Frühestens 10 Jahre nach Entstehung eines Anspruchs greift schließlich die sog. "absolute" Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 24 BGB unabhängig von der Kenntnis oder dem Kennenmüssen des Gläubigers ein.

Arbeitsrechtlich wichtig ist die weitere absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren[3] für sämtliche Schadensersatzansprüche, die zu einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit geführt haben.

Für Schadensersatzansprüche, die nicht auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, gilt wiederum die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren .[4]

Insbesondere die Verjährungsfristen von Schadensersatzansprüchen spielen im Arbeitsrecht eine Rolle. Sie erfassen nunmehr einheitlich vertragliche und gesetzliche Schadensersatzansprüche. Gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjähren Schadensersatzansprüche bei vorsätzlicher Verletzung der Rechtsgüter Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung in 30 Jahren, gleiches gilt gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB für Herausgabeansprüche aus dem Eigentum.

Spezielle arbeitsrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit der Verjährung sind:

  • § 3 MiLoG: die Regelung schließt die Verjährung von Mindestlohnansprüchen nicht aus.
  • § 8 Abs. 1 (früher...

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