Die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers verpflichtet diesen auch dazu, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Nur wenn der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat, verfällt der Urlaubsanspruch. Bei der Frage, ob diese Mitwirkungsobliegenheit auch greift, wenn der Mitarbeiter langzeiterkrankt ist, gilt es, 2 Fallgestaltungen zu unterscheiden:

  • Der während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entstandene, nicht genommene, Urlaub erlischt bei einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahres. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber hier seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt hat.[1]

    Zwar hat der Arbeitgeber auch gegenüber langzeiterkrankten Mitarbeitern entsprechende Mitwirkungsobliegenheiten. Dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern ist es aber regelmäßig auch bei Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht möglich, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob sie ihren Urlaub in Anspruch nehmen. In diesem Fall sei es dem Arbeitgeber, der seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist, nicht verwehrt, sich auf die Befristung und das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu berufen.[2]

  • Bei Urlaub, der bereits bestand, wenn eine Arbeitsunfähigkeit im Laufe des Kalenderjahres eintritt, ist die Auswirkung einer fehlenden Mitwirkungspflicht mittlerweile durch den EuGH geklärt. Auch zu der Frage, ob die Hinweispflicht besteht, wenn ein Mitarbeiter im Laufe des Jahres voll erwerbsgemindert wird, hat das BAG den EuGH angerufen. Der EuGH hat arbeitnehmerfreundliche Entscheidungen getroffen. Danach muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter auch dann über noch ausstehenden Urlaub informieren, wenn der Urlaubsanspruch in einem Bezugszeitraum erworben wurde, in dem später eine volle Erwerbsminderung oder eine Arbeitsunfähigkeit in Folge einer fortbestehenden Erkrankung eingetreten ist. Solange der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachkommt, kann der Urlaubsanspruch nicht erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub vor Beginn der vollen Erwerbsminderung oder der Arbeitsunfähigkeit wahrzunehmen.[3]

    Das BAG urteilte im Anschluss an die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs: Hat der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt und war es dem Arbeitnehmer bis zum 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres allein aufgrund durchgehend bestehender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht möglich, den Urlaub zu nehmen, ist § 7 Abs. 3 BUrlG richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt. Allerdings bestehen – anders als von den Vorinstanzen im vorliegenden Rechtsstreit angenommen – die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers regelmäßig auch, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Sie können ihren Zweck erfüllen, weil sich die Dauer der Erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. Jedoch ist die Befristung des Urlaubsanspruchs bei einem richtlinienkonformen Verständnis des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten abhängig, wenn es – was erst im Nachhinein feststellbar ist – objektiv unmöglich gewesen wäre, den Arbeitnehmer durch Mitwirkung des Arbeitgebers in die Lage zu versetzen, den Urlaubsanspruch zu realisieren. Das bedeutet konkret: Ein Arbeitgeber kann sich auf Befristung und Erlöschen des Urlaubsanspruchs berufen – selbst wenn er seinen Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen ist – wenn auch bei Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten deren Zweck nicht hätte erreicht werden können.[4]

    Ausnahmsweise kann die 15-monatige Verfallfrist ohne Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit beginnen, wenn die Arbeitsunfähigkeit so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass es dem Arbeitgeber nicht möglich war, zuvor seiner Obliegenheiten nachzukommen. Diese Klarstellung traf das BAG in einem Fall, in dem ein Arbeitnehmer zu einem so frühen Zeitpunkt im Urlaubsjahr erkrankte, dass er selbst bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Arbeitgeber seinen Urlaub nicht vollständig hätte nehmen können. In solch einem Fall bleibt nach Ablauf der 15-Monatsfrist nur die Anzahl an Urlaubstagen erhalten, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Möglichkeit des Arbeitgebers, seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen, bis zum Eintritt seiner Erkrankung erfüllt werden konnte.[5]

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