Rz. 38

Die Einhaltung aller Vorschriften und Arbeitsplatzregeln führt nicht automatisch zum Ausschluss von Gefährdungen. Diese sind an die besondere Situation der Schwangeren und Stillenden und die individuelle Situation des konkreten Arbeitsverhältnisses anzupassen. Neben den bereits dargestellten allgemeinen Rahmenregelungen für die Arbeitsbedingungen und konkreten Gestaltungsvorschriften für Arbeitsbedingungen hat der Arbeitgeber daher eine konkrete Gefährdungsbeurteilung nach § 10 MuSchG vorzunehmen. Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem Verfahren nach § 10 MuSchG fließen in die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen nach § 9 unmittelbar ein. Daher ist selbst bei Einhaltung aller oben genannten Regulierungen von Arbeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsplatz und Arbeitsbedingungen eine Gesamtschau vorzunehmen und verbleibende Gefährdungen zu beurteilen (Verfahren nach § 10 MuSchG). Aus den konkreten Erkenntnissen des Verfahrens nach § 10 MuSchG leiten sich die Verpflichtungen für § 9 ab.

 

Rz. 39

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 hat der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren oder stillenden Frau alle aufgrund der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 MuSchG erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit sowie der ihres (ungeborenen) Kindes zu treffen. Abs. 1 nennt damit die grundsätzlichen Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und übernimmt damit die Grundforderung.

Zusätzlich zu den allgemein gültigen Regelungen im Arbeitsschutz regelt er die grundsätzlichen Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Hinblick auf die besonderen Belange von schwangeren und stillenden Frauen sowie ihres (ungeborenen) Kindes. Satz 1 verpflichtet den Arbeitgeber dazu, alle erforderlichen Gesundheitsschutzmaßnahmen zu treffen. Der Begriff der erforderlichen Maßnahmen ergibt sich aus der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 10 MuSchG und der Umsetzung der dabei ermittelten Schutzmaßnahmen nach den Vorgaben der §§ 11 MuSchG (unzulässige Tätigkeiten für schwangere Frauen) und 12 (unzulässige Tätigkeiten für Stillende) in der Rangfolge des § 13 MuSchG (erst Schutzmaßnahmen, dann anderer Arbeitsplatz, als ultima ratio ein Beschäftigungsverbot).

Es wird darüber hinaus aufgegeben, dass auch beim Mutterschutz nicht allein die physische, sondern auch die psychische Gesundheit zu schützen ist. Die psychische Gefährdung ist Teil des allgemeinen Arbeitsschutzgesetzes (§ 5 Nr. 6 ArbSchG) und hier ergänzend aufgenommen, soweit sich aus Schwangerschaft und Stillen Besonderheiten ergeben sollten.

Doch es geht nicht nur um die Frau. Die Erweiterung des Schutzbereichs auf das ungeborene bzw. das zu stillende Kind ist ebenfalls eine Klarstellung im Wortlaut des Gesetzes und anders als mit der Aufzählung ausgewählter Gesichtspunkte der Gestaltung der Arbeitsbedingungen jetzt konkret formuliert (§ 9 Abs. 1: "sowie der ihres Kindes"). Dieser Aspekt, neben dem Schutz der Schwangeren vor allem auf den Schutz des Ungeborenen abzustellen, ist für die konkreten Gefährdungsmöglichkeiten eine deutliche Erweiterung.

2.1 Definition der Arbeitsbedingungen (Arbeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsplatz)

 

Rz. 40

Zu den in § 9 Abs. 1 Satz 1 relevanten Arbeitsbedingungen gehören die unmittelbaren Umstände der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Neben dem eigentlichen Inhaltsbereich, also der Tätigkeit, sind das die mit dem Arbeitsbegriff, der Arbeitsorganisation und dem Arbeitsplatz umschriebenen Arbeitsbedingungen.

 

Rz. 41

Der Begriff der "Arbeit" ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts[1] wie folgt definiert: "Arbeit ist der zweckgerichtete Einsatz der eigenen – körperlichen oder geistigen – Kräfte, die wirtschaftlich nach der Verkehrsanschauung als Arbeit gewertet werden kann." Dabei ist wirtschaftlich nicht i. S. v. erwerbswirtschaftlich zu verstehen. Vielmehr genügt jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden – materiellen oder geistigen – Bedürfnisses und nicht nur einem eigennützigen Zweck dient. Auch eine Tätigkeit aus ideellen Gründen kann einen wirtschaftlichen Wert haben.

 

Rz. 42

Das Schutzgebot erfasst auch die Arbeitsorganisation. Zur Arbeitsorganisation gehört die konkrete betriebliche Gestaltung des Arbeitsablaufes wie

  • konkrete Arbeitsabläufe und einzelne Arbeitsschritte,
  • Produktionsanweisungen oder Bearbeitungsvorgaben,
  • Arbeitszeit (Beginn und Ende der täglichen Anwesenheit),
  • Pausen und Erholzeiten oder
  • das Arbeitstempo (wie etwa Akkord- oder Leistungsvorgaben; Bandgeschwindigkeit bei Fließfertigung) oder auch die Frage, ob
  • bestimmte Arbeitskleidung, vor allem Schutzkleidung zu tragen ist.[2]

Um das Schutzziel des MuSchG einzuhalten, sind gegebenenfalls organisatorische Änderungen und Anpassungen an die Situation der Schwangeren erforderlich. Das können zum einen ablaufgestaltende Anweisungen, aber auch Ergänzungen des Arbeitsplatzes durch ergonomische Unterstützung (z. B. einstellbare Arbeitstische und Sitzgelegenheiten), oder bauliche Besonderheiten wie Trittsicherheit, Vermeidung von Lärm, Zug und Staub und daneben auch eine spe...

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