Rz. 14

Ist eine Kürzung des noch nicht gewährten Urlaubs nicht mehr möglich, weil der Arbeitnehmer ihn schon im Jahr der Inanspruchnahme der Elternzeit vollständig erhalten hat, gibt § 17 Abs. 4 dem Arbeitgeber die dem Urlaubsrecht ansonsten fremde Möglichkeit, den zukünftigen Urlaub zu kürzen.

 
Praxis-Beispiel

Zuvielgewährung von Urlaub

Der Arbeitnehmer hat im Jahr 2024 bereits 20 von 30 Tagen Erholungsurlaub erhalten; am 1.7.2024 nimmt er bis zum 30.11.2025 Elternzeit in Anspruch.

Welche Kürzungsmöglichkeiten bestehen für den Arbeitgeber?

Lösung

Den Urlaub für das Jahr 2024 kann der Arbeitgeber nur noch um 10 Tage kürzen, denn 20 Tage hat der Arbeitnehmer schon erhalten. Da er aber bereits zum 1.7. die Elternzeit beansprucht hat, hätte der Arbeitgeber die Möglichkeit gehabt, den Urlaub für 2024 um 6/12 von 30 Tagen = 15 Tage zu kürzen. Der Arbeitnehmer hat damit 5 Tage "zu viel" Urlaub erhalten.

Diese 5 Tage kann der Arbeitgeber jetzt mit dem zukünftigen Urlaub "verrechnen".

Der Arbeitnehmer hat für das Jahr 2025 grds. auch 30 Tage Urlaubsanspruch; den kann der Arbeitgeber zunächst um 11/12 kürzen, da der Arbeitnehmer in diesem Jahr in 11 von 12 Monaten Elternzeit genommen hat. Damit reduziert sich der Anspruch für 2025 auf 2,5 Tage. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber nun um den in 2024 überschießend gewährten Urlaub von 5 Tagen kürzen, sodass für 2025 kein Urlaubsanspruch mehr besteht.

Es bleibt aber immer noch ein Saldo von überschießendem Urlaub von 2,5 Tagen zugunsten des Arbeitnehmers. Hier kann der Arbeitgeber auch noch den Urlaub im Jahr 2026 um diese 2,5 Tage kürzen, sodass in 2026 dann nur ein Anspruch von 27,5 Tagen besteht. Die Kürzungsmöglichkeit wegen vor Antritt der Elternzeit zu viel gewährten Urlaubs ist nicht auf das Urlaubsjahr nach Ende der Elternzeit begrenzt, sondern kann auch in das darauffolgende Urlaubsjahr erstreckt werden.[1]

Hat der Arbeitgeber im Jahr des Antritts der Elternzeit anteilig zu viel Urlaub gewährt, muss er den Urlaub nach Beendigung der Elternzeit doppelt kürzen:

  1. Im ersten Schritt nach § 17 Abs. 1 Satz 1 für das Jahr des Endes der Elternzeit für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit in diesem Jahr.
  2. Im zweiten Schritt nach § 17 Abs. 4 um den im Jahr des Antritts der Elternzeit anteilig "zu viel" gewährten Urlaub.
  3. Reicht der im ersten Schritt bereits gekürzte Urlaubsanspruch nicht für die Kürzung nach dem 2. Schritt aus, kann eine weitere Kürzung des Urlaubs des darauffolgenden Kalenderjahres erfolgen.
 

Rz. 15

Die Kürzungserklärung nach § 17 Abs. 4 muss der Arbeitgeber nicht sogleich aussprechen. Er kann damit auch bis zur Rückkehr des Arbeitnehmers warten. Spätestens ist die Kürzung jedoch zu erklären, bevor dem Arbeitnehmer erstmals Urlaub in einem Umfang nach Ende der Elternzeit erteilt wird, der ihm bei einer Kürzung nicht zustehen würde. Hat der Arbeitgeber nach Ende der Elternzeit mehr Urlaub erteilt als er bei gekürztem Urlaub hätte erteilen müssen, erlischt das Kürzungsrecht. Es kann in diesem Fall nicht rückwirkend ausgeübt werden. Das folgt einerseits aus der Tatsache, dass der Arbeitgeber über die Kürzungsmöglichkeit entscheiden kann, und andererseits aus der gesetzlichen Formulierung "nach dem Ende der Elternzeit". Daher kann der Arbeitgeber mit der Kürzung bis zum nächsten oder übernächsten Jahr nach Rückkehr des Arbeitnehmers nicht zuwarten.[2]

 

Rz. 16

Die Kürzungsmöglichkeit fällt weg, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ende der Elternzeit das Arbeitsverhältnis beendet, weil dann kein Urlaubsanspruch mehr besteht, der zu kürzen wäre. Diese Möglichkeit sieht § 17 Abs. 4 gerade nicht vor. Eine Rückforderung kommt ebenfalls nicht in Betracht: Aus Bereicherungsrecht nach § 812 BGB ist sie nicht möglich, denn der Urlaub vor der Elternzeit wurde mit Rechtsgrund gewährt, schließlich hatte der Arbeitnehmer einen Vollurlaubsanspruch. Der Rechtsgrund ist auch nicht nachträglich weggefallen, denn das Gesetz gestattet dem Arbeitgeber gerade keine nachträgliche Kürzung des bereits gewährten Urlaubs, sondern nur eine Verrechnung mit künftigem Urlaub.[3] Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man § 5 Abs. 3 BUrlG entsprechend anwendet.[4]

[1] Brose/Weth/Volk/Schneider, 9. Aufl. 2020, § 17 BEEG, Rz. 35.
[2] ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 17 BEEG, Rz. 7.
[3] ErfK/Gallner, 24. Aufl. 2024, § 17 BEEG, Rz. 7; Hk-BUrlG/Hohmeister, § 17 BEEG, Rz. 26.
[4] Neumann/Fenski, BUrlG, 12. Aufl. 2021, § 17 BEEG, Rz. 10.

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