Rz. 30

Es ist zwischen Rechtsfragen und Regelungsfragen zu unterscheiden, je nachdem welche Meinungsverschiedenheit zur Entscheidung anstand. Die Einigungsstelle kann über Rechtsfragen befinden, soweit ihre Zuständigkeit dazu reicht. Dazu gehören rechtliche Vorfragen, etwa ihre eigene Zuständigkeit (Bestehen eines Mitbestimmungsrechts) oder die ordnungsgemäße Errichtung betreffend.[1] Ansonsten ist die Einigungsstelle für die abschließende Entscheidung von Rechtsfragen nicht zuständig (BAG, Beschluss v. 15.3.2006, 7 ABR 24/05[2]). Sie ist befugt, eilbedürftige Punkte vorläufig zu regeln (Hessisches LAG, Beschluss v. 21.1.2020, 4 TaBV 141/19).

 

Rz. 31

Hauptsächlich trifft die Einigungsstelle Regelungsentscheidungen. Die jeweilige Gestaltung ist "unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen" vorzunehmen. Dies ist für das erzwingbare Verfahren ausdrücklich bestimmt (§ 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG), gilt aber als allgemeiner Grundsatz auch für das freiwillige Verfahren. Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, der Einigungsstelle einen gewissen gerichtlich nicht zu überprüfenden Gestaltungsspielraum zu eröffnen.[3] Dabei darf sich die Einigungsstelle nicht auf abstrakte Grundsätze beschränken. Sie kommt ihrem Regelungsauftrag nicht nach, wenn es an konkreten Anweisungen und Erläuterungen fehlt, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind (BAG, Beschluss v. 1.11.2011, 1 ABR 104/09). Eine Entscheidung der Einigungsstelle muss ihren Regelungsgegenstand auch vollständig erledigen. Wenn sie den Regelungsgegenstand nicht selbst regelt, sondern der Arbeitgeberin das Recht einräumt, den mitbestimmungspflichtigen Gegenstand im Wesentlichen allein zu gestalten, ist sie unwirksam (LAG Hamburg, Beschluss v. 20.8.2020, 1 TaBVGa 1/20).

Eine Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 5 Abs. 1 ArbSchG muss alle für die Gefährdungsbeurteilung wesentlichen Fragen selbst regeln. Dieses gilt auch für den Spruch der Einigungsstelle zu einer solchen Beurteilung i. S. d. § 87 Abs. 2 BetrVG. Andernfalls ist der Einigungsstellenspruch rechtsfehlerbehaftet (BAG, Beschluss v. 11.2.2014, 1 ABR 72/12, LAG Hamm, Beschluss v. 25.11.2014, 7 TaBV 45/14).

 

Rz. 32

Im Laufe eines Verfahrens können auch mehrere Beschlüsse gefasst werden. Dies empfiehlt sich insbesondere dann, wenn ein praktisches Bedürfnis für eine vorläufige Regelung besteht.

[1] Zur vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit dieser Vorfragen s. u. unter 4.4.
[2] NZA 2006, 1422.
[3] Zur gerichtlichen Nachprüfbarkeit s. u. unter 4.4.

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