Rz. 11

Kraft Gesetzes ist der Konzernbetriebsrat gemäß § 58 Abs. 1 BetrVG originär zuständig, wenn eine Angelegenheit den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betrifft und eine Regelung nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb der jeweiligen Konzernunternehmen erfolgen kann. Die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats ist nur gegeben, wenn diese zwei Voraussetzungen kumulativ vorliegen.[1]

 

Rz. 12

Der Begriff des "Nichtregelnkönnens" setzt – entsprechend der zu § 50 Abs. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze – keine denkgesetzliche Unmöglichkeit der Regelung durch die Gesamtbetriebsräte voraus.[2]  Die originäre Zuständigkeit ergibt sich vielmehr aus der zwingenden sachlichen Notwendigkeit für eine konzerneinheitliche oder unternehmensübergreifende Regelung (BAG, Beschluss v. 25.9.2012, 1 ABR 45/11[3]), wobei auf die Verhältnisse des jeweiligen Konzerns, seiner konkreten Unternehmen und der konkreten Betriebe abzustellen ist (BAG, Beschluss v. 20.12.1995, 7 ABR 8/95[4]). Die originäre Zuständigkeit kann sich aus einem objektiv zwingenden Erfordernis oder aus der subjektiven Unmöglichkeit einer Regelung auf Betriebs- oder Unternehmensebene ergeben (BAG, Urteil v. 19.6.2007, 1 AZR 454/06[5]).

 

Rz. 13

Ein objektiv zwingendes Erfordernis für eine konzerneinheitliche oder unternehmensübergreifende Regelung kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben (BAG, Urteil v. 19.6.2007, 1 AZR 454/06[6]). Entscheidend sind der Inhalt der geplanten Regelung und das Ziel, das durch die Regelung erreicht werden soll. Wenn und soweit sich der Zweck einer Regelung nur durch eine einheitliche Regelung auf der Konzernebene erreichen lässt, ist der Konzernbetriebsrat zuständig (BAG, Beschluss v. 20.12.1995, 7 ABR 8/95[7]).

 

Rz. 14

Die Rechtsprechung zur subjektiven Unmöglichkeit wurde im Wesentlichen für freiwillige Leistungen des Arbeitgebers entwickelt, bei denen dieser mitbestimmungsfrei entscheiden kann, ob er die Leistung überhaupt gewährt, und daher lediglich ihre Verteilung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt (BAG, Urteil v. 19.6.2007, 1 AZR 454/06[8]). Subjektive Unmöglichkeit wird dabei angenommen, wenn eine auf die einzelnen Betriebe oder Unternehmen beschränkte Regelung deshalb nicht möglich ist, weil der Arbeitgeber den der Mitbestimmung unterfallenden Regelungsgegenstand (d. h. insbesondere die Verteilung einer Leistung) im Rahmen des mitbestimmungsfreien Regelungsgegenstands (d. h. insbesondere die Frage der Gewährung und Dotierung einer Leistung) so vorgegeben hat, dass eine Regelung nur betriebs- oder unternehmensübergreifend erfolgen kann (vgl. BAG, Urteil v. 19.6.2007, 1 AZR 454/06[9]). Eine subjektive Unmöglichkeit ist auch dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber nur auf Konzernebene zu einer Regelung bereit ist.[10] Dagegen liegt subjektive Unmöglichkeit nicht vor, wenn es nicht um die Verteilung von Leistungen geht, die der Arbeitgeber freiwillig zur Verfügung stellt, sondern wenn dieser des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung bedarf, um eine von ihm an sich geschuldete Leistung zu kürzen oder Regelungen zu treffen, die die Arbeitnehmer belasten. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber gerade nicht mitbestimmungsfrei darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe er welchem Adressatenkreis gegenüber eine Kürzung der Leistung vornehmen oder andere belastende Maßnahmen treffen will. Hier bedarf vielmehr die Maßnahme als solche und nicht erst deren Ausgestaltung der Mitwirkung des Betriebsrats, sodass es an der mitbestimmungsfreien Vorgabe des Arbeitgebers, durch welche die Ebene der Mitbestimmung und damit das für diese zuständige Gremium festgelegt würde, fehlt. Der Arbeitgeber kann damit seinen Verhandlungspartner nicht subjektiv durch einseitige, mitbestimmungsfreie Vorgaben festlegen. Stattdessen richtet sich die Zuständigkeit des Mitbestimmungsgremiums ausschließlich nach den objektiven Umständen (BAG, Urteil v. 19.6.2007, 1 AZR 454/06[11]). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wird der Arbeitgeber daher über Regelungen, die der Mitbestimmung des Betriebsrats bedürfen, mit den einzelnen örtlichen (Gesamt-)Betriebsräten zu verhandeln haben, sofern nicht die Verteilung einer freiwilligen Leistung in Rede steht und auch keine objektiv zwingenden Erfordernisse für eine konzerneinheitliche oder unternehmensübergreifende Regelung vorliegen.

 
Hinweis

Die Wahl des richtigen Verhandlungspartners ist insbesondere bei tariflichen Öffnungsklauseln von Bedeutung. Sollen im gesamten Konzern einheitlich Abweichungen vom Tarifvertrag vereinbart werden, ist für die hierzu erforderlichen Verhandlungen nicht der Konzernbetriebsrat zuständig; vielmehr müssen die Verhandlungen mit allen örtlichen (Gesamt-)Betriebsräten geführt werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass eine mit dem Konzernbetriebsrat abgeschlossene Konzernbetriebsvereinbarung unwirksam ist und die Konzernunternehmen möglicherweise noch Jahre später tariflichen Ansprüchen der Arbeitnehmer ausgesetzt sind.

 

Rz. 15

Nicht ausreichend zur ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge